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Stark-Watzingers Liste wird länger
Leitung im Bildungsministerium überging Warnung vor Grundrechtsverletzung
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat nach einem offenen Brief zur Räumung einer propalästinensischen Universitätsbesetzung Anfang Mai sogar Kollegen einiger Unterzeichner, die deren Arbeiten als Gutachter gelesen haben, auf einer Liste gesammelt. Für diesen erweiterten Personenkreis sollten förderrechtliche Konsequenzen geprüft werden. Das geht aus E-Mails hervor, die die Transparenz-Plattform »Frag den Staat« am Dienstag veröffentlicht hat. Demnach wurden insgesamt »15 aktuelle Zuwendungsempfänger« entdeckt.
Bislang war nur bekannt, dass das Ministerium unter Bettina Stark-Watzinger (FDP) ermitteln wollte, welche Unterzeichner des Briefes Mittel des Ministeriums erhielten. Darüber hatte das ARD-Magazin »Panorama« berichtet und damit für Diskussionen über den Stand der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit in Deutschland gesorgt.
Den offenen Brief haben fast 400 Lehrende von Berliner Hochschulen erstunterzeichnet, über 1000 Unterstützer kamen hinzu. Kritisiert wurde ein brutaler Polizeieinsatz an der Freien Universität (FU) Berlin. Springer-Medien starteten daraufhin eine Kampagne gegen die kritischen Wissenschaftler. Daran beteiligte sich Stark-Watzinger mit einem Zitat und legte nahe, die Unterzeichner stünden nicht »auf dem Boden des Grundgesetzes«.
Dem Ministerium waren die Wissenschaftler schon wegen ihrer polizeikritischen Haltung verdächtig: »Die Verwendung des Begriffs ›Polizeigewalt‹ spricht ja auch schon für sich«, heißt es in einer der E-Mails. Das Bundesministerium der Justiz sollte deshalb prüfen, ob der offene Brief verfassungsrechtlich zu beanstanden sei.
Aus den Mails geht nicht hervor, von wem die Weisung zur Erstellung der Liste stammte – Absender und Adressaten hat das Ministerium in der Antwort an »Frag den Staat« geschwärzt. Mutmaßlich stammten diese von der ehemaligen Staatssekretärin Sabine Döring, die – offenbar zur Schadensbegrenzung – von Stark-Watzinger in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurde.
Die Hausleitung war sich offenbar bewusst, dass ein Entzug von Fördermitteln nicht mit dem Straf- oder Disziplinarrecht zu begründen wäre. Es handele sich um eine »politische Entscheidung«, heißt es in einer der Mails. Innerhalb der Ministerialbürokratie stieß das auf Widerstand. Auf die Weisung antwortete ein Adressat: »Ist das wirklich nötig? Ich möchte Ihnen nicht verhehlen, dass es unter den Kolleginnen und Kollegen ein großes Unwohlsein ausgelöst hat, Namen in Listen zu markieren.«
Entgegen der bisherigen Behauptung des Ministeriums, wonach die Prüfung zu förderrechtlichen Konsequenzen zurückgenommen worden sei, findet sich in den E-Mails dafür kein Beleg. Diese legen aber nahe, dass Stark-Watzinger selbst über die Vorgänge informiert war – auch dies stellt sie anders dar.
Die Opposition im Bundestag will den Vorfall im Parlament zur Sprache bringen, am Mittwoch wird dazu die Ministerin in der Sitzung des Bildungsausschusses erwartet.
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