Abschiebung mit Foltergerät?

Bundesinnenministerium dementiert Einsatz schmerzender Metallschiene

Mit Behauptungen über die Verwendung dieser Schiene soll die eigentlich komplikationslose Abschiebung »in Misskredit gebracht werden«, kommentiert die Bundesregierung.
Mit Behauptungen über die Verwendung dieser Schiene soll die eigentlich komplikationslose Abschiebung »in Misskredit gebracht werden«, kommentiert die Bundesregierung.

Am 12. März 2024 wurde Saikou Kanteh vom Stuttgarter Flughafen unerwartet mit einem Charterflug nach Banjul in Gambia abgeschoben. Unterstützer hatten kurz darauf berichtet, dass ihm die begleitende Polizei dabei eine schmerzverursachende Metallschiene in den Mund eingesetzt hätten. Kanteh habe diese nach der Ankunft in Gambia durch einen Arzt entfernen lassen müssen.

Ein Bericht der in Gambia erscheinenden Internetzeitung »Alkamba Times« bestätigt die Darstellung. Demnach sei Kanteh von »mehr als sechs deutschen Polizeibeamten« misshandelt worden, anschließend hätten ihm diese die ringförmige Schiene eingesetzt und ihn in ein Flugzeug von Turkish Airlines nach Banjul gesetzt. Mindestens 16 weitere gambische Migranten seien in dem gleichen Flieger in das Land abgeschoben worden.

Abschiebungen aus Deutschland werden meist von Beamten der Bundespolizei begleitet. Dabei werden auch verschiedene Fesselungstechniken eingesetzt. Eine schmerverursachende Schiene für den Mundraum war bislang nicht als Maßnahme zur Ruhigstellung bekannt und dürfte auch gegen das Folterverbot verstoßen.

Die Linke-Abgeordnete Clara Bünger hat sich deshalb in der Fragestunde des Bundestages nach dem Vorfall erkundigt. In der Antwort dementiert das Innenministerium die Berichte. Die betreffende Abschiebung sei demnach »ohne Komplikationen durchgeführt« worden. Eine angebliche Verwendung des Zwangsmittels entspreche nicht der Wahrheit.

»Ein Einsatz von ›Metallschienen‹ in der Mundhöhle einer Person als Maßnahme des unmittelbaren Zwangs entspricht weder der geltenden Rechts- noch Verfügungslage«, heißt es weiter. Auch sei nicht nachvollziehbar, wozu diese eingesetzt worden sein solle. »Die Bundesregierung geht davon aus, dass durch diese Behauptung die Rückführungsmaßnahme in Misskredit gebracht werden soll«, so das Ministerium.

Unterstützer von Kanteh stellt dieses Dementi jedoch nicht zufrieden. Am Dienstag hat eine nach eigenen Angaben »selbstorganisierte antirassistische Interessenvertretung« die Vorwürfe in einer Pressemitteilung wiederholt. Die Gruppe mit dem Namen »Solimo« setze sich für die Abschaffung der unmenschlichen Behandlung von Migranten und Flüchtlingen in Deutschland ein und sei vor allem in Sachsen-Anhalt und Berlin tätig, heißt es darin.

Laut »Solimo« habe es eine verbale Auseinandersetzung zwischen Kanteh und Beamten der Polizeiwache in Laufen am Neckar gegeben. Dort sei er nach eigener Darstellung vorstellig geworden, nachdem er in einem Schreiben von seiner bevorstehenden Abschiebung erfuhr. Als Kanteh in sofortige Abschiebehaft genommen wurde, sei ihm ein Rechtsbeistand verweigert worden. Nachträglich hätten die Unterstützer erfahren, dass Kanteh mit einem abgelaufenen Reisedokument abgeschoben worden sei. Dies verstoße gegen ein zwischen Gambia und Deutschland geschlossenes Rückführungsabkommen.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums haben sich mit Stichtag 31. Dezember 3773 ausreisepflichtige gambische Staatsangehörige in Deutschland aufgehalten. 431 Personen seien im gleichen Jahr nach Gambia abgeschoben worden.

Fakt ist, dass Abschiebungen von Gambiern auffällig oft mit sogenannten »Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt« erfolgen. In Kleinen Anfragen fragt die Linke-Abgeordnete Bünger regelmäßig danach. Laut der jüngsten Antwort waren in den ersten zehn Monaten des Jahres 2023 insgesamt 869 Personen von solchen Zwangsmitteln betroffen, davon 124 aus Gambia. An erster Stelle dieser Statistik steht Algerien mit 282 Betroffenen.

»Gerade weil es in den letzten Jahren wiederholt Berichte über eine äußerst brutalisierte Abschiebepraxis gab, die auch bereits durch das Antifolterkomitee des Europarats gerügt wurde, nehme ich die Berichte sehr ernst«, sagt Bünger auf Anfrage des »nd«. Von der Bundesregierung erwarte die fluchtpolitische Sprecherin der Linke-Gruppe, dass sie den Vorfall vom 12. März lückenlos aufklärt.

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