Präsidentschaftswahl im Iran: Nichts ist ausgemacht

Bei der anstehenden Stichwahl konkurrieren zwei regimetreue Kandidaten um das Amt

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.
Der als sogenannter Reformer gehandelte Kandidat Massud Peseschikan (r) zeigt sich kämpferisch, aber noch ist das Rennen nicht entschieden. Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt im Iran hat auch sein Gegner, der Hardliner Said Dschaili, jede Chance zu gewinnen.
Der als sogenannter Reformer gehandelte Kandidat Massud Peseschikan (r) zeigt sich kämpferisch, aber noch ist das Rennen nicht entschieden. Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt im Iran hat auch sein Gegner, der Hardliner Said Dschaili, jede Chance zu gewinnen.

Bei der Präsidentschaftswahl im Iran müssen die beiden bestplatzierten Kandidaten am kommenden Freitag in die entscheidende Stichwahl: der gemeinhin als Reformer betitelte Herzchirurg Massud Peseschkian und der ultrakonservative Hardliner Said Dschalili. Für eine absolute Mehrheit reichte es bei beiden nicht im ersten Wahlgang. Überraschenderweise holte Peseschkian 42 Prozent der abgegebenen Stimmen, 39 Prozent entfielen auf Dschalili. Weniger überraschend war dagegen die historisch niedrige Wahlbeteiligung: 40 Prozent. Diese Zahl ist der beste Beleg dafür, wie wenig Rückhalt das islamische Regime in der Bevölkerung noch hat und vor welch ernsthaften Legitimitätsproblemen das System steht. Das spüren auch die Machthaber in Teheran, und umsonst rufen sie vor Wahlen immer dazu auf, in Massen an die Urnen zu eilen. Der dünne demokratische Deckmantel der Islamischen Republik wird immer dünner.

Wie die Stichwahl ausgehen wird, scheint derzeit völlig offen und hängt vor allem von der Wahlbeteiligung ab. Sicher ist bislang nur, dass nicht die Systemfrage gestellt wird: Regimegegner haben am 5. Juli keine Wahl. Sowohl Dschalili als auch Peseschkian stehen loyal zur Islamischen Republik und zu Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei. Aber sollte Peseschkian tatsächlich die Mehrzahl der Stimmen auf sich vereinen, weil viele Unzufriedene, die im ersten Wahldurchgang zu Hause geblieben sind, für den Herzchirurgen stimmen, könnten sich zumindest die Beziehungen zum westlichen Ausland etwas entspannen. Ob er das politische Gewicht hat, gegen alle internen Widerstände einen erneuten Deal über das Nuklear-Programm auszuhandeln, um die Sanktionen zu lockern, ist schwer einzuschätzen. Ihm fehlt die nötige Regierungserfahrung, und ohne Rückendeckung durch den Obersten Führer Ali Khamenei geht da ohnehin nichts. Den Schleierzwang würde Peseschkian nicht antasten, doch könnte die Durchsetzung der strengen Kleidungsvorschriften für Frauen unter seiner Präsidentschaft eine gewisse Lockerung erfahren.

Doch reicht das nicht, um die vielen jungen Menschen für sich zu gewinnen, die ab September 2022 für mehr Freiheit und den Sturz des Regimes auf die Straße gegangen sind. Peseschkian kann nicht ihr Hoffnungsträger sein, da er ein Mann des Establishments war und ist. In der Vergangenheit hieß er unter anderem Internetsperren gut. Außerdem verurteilte er die Proteste nach dem gewaltsamen Tod von Jina Mahsa Amini, warnte vor »Handlungen, die zu nationaler Instabilität führen könnten« und äußerte »Besorgnis über die Eskalation der Gewalt und die Beschädigung öffentlichen Eigentums«. Der Wahlausgang könnte aber auch ganz anders kommen. Nämlich so wie es sich die Machtstrategen rund um Ayatollah Khamenei ausgedacht haben: Die Wähler der aus dem Rennen geschiedenen konservativen Kandidaten setzen vereint auf Said Dschalili – nach den Stimmergebnissen im ersten Wahldurchgang hätten sie zusammen die absolute Mehrheit.

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