Investigatives Theater

Lübecker Projekt klärt über rassistischen Brandanschlag auf

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Haus in der Hafenstraße 96 in Lübeck nach dem Brandanschlag.
Das Haus in der Hafenstraße 96 in Lübeck nach dem Brandanschlag.

»Diese Leute sind immer noch auf freiem Fuß«, sagt Esperanca Bunga. Sie ist eine der Überlebenden eines wahrscheinlich von Neonazis verübten Anschlags, der nie aufgeklärt wurde. Zehn migrantische Menschen starben nach einen Brandanschlag am 18. Januar 1996 in der Hafenstraße 96 in Lübeck. Bis heute wurde für diesen Mord niemand verurteilt. Dafür wurde mit Safwan Eid einer der Mitbewohner als angeblicher Brandstifter angeklagt. Er saß mehrere Wochen in Untersuchungshaft und wurde zweimal freigesprochen. Dafür sorgte seine engagierte Anwältin Gabriele Heinecke.

Regisseur des Projekts »Hafenstraße« ist der in Schwerin geborene Theaterwissenschaftler Helge Schmidt, der schon in der Vergangenheit mit engagierter politischer Kultur aufgefallen ist. Als Ziel von »Hafenstraße« nennt er, dass die Verantwortlichen für den Anschlag vor 28 Jahren vor Gericht gestellt werden. »Es klafft eine Wunde in der Stadt, die im kollektiven Gedächtnis zu verblassen droht«, so der Regisseur.

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Mit Fundstücken und zahlreichen Interviews, die per Video auf sieben Jalousien projiziert werden, vermittelt das Stück brisante Informationen zum Fall. Dabei steht sogar eine Strafvereitelung im Amt durch die Lübecker Polizei und Justiz im Raum. Denn eine Gruppe von drei Neonazis wurde mit Brandspuren im Gesicht in der Tatnacht in der Nähe der Brandstelle festgenommen. Doch kurze Zeit später wurden sie wieder freigelassen. Schließlich sollte den Ermittlungen zufolge einer der Bewohner der Brandstifter sein.

Nach Eids Freispruch wurde keine Anklage mehr erhoben, obwohl zwei von den Neonazis die Tat sogar gestanden. Einer von ihnen machte seine Aussage bei der Polizei. Doch mehrere Beamte überzeugten den Jungrechten erfolgreich, die Aussage wieder zurückzuziehen. Das berichtet ein bei dem Termin anwesender Polizist, der bekundet, dass er danach den Glauben an Polizei und Justiz verloren habe.

Äußerst befremdlich ist auch die Reaktion des damals mit der Sache befassten Lübecker Staatsanwalts. Er sagt lächelnd vor der Kamera, er habe Wichtigeres zu tun, als das Geständnis des Rechten auch nur zu lesen. Dies würde ihn ja von anderen Verfahren abhalten.

Im Laufe des Abends werden Erinnerungen an Oury Jalloh wach, der am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte. Auch in seinen Fall wurden die Ermittlungen verschleppt. Der Umgang der Polizei mit den Bewohnern der Hafenstraße erinnert zudem an die Klagen, die Angehörige der Opfer des NSU äußerten. Auch sie wurden beim Verhör wie Verdächtige behandelt. Jeder Hinweis, dass Rechte hinter den Morden stehen könnten, wurde zurückgewiesen, bis sich NS-Terrorgruppe selber enttarnte.

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