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Haitis Krise hilft dem Sieger

Amtsinhaber Luis Abinader wird in der Dominikanischen Republik wiedergewählt

  • Moritz Osswald. Mexiko-Stadt
  • Lesedauer: 4 Min.

»Die Menschen haben sich klar geäußert, und sie wollen, dass der Wandel weiter voranschreitet«, so der Wahlsieger Luis Abinader noch in der Nacht. Der 56-jährige Amtsinhaber wird die Dominikanische Republik weitere vier Jahre regieren. Eine Stichwahl entfällt, da Abinader mit 58 Prozent die 50-Prozent-Marke auf Anhieb übertraf.

Abinader vertritt die Mitte-Links-Partei PRM (Partido Revolucionario Moderno), die er 2014 gründete. Der Sieg des Unternehmers ist keine Überraschung. Die letzte Gallup-Umfrage vor der Wahl sah Abinader als klaren Favoriten. Die Dominikanische Republik verzeichnet eine der am rasantesten wachsenden Ökonomien Lateinamerikas. Einbrüche im Tourismus durch die Corona-Pandemie – eine für den Karibikstaat relevante Branche – wurden längst wettgemacht. Vergangenes Jahr brach das Land sogar den Rekord von zehn Millionen Tourist*innen. Eine Kalifornierin staunte, als sie kurz vor Jahresende bei ihrer Ankunft am Flughafen von Punta Cana persönlich vom dominikanischen Tourismusminister David Collado und Pressevertreter*innen empfangen wurde. Sie war die zehnmillionste Touristin.

Migranten sind das Feindbild

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Insgesamt neun Kandidat*innen standen zur Wahl. Neben Abinader, der die Umfragen anführte, galten Ex-Staatspräsident Leonel Fernández sowie Abel Martínez als potenzielle Konkurrenten um den Sieg. Letzterer war einst Bürgermeister der zweitgrößten dominikanischen Stadt Santiago. Abinader fiel immer wieder durch patriotische Rhetorik und einen migrantenfeindlichen Diskurs auf. Bildung und die steigenden Lebenshaltungskosten im Land sind wichtige Themen für die Menschen. Die Nichtregierungsorganisation »Participación Ciudadana« kritisiert die Verwendung öffentlicher Gelder für Wahlwerbung, die im Land schon lange Tradition besitze.

Grenzmauer ist in Konstruktion

Doch die Migration überschattet alle anderen Diskussionen. Abinader betonte stets, Haitianer*innen abzuschieben. Zudem begann er mit dem Bau einer Grenzmauer zum einzigen Nachbarstaat Haiti. Die Realitäten der beiden Karibikstaaten, die sich die Insel Hispaniola teilen, driften schon lange heftig auseinander. Auf der einen Seite Haiti, ein Land im permanenten Krisenmodus, das politische Problemkind, terrorisiert von kriminellen Banden, ohne existenten Staat. Auf der anderen Seite der 391 Kilometer langen Grenze: Urlaubsparadies, politische Stabilität, wachsende Wirtschaft. Während der Kolonialzeit sah das noch ganz anders: Der östliche Teil der Insel, das spanische Santo Domingo, war wesentlich ärmer als der französische Westteil, die Kolonie Saint-Domingue.

Dass die Krise des Nachbars nicht über die Grenze kommt – so lautete das Wahlkampfmotto Abinaders. Der Staatschef verkündete, dass die Krise in Haiti eine direkte Bedrohung der Stabilität und Sicherheit für die Dominikanische Republik darstelle.

Seine zwei wichtigsten Widersacher, Fernández und Martínez, kopierten diesen Diskurs. Alle drei setzen auf Abschiebungen. Rund eine halbe Million Haitianer*innen leben derzeit in der Dominikanischen Republik. Schätzungsweise die Hälfte davon ohne legalen Aufenthaltsstatus. Doch viele dieser Geflüchteten tragen zum wirtschaftlichen Aufschwung des Nachbarn bei, arbeiten zu Dumping-Löhnen auf dem Bau und in der Landwirtschaft.

Das Geschäft mit den Geflüchteten

Trotz des vermeintlich harten Kurses gegen Migrant*innen flüchten aus Haiti nach wie vor viele Menschen ungehindert über die Grenze. Denn am Geschäft mit den Geflüchteten verdienen sowohl Schlepper als auch korrupte Behörden gut. Diskriminierung und Rassismus der haitianischen Nachbarn ist nichts Neues in der Dominikanischen Republik. 1937 fielen Tausende haitianische Migrant*innen dem »Petersilien-Massaker« zum Opfer. Dominikanische Soldaten trugen einen Zweig Petersilie mit sich herum und zwangen Menschen, die sie verdächtigten, aus Haiti zu stammen, das spanische Wort für Petersilie (»perejil«) korrekt auszusprechen. Wer wie die meisten Haitianer*innen mit Kreolisch als Muttersprache das Wort falsch aussprach, wurde getötet – auf Befehl des damaligen Diktators Rafael Trujillo.

Die Fokussierung auf das Thema Migration, die anti-haitianischen Ressentiments tragen auch zur Ablenkung von anderen Problemen bei. Bridget Wooding, Expertin für Migration in der Karibik, sagte gegenüber der BBC Mundo, der anti-haitianische Diskurs verschleiere Themen wie Korruptionsbekämpfung oder die Stärkung der Frauenrechte. Die politischen Parteien hätten sich »auf ein einziges Thema konzentriert, um das Land zu vereinen«.

Abinader wird allerdings von den Wähler*innen angerechnet, dass er den Kampf gegen korrupte Beamt*innen ernster nahm und nicht nur zum Mittel der Versetzungen, sondern auch zu Entlassungen griff. Zusammen mit der guten Wirtschaftsentwicklung war die Korruptionsbekämpfung neben seinem harten Kurs beim Thema Migration wahlentscheidend.

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