Streik in Berlin: Bambule am Bau

Die Baubranche legt zum ersten Mal seit 22 Jahren die Arbeit nieder. Eindrücke vom Berliner Streikposten

Eine vorab nicht angemeldete Streikdemonstration wurde von der Polizei am Donnerstag gestoppt.
Eine vorab nicht angemeldete Streikdemonstration wurde von der Polizei am Donnerstag gestoppt.

Es ist der erste Streik im Bauhauptgewerbe seit 22 Jahren. In einem Hinterhof in Berlin-Mitte ist ein großes Zelt aufgebaut. An Bierbänken sitzen etwa 35 Männer in orangefarbenen Westen. Etwa noch mal so viele sitzen und stehen in einem Vorraum zusammen. Hier liegen die Streiklisten, verschiedene Infomaterialien, Fahnen, Westen und Trillerpfeifen aus. Ein kleines Buffet ist aufgebaut. Es gibt Kaffee, Schrippen und Würste.

»Sorry, dass es mit dem Catering nicht ganz pünktlich geklappt hat«, sagt Hivzi Kalayci zu den versammelten Bauarbeitern, »aber ich war noch auf anderen Baustellen gewesen, auf denen es etwas kritischer war.« Offenbar lief es nicht überall, wo die Arbeiter heute Morgen den Hammer fallen ließen, ganz konfliktfrei ab. Kalayci ist Sekretär der Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt (IG BAU) in Berlin.

Die Gewerkschaft hat ihre Mitglieder für den 16. und 17. Mai in den Warnstreik gerufen. Die bundesweite Tarifrunde ist eskaliert, nachdem die Arbeitgeber den Vorschlag eines Schlichters abgelehnt hatten. Die IG BAU hatte hingegen zugestimmt, verweist nun aber wieder auf ihre ursprüngliche Forderung: eine Lohnerhöhung von 500 Euro monatlich. Davon sollen vor allem die unteren Lohngruppen profitieren.

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Die Arbeitgeber haben seit der abgelehnten Schlichtung kein eigenes Angebot mehr vorgelegt. Stattdessen haben die Verbände ihren Mitgliedsunternehmen empfohlen, die Löhne freiwillig um bis zu sechs Prozent zu erhöhen. »Den Arbeitgebern brennt die Hütte«, ordnet Dirk Kuske, stellvertretender Regionalleiter der IG BAU vor seinen Mitgliedern am Streikposten diese einseitige Erhöhung ein. »Auf den Baustellen kippt die Stimmung wirklich.« Daher hätten Unternehmen Druck auf den Arbeitgeberverband ausgeübt. Von einem Lohn-Giftköder hatte die IG BAU gesprochen.

Diese Einschätzung teilen auch drei Kollegen, die an einer Bierbank zusammensitzen. Zwischen ihnen stehen Wasserflaschen, leere Pappkaffeebecher und ein Stapel Skatkarten. »Das ist ein Angebot, um uns von der Gewerkschaft wegzulocken«, sagt einer der drei. Ohne Tarifverträge ginge es am Bau zu wie im Wilden Westen. Da die Lohnerhöhung jederzeit wieder zurückgenommen werden könnte, bestünde kein Schutz vor Lohndumping.

Momentan seien die drei mit dem Tiefbau auf einer Baustelle im brandenburgischen Ludwigsfelde beschäftigt. Ihr Arbeitgeber, die Strabag AG, baut dort für einen Lebensmittelgroßhändler. Von den insgesamt 70 Kollegen seien sie die Einzigen, die die Arbeit niedergelegt hätten, viele hätten Schiss, andere seien mit dem Lockangebot der Arbeitgeber zufrieden. Das sei ein Problem: »Wie bei der IG Metall braucht es die Masse der Leute in der Gewerkschaft und in Präsenz auf der Straße und in Abstinenz auf der Baustelle.«

»Beim Arbeitsschutz hat sich viel getan«, sagt der Älteste der drei. Bei den großen namhaften Firmen wie eben Strabag, Porr oder Max Bögl gäbe es da keine Mängel, das sei bei kleineren Betrieben anders. Dennoch geht er nächstes Jahr früher als vorgesehen in Rente, seine Knie seien kaputt. Er habe zwar die 45 Jahre in die Rentenversicherung einbezahlt, dennoch winken ihm nun elf Prozent Abzüge, da er schon mit 64 Jahren aus dem Arbeitsleben ausscheide: »Ich habe keine Wahl«, sagt er.

Die Mehrheit der am Donnerstag Streikenden ist bei Strabag beschäftigt. Die IG BAU hat sieben Baustellen und eben Strabag als einzigen Betrieb in Gänze zum Ausstand aufgerufen. Anders als ihre Kollegen sind die drei in Ludwigsfelde Eingesetzten in der Niederlassung in Neu-Seddin und damit in Brandenburg angestellt. Dadurch würden für sie Löhne, aber auch Zuschläge, Urlaubs- und Weihnachtsgeld niedriger ausfallen als für ihre Berliner Kollegen. Ein Problem, das die laufende Tarifrunde nicht adressiert.

Eine weitere Leerstelle beläuft sich auf die teils langen und ebenfalls nur zum Teil vergüteten Anfahrten. Zwei Beschäftigte der Firma Implenia, die in Berlin für die Firma 50 Hertz Kabelschächte aushebt, um die Kapazität des Stromnetzes auszubauen, sind in Erfurt und Meiningen angestellt und fahren jeweils zum Anfang und Ende der Woche Hunderte Kilometer. Wenn es in den Schwarzwald geht, würden sie schon mal um 2 Uhr nachts aufbrechen, damit sie um 7 Uhr auf der Baustelle sind, um 10 Stunden zu arbeiten. Manche bekämen dafür einen Dienstwagen, andere nicht.

Vor dem Abschluss eines neuen Tarifvertrags sei da aber auch eine Angst, sagen die beiden Implenia-Beschäftigten. Davor, dass die Baufirmen mit Tarifbindung dann zu teuer würden. So habe Implenia einen polnischen Ableger, der zwar geringere Qualität liefere, dafür seinen vornehmlich osteuropäischen Angestellten teilweise nur die Hälfte des Lohns zahle. Das Problem sei der verbreitete Einsatz von Subunternehmen in der Branche.

»Wir wollen eins klarstellen«, sagt Gewerkschaftssekretär Kalayci, »die Baustellen, die auf Subunternehmen setzen, sind nicht raus.« Um das zu verdeutlichen, will die IG BAU eine Schulbaustelle in Neuenhagen »dichtmachen«. Kalayci sucht noch 20 Freiwillige, die am Freitagmorgen mit ihren Autos die Baustelle blockieren.

Laut Nikolaus Landgraf, IG BAU Regionalleiter Berlin-Brandenburg, haben sich mindestens 150 Beschäftigte am Streik beteiligt. In erster Linie gehe es darum, für die großen Unternehmen im Arbeitgeberverband den letzten Tarif aus 2021 zu verbessern. Die Erschließung weiterer, auch kleiner Betriebe sei jetzt sekundär. Und: »Wir rufen nur punktuell und nicht in der Fläche zum Streik auf. Für die kommende Woche sind bereits Betriebe und Baustellen ausgewählt.«

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