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Bezahlkarten für Asylbewerber: Ein Landkreis prescht vor

Im brandenburgischen Kreis Märkisch-Oderland soll schon im April eine eigene Kreditkarte eingeführt werden

Märkisch-Oderland (MOL) gehört zu den wenigen Landkreisen in der Bundesrepublik, die sich faktisch nie vom repressiven Gutscheinsystem für Geflüchtete verabschiedet haben. Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber mit Duldung müssen sich ihre Bezüge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hier jeden Monat persönlich in Form eines Schecks abholen. Der ist dann bei einer Sparkasse einzulösen.

Nun will MOL als erster Kreis in Brandenburg im Alleingang mit einer Bezahlkarte starten. Kostenpunkt für das System: etwa 25 000 Euro pro Jahr, dazu kommen für die Einführung einmalig 5000 Euro. Der Start der Prepaidkarte ohne Kontobindung sei für Mitte oder Ende April geplant, bestätigte Vize-Landrat Friedemann Hanke (CDU) am Donnerstag dem »nd«.

Landrat Gernot Schmidt (SPD) hatte jüngst erklärt, er wolle nicht auf das gemeinsame Ausschreibungsverfahren warten, auf das sich die Bundesländer geeinigt haben. Das dauere viel zu lange. Das Ausschreibungsverfahren der 14 beteiligten Länder, darunter auch Brandenburg, soll bis zum Sommer abgeschlossen sein.

Mit der eigenen Karte knüpft der Landkreis aus Sicht des Landrats und seines Stellvertreters an bewährte Verfahren der Kontrolle an. Empfänger müssten auch künftig einmal im Monat in der Verwaltung vorbeikommen, wo die Karte dann aufgeladen werde, sagt Hanke, der auch Sozialdezernent des Kreises ist. Und fügt hinzu: »Wenn Menschen bei uns im Asylverfahren sind, dann wollen wir sie wenigstens einmal im Monat sehen.«

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Der Kreis mit knapp 195 000 Einwohnern muss nach Angaben des Sozialdezernenten 1000 Bezahlkarten für insgesamt 1600 Asylbewerber und Personen mit dem Status der Duldung ausstellen. Diese sollen bundesweit für den bargeldlosen Einkauf einsetzbar sein. Hanke zufolge soll der gesamte Regelsatz nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, also maximal 460 Euro für Alleinstehende, auf die Chipkarte geladen werden. Das, was den Beziehern für den »persönlichen Bedarf« zusteht, also 182 Euro, solle in bar abhebbar sein.

Überweisungen werden laut Hanke mit der neuen Karte »grundsätzlich« nicht möglich sein. Da aber etwa das 49-Euro-Ticket nur per Abonnement mit Abbuchung vom Konto erworben werden kann, soll es hier wie auch in manchen anderen Fällen Ausnahmen geben, sagt Hanke.

Er begründet die Einführung der Karte im Alleingang in erster Linie damit, dass die Versorgung der Geflüchteten genuine Aufgabe der Kommunalverwaltungen sei und eben nicht die von Bund und Ländern. Er selbst treibt die Karteneinführung im Kreis schon länger voran. Im vergangenen Oktober habe man sich erstmals mit einem Anbieter getroffen. Es gehe vor allem darum, die Geldausgabe für die Verwaltung zu vereinfachen.

Wie Politiker auf Bundes- und Landesebene behauptet auch Hanke, man könne mit dem System Bezahlkarte einen »Abschreckungseffekt« erzielen. Der Zeitschrift »Kommunal« sagte er im Februar, es könne dazu beitragen, dass nicht Menschen nach Deutschland kämen, die glaubten, dass hier »Milch und Honig fließen«. So wolle man gewährleisten, dass nur diejenigen kommen, die wirklich verfolgt seien.

Wie bei den Schecks, so soll es auch zur Aufladung der Bezahlkarte nur einen einzigen Termin im Monat geben, an dem das möglich ist. Das Verfahren laufe bisher »reibungslos«, sagt Hanke. Und das Geld sei auch »nicht sofort« komplett verloren, wenn man den Termin verpasse. Man könne auch eine Vollmacht zur Abholung für eine andere Person ausstellen.

Gleichwohl haben sich in der Vergangenheit wiederholt dramatische Szenen etwa in der abgelegenen Ausgabestelle des Sozialamts nahe der Kreisstadt Seelow abgespielt, weil Mitarbeiterinnen Menschen die Schecks nicht gaben, weil sie den Termin versäumt hatten. Vor drei Jahren kam es in einem Fall gar zu einem Prozess gegen einen jungen Mann aus Kamerun, weil er sich im Amt verzweifelt am Ausgabeschalter festgeklammert hatte und nicht weichen wollte, bevor er sein Geld bekommen hatte. Er sollte damals zur Strafe fürs Zuspätkommen nur 100 anstelle der ihm zustehenden 300 Euro erhalten.

Dem Mann wurde vor dem Amtsgericht Frankfurt Oder Gewalt gegen Sicherheitsleute und Polizisten vorgeworfen, die ihm Handschellen angelegt und ihn schließlich aus dem Raum bugsiert hatten. Allerdings wurde das Verfahren damals eingestellt, weil gleich zwei Sicherheitsleute zugunsten des Beschuldigten aussagten. Einer der beiden berichtete, der Mann habe sich »defensiv« verhalten wie bei einem »friedlichen Sitzstreik«. Zugleich wies die Verteidigung nach, dass der Angeklagte selbst massive Gewalt erlitten hatte.

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