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Keine Lizenz für »Migrantifa«
Ein EU-Amt verweigert den Eintrag des Begriffs als geschützte Marke. Über dessen Verwendung sind sich Linke aber uneins
Der Begriff »Migrantifa« kann in der Europäischen Union nicht als Marke eingetragen werden. Diesen Beschluss des EU-Amts für geistiges Eigentum (EUIPO) hat der Düsseldorfer Rechtsanwalt Jasper Prigge Anfang der Woche bekannt gemacht. Daraus geht hervor, dass die für Löschungen zuständige Abteilung der Agentur mit Sitz im spanischen Alicante einen 2021 bereits erfolgten Eintrag als Unionsmarke annulliert hat. Die Entscheidung ist aber nicht endgültig, eine Beschwerde ist möglich.
In der Sache ging es um eine Aufforderung zur Zahlung von Lizenzgebühren, die der frischgebackene Markeninhaber einem antirassistischen Verein aus Darmstadt wegen einer behaupteten Markenrechtsverletzung geschickt hat. Die Mitglieder hatten T-Shirts mit dem Aufdruck »Migrantifa« im Internet angeboten, um mit dem Verkauf das migrationsoldidarische Bündnis »We’ll Come United« finanziell zu unterstützen.
Vertreten durch Prigge hat der Verein nach der Zahlungsaufforderung einen Antrag auf Nichtigkeit der Unionsmarke gestellt. Von dieser sollten nach Ansicht des Inhabers alle Waren und Dienstleistungen umfasst sein, die das Wort »Migrantifa« auf Papier und Pappe, Textilien oder elektronischen Publikationen farbig darstellen. Auch die Öffentlichkeitsarbeit und »politisches Lobbying« wäre damit ausschließlich dem Markeninhaber erlaubt gewesen, ebenso die Veranstaltung von Kongressen, Konzerten oder sonstigen Veranstaltungen.
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Bei dem – zumindest vorläufigen – Markeninhaber handelt es sich laut Auskunft von Registern um einem Stahlbau-Unternehmer aus dem sauerländischen Warburg, der demnach auch eine Lizenz für den Begriff »Black Lives Matter« beantragte. Damit wollte der Mann, der zu diesem Zeitpunkt auch für die CDU im Ortsbeirat im nordhessischen Breuna saß, offenbar politische Gegner zermürben: In sozialen Medien äußert er sich mit Verschwörungsvokabular über Nichtregierungsorganisationen und den öffentlichen Rundfunk, beschimpft die Grünen-Politikerin Renate Künast und dröhnt, er könne »endlos weiter aufzählen wer in diesem Land unseren Land aus ideologischen, verqueren Gründen vorsätzlich Schaden macht«. Inzwischen gehört der Unternehmer zu den führenden Köpfen der rechtsextremen Werteunion des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen.
Der Verschwörer aus Nordhessen darf den Begriff »Migrantifa« also nicht vermarkten. Aber wofür steht er überhaupt? In ihrem Beschluss, den Markeneintrag rückgängig zu machen, liefert die Löschabteilung der EUIPO eine mögliche Interpretation. Der Neologismus aus »Migrant« und »Antifa« sei eine »rein (gesellschafts-)politische Aussage«, heißt es darin, und weiter: »Besagte Bewegung (gemeint ist ›Migrantifa‹) geht bei weitem über eine einzelne politische Partei oder ein bestimmtes Unternehmen hinaus«.
»Marken können nicht dafür genutzt werden, politische Begriffe zu monopolisieren«, meint auch Rechtsanwalt Prigge zu der Entscheidung des EUIPO. »Migrantifa steht für eine Bewegung mit dem Ziel, gemeinsam eine solidarische, antirassistische und antifaschistische Gesellschaft aufzubauen«, ergänzt Rola Saleh vom Netzwerk »We’ll Come United« in dem Posting des Klagevertreters.
Allerdings ist der Gebrauch des Labels »Migrantifa« auch in der Linken dynamisch. Bei dem 2017 erstmals in Erscheinung getretenen Bündnis »We’ll Come United« sollten damit nach den Morden in Hanau 2019 verschiedene Kämpfe verschmolzen werden. So hatte es 2020 auch Martina Renner, die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag beschrieben: »Diese Gruppen verbinden antirassistische und antifaschistische Kämpfe und schlagen damit dringend nötige Brücken. Damit stehen sie auch in der Tradition des migrantischen Selbstschutzes gegen rechte Übergriffe in den 90er Jahren. Danke Migrantifa!«, sagte Renner in einer Rede.
»Der Begriff ›Migrantifa‹ stand in dieser Genese für einen Perspektivwechsel im Antirassismus, den die Angehörigen und Freund*innen der Ermordeten von Hanau vorgemacht haben«, erinnert sich der Referent für Migration bei der Rosa Luxemburg Stiftung, Massimo Perinelli. 2019 habe sich das bundesweite Antifa-Netzwerk in Dresden ebenfalls bewusst für diese Deutung entschieden und damit »die arbeitsteilige Trennung von Antira, Antifa und migrantischer sowie Geflüchteten-Selbstorganisierung auch auf der Straße zum ersten Mal überwunden«, sagt Perinelli.
Im Kontext von Hanau sind jedoch in einigen Städten auch vorwiegend migrantische Gruppen entstanden, die sich als »Migrantifa« bezeichnen. Sie vertreten radikale linke Positionen und rufen mit dem arabischen Ausruf »Yalla!« zum Klassenkampf auf, spätestens nach dem 7. Oktober auch zur Solidarität mit der von Israel massenhaft bombardierten und in weiten Teilen vertriebenen Bevölkerung im Gazastreifen.
Das Konzept »Migrantifa« sei damit aber ins Gegenteil verkehrt worden, sagt dazu der Migrationsrefrent Perinelli, und meint: »Der Begriff gehört denen, die antifaschistische, antirassistische und selbstorganisierende Kämpfe zusammenführen und gegen Rassismus und Antisemitismus in die Offensive kommen wollen«.
»Keine Einzelperson kann Deutungshoheit darüber haben, wer ›die Migrantifa‹ ist, oder was sie sagt«, meinen Menschen von »Migrantifa Berlin«, die sich als Teil eines migrantischen Kollektivs begreifen »das zusammen aktiv arbeitet, lernt und wächst«. Alle, die Antifaschismus mit migrantischen Perspektiven und oder einem antirassistischen Fokus machen, könnten das Label verwenden, sagt die Berliner Gruppe auf Anfrage des »nd«.
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