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Wahlgesetz: Eine Chance für Die Linke
Wolfgang Hübner über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Reform des Wahlrechts
Die Linke hat in diesen Zeiten wenig zu lachen – am Dienstag konnte sie immerhin aufatmen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat eine Passage des neuen Wahlrechts zurückgewiesen, die maßgeblich der Linken das Leben sehr schwer gemacht hätte. Die von der Ampel beschlossene Abschaffung der Grundmandatsklausel, laut der eine Partei mit drei Direktmandaten auch unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde in den Bundestag einzieht, ist den Richtern zufolge nicht grundgesetzkonform. Genau diese Grundmandatsklausel war bisher eine Art Lebensversicherung für Die Linke.
Man konnte den Eindruck haben, dass Ampel- und Unionspolitiker diesen nun verworfenen Passus speziell der Konkurrenz von links gewidmet hatten. Das eigentliche Ziel der Reform, die Größe des Bundestags in Grenzen zu halten, ist legitim. Es wird nun mit Mitteln angestrebt, die ein zumindest gefühltes Demokratiedefizit erzeugen werden. Dass nicht mehr jeder Wahlkreissieger ein Mandat sicher hat, wird manchen Zweifel am Sinn des Wählens schüren. Regierung und Parlament müssen das Gesetz nun verfassungsgemäß verändern. Sinnvoll wäre es, die Absenkung der Fünf-Prozent-Hürde wenigstens zu erwägen; bei der EU-Wahl etwa gibt es sie in Deutschland nicht mehr.
Wie es auch kommt: Die Chancen der Linkspartei, nächstes Jahr wieder in den Bundestag einzuziehen, sind mit der Entscheidung aus Karlsruhe zumindest theoretisch besser. Praktisch wird es enorm schwer, aus dem jetzigen Tief wieder über fünf Prozent zu kommen oder drei Direktmandate zu holen. Ein verschärftes Wahlrecht wäre jedenfalls keine Ausrede mehr für ein mögliches Scheitern. Karlsruhe hat den Weg frei gemacht; bewältigen muss Die Linke ihn aus eigener Kraft. Das Urteil zu feiern hat sie eigentlich keine Zeit.
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