Auerbacher Unilever-Arbeiter wehren sich gegen Kahlschlag

Belegschaft eines traditionsreichen Werks für Fertiggerichte im Vogtland soll halbiert werden

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein »gut ausgebildetes und schlagkräftiges Team« präsentiert Unilever im Werbeclip. Jetzt sollen 80 von 175 Mitarbeitern gehen
Ein »gut ausgebildetes und schlagkräftiges Team« präsentiert Unilever im Werbeclip. Jetzt sollen 80 von 175 Mitarbeitern gehen

Kleinstadtszenen im Sonnenschein, sanfte Musik, das Knorr-Logo: So beginnt ein Werbevideo, mit dem der Unilever-Konzern für »unser Werk in Auerbach« wirbt. Zu Wort kommen der Werkleiter, der seit 20 Jahren beim Unternehmen ist, ein Quereinsteiger, der in dem Betrieb seit acht Jahren Zutaten für Fertigsuppen und -gerichte mischt, oder die erfahrene Chefin der Qualitätskontrolle. Es sei, sagt der Werkleiter, »ein gut ausgebildetes und schlagkräftiges Team«.

Der Werbefilm wurde Anfang Dezember bei Youtube hochgeladen. »Ganz schön frech« nennt das Mario Schädlich, Chef des Betriebsrates. Denn Ende Januar kündigte Unilever an, das »schlagkräftige Team« im Vogtland fast halbieren zu wollen. 80 der 175 Stellen sollen gestrichen werden. Die Gewerkschaft NGG sieht schwarz: Die Zukunft des Standortes sei »unsicher«.

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Dabei hat dieser eine lange Tradition. In der Kleinstadt mit knapp 18 000 Einwohnern werden seit 70 Jahren Tütensuppen hergestellt, zunächst im Volkseigenen Betrieb (VEB) »Suppina«, der die gesamte DDR damit versorgte. Die nach Ende der DDR verschwundene Marke wurde 2002 vom Ex-Gewichtheber Joachim Kunz wiederbelebt, der aber nicht in Auerbach produziert. Dort werden seit 1989 »Knorr«-Suppen gefertigt, zunächst unter dem Dach der »Maizena«-Unternehmensgruppe aus Heilbronn, einer Tochter des US-Konzerns CPC. Dessen Nahrungsmittelsparte wiederum wurde im Jahr 2000 in den britischen Unilever-Konzern integriert. Zu seinem Sortiment zählen Suppen ebenso wie Eis, Deo oder Zahncreme.

Das Werk in Auerbach ist nach Angaben von Unilever »Europas modernste Instant-Suppen-Fabrik«. Am Tag können bis zu 120 Tonnen Fertiggerichte gemischt und auf zehn Fertigungslinien abgepackt werden. »Mit so wenigen Leuten so viel Suppe zu produzieren, ist eine Leistung«, sagt Betriebsrat Schädlich. Allerdings sinkt nach Angaben des Unternehmens die Nachfrage nach Tütensuppen, weshalb vier Produktionslinien abgebaut werden sollen. Intern wird kritisiert, Unilever habe wichtige Trends etwa zu veganen Gerichten »verschlafen«; zudem werde das Werk in Auerbach gestutzt, um Anlagen in Heilbronn besser auslasten zu können.

Der Konzern weist die Befürchtung zurück, die Niederlassung im sächsischen Vogtland stehe gänzlich zur Disposition. Die Stellenstreichung diene vielmehr dazu, den Erhalt des Werkes langfristig zu sichern, heißt es. Der Abbau solle über Vorruhestand und einen Sozialplan erfolgen. Gleichwohl will sich die Belegschaft nicht mit den Streichungsplänen abfinden. »Betriebsbedingte Kündigungen darf es nicht geben«, sagt Betriebsrat Schädlich. Gemeinsam mit der Gewerkschaft NGG wurden Proteste organisiert: ein Marsch durch die Stadt, eine Plakataktion, bei der Beschäftigte auf Pappen schreiben, warum Werk und Belegschaft erhalten bleiben müssen. »Familie (2 Kinder) zu ernähren«, ist dort beispielsweise zu lesen.

Auch die Politik will man ins Boot holen. Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) schickte eine Videobotschaft. Am Dienstag tagt Sachsens Kabinett in Auerbach, was Gelegenheit für persönliche Unterstützung gäbe. Mario Schädlich wiederum spricht an diesem Samstag bei einer Gewerkschaftskonferenz der Linken in Leipzig. »Wir müssen es schaffen«, sagt er, »dass unser Werk auch in ein paar Jahren noch existiert.«

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