Wohnen in Berlin: Ganz legaler Mietenwahnsinn

Der schwarz-rote Senat stellt seinen Mietspiegel vor, Deutsche Wohnen und Co enteignen antwortet mit dem Mietpreisbremsenrechner

  • David Rojas Kienzle, Marten Brehmer
  • Lesedauer: 4 Min.
Steigt moderat, ist aber trotzdem zu hoch: die Miete
Steigt moderat, ist aber trotzdem zu hoch: die Miete

Jetzt auch amtlich: Die Mieten in Berlin steigen weiter. Im Schnitt liegt die Kaltmiete pro Quadratmeter zurzeit bei 7,21 Euro im Monat. 2023 waren es noch 7,16 Euro pro Quadratmeter im Monat. Das entspricht einer Steigerung von 0,7 Prozent. Dies geht aus dem amtlichen Mietspiegel hervor, den Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) am Donnerstag vorstellte. Die Zahlen aus 2023 und 2024 sind allerdings nur bedingt vergleichbar, weil sich die Berechnungsgrundlage verändert hat.

»Der Mietspiegel zeigt moderate Steigerungen«, sagte Gaebler bei der Vorstellung des Mietspiegels. Größere Steigerungen habe es vor allem im Altbau gegeben. Für eine bis 1918 fertiggestellte Wohnung in mittlerer Wohnlage mit einer Größe bis zu 35 Quadratmetern liegt die Quadratmetermiete zurzeit beispielsweise bei 10,12 Euro. Angebotsmieten sind deutlich stärker angestiegen als Bestandsmieten. »Wer eine neue Wohnung sucht, wird stellenweise mit sehr hohen Mietforderungen konfrontiert«, kommentierte Gaebler. Seit 2019 sind die Mieten laut Mietspiegel in mittleren Wohnlagen um acht Prozent angestiegen, in einfachen Wohnlagen um 3,2 Prozent.

Unter Handlungszwang sieht Gaebler vor allem die Bundesebene. »Wir haben alle landesrechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft«, sagte er. Daher sei der Bund am Zug. Die Mietpreisbremse müsse verlängert und Ausnahmen von ihr müssten auf den Prüfstand gestellt werden. »Die Bundesregierung handelt trotz Aufforderung aus dem Bundesrat nicht«, beschwerte sich Gaebler. Auf Landesebene sieht er nur Potenziale beim Wirtschaftsstrafrecht. Mit diesem Instrument könnte Mietwucher bekämpft werden. Die Verantwortung dafür liege aber bei den Bezirken.

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»Der von uns befürchtete flächendeckende Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete blieb diesmal zwar aus«, kommentiert Wibke Werner, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins (BMV). Für manche Wohnungen würden sich aber große Mieterhöhungsspielräume eröffnen. Besonders gestiegen seien die Mieten für Wohnungstypen, nach denen es eine große Nachfrage gibt, wie kleinen Wohnungen. »Auf dem angespannten Berliner Wohnungsmarkt wird die Situation der Wohnungssuchenden ausgenutzt, um teilweise völlig überhöhte Mieten zu vereinbaren«, so Werner.

Der BMV beklagt auch, dass bei den vom Mietspiegel erfassten Mieten auch illegale Mieten einflössen, die unter Verstoß der Mietpreisbremse erhöht würden. »Gesetzeswidrige Mieten treiben somit den allgemeinen Mietanstieg an«, so Werner. Wegen der Mietpreisbremse darf die Miete in nach 2015 geschlossenen Mietverträge eigentlich maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Die Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen (DWE) hat grundlegende Kritik am Mietspiegel. »Eigentlich ist der Mietspiegel ein Mieterhöhungsspiegel«, sagt Justus Henze, Sprecher von DWE im Gespräch mit »nd«. Er sichere rechtlich die Mieterhöhungsverlangen ab und legalisiere so den normalen Mietenwahnsinn. Nach der Veröffentlichung des Mietspiegels komme es immer zu einer Welle von Mieterhöhungsverlangen. »Neben den allgemein viel zu hohen Mieten in Berlin ist auch ein Problem, dass in diesem Schwall auch Mieterhöhungen mitkommen, die viel höher als eigentlich erlaubt sind«, so Henze.

Um diesem Problem Abhilfe zu schaffen, hat DWE einen eigenen Mietpreisrechner entwickelt. Auf www.mietencheck.de kann man abfragen, ob die Miete, die man zahlt, zu hoch ist und unter Umständen die Mietpreisbremse greift.

Jonas Brinkhoff, einer der Entwickler des Rechners, hat zusammen mit einem Freund aus Frust darüber, dass der Mietendeckel gekippt wurde, damit angefangen, das Tool zu bauen. »Die Anspannung wegen der steigenden Mieten in meinem Freundeskreis ist immer größer geworden«, sagt er »nd«. Als er versuchte, selbst auszurechnen, ob er für sich selbst die Mietpreisbremse ziehen könnte, stellte er fest, wie unglaublich kompliziert das Unterfangen war. »Selbst wenn man sich mit Zeit ransetzt, kann man das nicht wirklich rausfinden«, meint er. Auf einer Nachbarschaftsversammlung in Neukölln kam er mit DWE zusammen.

Das neue Werkzeug ist so einfach wie möglich gestaltet, damit möglichst viele Mieter*innen es verwenden können. Der Rechner soll die Mietpreisbremse nutzbar machen, auch wenn sie »löchrig ist wie ein Schweizer Käse«, wie DWE-Sprecher Henze sagt. Hoffnung, dass die Mietpreisbremse die Mietenkrise lösen wird, hat DWE aber nicht. »Es werden nur die illegal überhöhten Mieten angegangen, aber nicht die rechtlich legalen, aber sozial komplett untragbaren Mieten – der normale Mietenwahnsinn«, so Henze. Dieser müsse grundsätzlich angegangen werden. »Beispielsweise mit einem Mietendeckel – oder der Vergesellschaftung von großen Wohnungsunternehmen. Und dafür gehen wir am Samstag als versammelte Mietenbewegung zur großen Mietendemo auf die Straße.«

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