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SPD Berlin: Burgfrieden mit Brüchen

Maue Ergebnisse für Hikel und Böcker-Giannini bei SPD-Landesparteitag

Wenn es ein Wort gab, das den Landesparteitag der SPD am Samstag bestimmte, dann war es »Einigkeit«. Kaum eine Rede bei der Parteiversammlung blieb ohne den Appell an die Geschlossenheit der in Berlin notorisch zerstrittenen Sozialdemokraten. »Unsere Partei war in ihrer 160-jährigen Geschichte dann stark, wenn sie Einheit gezeigt hat«, gab die scheidende Landesvorsitzende Franziska Giffey den Genossen in ihrer Abschlussrede noch mit.

Die Einigkeitsbeschwörungen zeigten allerdings nur begrenzte Wirkung. Martin Hikel und Nicola Böcker-Giannini, die ohne Gegenkandidaten für den Landesvorsitz kandidierten, gewannen jeweils nur etwa zwei Drittel der Delegierten für sich. Die Wahlergebnisse von 67,5 Prozent (Böcker-Giannini) und 65,5 Prozent (Hikel) stellen zwar keine Schlappe dar – Amtsvorgänger Giffey und Raed Saleh erhielten bei der letzten Landesvorstandswahl 2022 nur etwa 60 Prozent der Stimmen –, blieben aber doch hinter den Erwartungen zurück. Beide hatten sich zuvor nach zweimonatigem innerparteilichen Wahlkampf beim SPD-Mitgliederentscheid mit 59 Prozent der Stimmen gegen das linke Kandidatenduo Kian Niroomand und Jana Bertels durchgesetzt.

In ihrer gemeinsamen Bewerbungsrede hatten Hikel und Böcker-Giannini zuvor einen inhaltlichen Neustart für die Berliner SPD gefordert. »Wir müssen Politik vom Alltag der Menschen denken«, forderte Hikel. Auch die kontroverseren Teile ihrer Programmatik sparten sie nicht aus. »Das 29-Euro-Ticket hat keine Umverteilungswirkung«, sagte Böcker-Giannini über das zentrale Wahlversprechen der SPD. Unmittelbar abschaffen wolle sie das 29-Euro-Ticket, dessen Verkauf bereits gestartet ist, allerdings nicht. Stattdessen solle nach einem Jahr analysiert werden, wie das Ticket gewirkt habe.

Auch an einem anderen Punkt ruderten die Kandidierenden etwas zurück: »Wir wollen die kostenfreie Bildung nicht abschaffen«, sagte Böcker-Giannini. Im Wahlkampf vor dem Mitgliederentscheid hatte sie Zweifel an der Gebührenfreiheit von Kitas geschürt, die die SPD 2018 gemeinsam mit Grünen und Linken eingeführt hatte. Ganz abrücken wolle sie auch jetzt allerdings nicht von dieser Position. »Wir müssen gezielter investieren und starke Schultern mehr belasten«, sagte sie und schoss etwas Balsam für die linke Parteienseele noch hinterher: »Wir brauchen eine höhere Erbschaftsteuer, eine Vermögensteuer und eine Reichensteuer«, forderte Böcker-Giannini. Auf diese Fragen kann das Land Berlin indes wenig Einfluss nehmen.

Vor allem Genossen vom linken Parteiflügel ließen in der anschließenden Aussprache ihren Frust ab. »Die gebührenfreie Kita bleibt wichtig«, sprach eine Delegierte den beiden neuen Landesvorsitzenden ins Gewissen. »Sie ist auch ein Mittel zur Gleichstellung«. Es gebe andere Wege als Kita-Gebühren, um Reiche zur Kasse zu bitten. Besonders heftige Kritik erfuhr ein Satz, den Hikel am Tag zuvor gegenüber der »B.Z.« gesagt hatte: »Die Partei ist inhaltlich tot.« Für viele Funktionäre, die zu jedem Parteitag seitenweise Anträge schreiben, war das ein Affront. »Die Partei verdient Respekt«, forderte Ellinor Trenczek aus dem Kreisverband Steglitz-Zehlendorf. »Inhaltlich tot zu sein und Inhalte nicht vermitteln zu können ist nicht dasselbe.«

Pflichtschuldig bedankten sich Hikel und Böcker-Giannini im Anschluss für die »kritische Debatte« und das »ehrliche Ergebnis«. Sie versicherten, alle Parteiflügel einbinden zu wollen. Das nahmen ihnen die Parteitagsdelegierten direkt ab. Sie stellten den parteirechten Landesvorsitzenden einen Landesvorstand zur Seite, der vom linken Flügel dominiert wird. Durchsetzen konnte sich unter anderem Sinem Taşan-Funke als stellvertretende Vorsitzende, die sich in ihrer Bewerbungsrede selbstbewusst als »Sozialistin« bezeichnet hatte. Gordon Lemm, Bezirksstadtrat in Marzahn-Hellersdorf und Verbündeter von Hikel und Böcker-Giannini, wurde hingegen nicht gewählt. Auch bei den Wahlen zu den Vorstandsbeisitzern setzten sich vor allem linke Kandidaten durch.

Die bisherigen Landesvorsitzenden Franziska Giffey und Raed Saleh wurden weitgehend geräuschlos verabschiedet. Im Vorfeld war befürchtet worden, Delegierte könnten den Parteitag zur Abrechnung mit den zwei Landespolitikern nutzen, die sich zuletzt jeweils auf ihre eigene Weise bei den Genossen unbeliebt gemacht hatten. Giffey gilt vielen noch immer als Hauptverantwortliche für den Wechsel in die unpopuläre große Koalition unter dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Saleh hatte zuletzt aus Sicht vieler SPD-Funktionäre seinen Machtwillen zu ungehemmt ausgelebt. Nachdem er mit einer eigenen Kandidatur für den Landesvorsitz beim Mitgliederentscheid krachend gescheitert war, zog er die Wahl für den Vorsitz der Fraktion im Abgeordnetenhaus vor, um sich zumindest auf diesem Posten halten zu können. Dieser Schachzug sorgte flügelübergreifend für Kritik.

Diese behielt man beim Parteitag aber lieber für sich. Giffey und Saleh wurden jeweils mit Standing Ovations verabschiedet. Einen Seitenhieb in Richtung Saleh erlaubte sich nur eine Delegierte, die bei der Vorstellung des Gleichstellungsberichts sagte: »Ich finde es gut, dass auch in der Fraktion mehr auf Gleichstellung geachtet wird – vielleicht wird ja auch bald eine weibliche Fraktionsvorsitzende gewählt«. Saleh hatte vor den Fraktionswahlen dafür gesorgt, dass die Forderung nach einer paritätisch besetzten Doppelspitze für die Abgeordnetenhausfraktion in einen Arbeitskreis abgeschoben wurde.

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