Solingen: Antifa schützt Asylunterkunft

Mit ihrem Versuch, die Messerattacke zu instrumentalisieren scheitert die AfD-Jugend in Solingen

Die »Junge Alternative« hat sich in Solingen vor dem richtigen Graffiti aufgestellt.
Die »Junge Alternative« hat sich in Solingen vor dem richtigen Graffiti aufgestellt.

Sonntagnachmittag in Solingen. Rund um den Fronhof im Stadtzentrum hat die Polizei weiterhin alles abgesperrt. Dort hatte am Freitagabend ein mutmaßlich islamistischer Attentäter drei Menschen erstochen und acht weitere verletzt. Ein Tatverdächtiger wurde am späten Samstagabend festgenommen. Ein 26 Jahre alter Mann aus Syrien, der zuletzt in einer Flüchtlingsunterkunft nur 200 Meter vom Tatort entfernt gelebt hatte. Gegen ihn ermittelt der Generalbundesanwalt auch wegen der Mitgliedschaft in der Terrororganisation »Islamischer Staat«.

An diesem Sonntag will die »Junge Alternative« (JA), die Jugendorganisation der AfD, eine Kundgebung auf dem Kirchplatz in Solingen abhalten. Der Platz liegt direkt am Fronhof, er ist so etwas wie der zentrale Gedenkort für das Attentat vom Freitag. Am Sonntagfrüh hatten hunderte Menschen in der benachbarten Kirche einen Trauergottesdienst besucht. Fernsehteams senden ihre Liveberichte aus Solingen vom Fronhof. Die jungen Rechten hatten sich also den idealen Ort ausgesucht, um maximale Aufmerksamkeit zu erregen. Doch daraus wurde nichts.

Refugees Welcome

Mehr als eine Stunde bevor sich die Rechten eigentlich treffen wollten, war allerdings schon ein Grüppchen um einen AfD-Landtagsabgeordneten auf dem Kirchplatz. Dieser und seine Mitstreiter verließen den Platz, als sich dort immer mehr Antifaschist*innen versammelten. Deren Präsenz reichte dem rechten Grüppchen als Aufbruchssignal. Es verbrachte seine Zeit erst einmal in einem Eiscafé am Rande der Innenstadt.

Bei einer antifaschistischen Kundgebung am Großen Stein in der Solinger Fußgängerzone nutzte man die Zeit für Redebeiträge. In denen ging es um die Tat von Freitagnacht genauso wie um die rechten Instrumentalisierungsversuche. Eine Rednerin stellte die ideologischen Gemeinsamkeiten von völkischen Nationalist*innen und Islamist*innen heraus. Andere Redner*innen warnten davor, aus dem Attentat die falschen Schlüsse zu ziehen. Die Äußerungen von Friedrich Merz, zur Ausweitung des Abschiebegewahrsahms und zum »Aufnahmestopp« für Geflüchtete aus Syrien und Afghanistan, hatten bei der Kundgebung schon die Runde gemacht. Für die Teilnehmer*innen spielen Merz' Forderungen sowohl rechten als auch Islamist*innen in die Hände. »Wie soll mehr Ausgrenzung zu mehr Zusammenhalt führen?«, war eine der Fragen, die eine Kundgebungsteilnehmerin den CDU-Chef gerne gefragt hätte.

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Ein Teil des antifaschistischen Protests verlagerte sich vor die Unterkunft für Geflüchtete, um diese zu schützen. Kurz zuvor sollen Unbekannte per Megafon vor der Unterkunft rassistische Parolen gegrölt haben. Außerdem streiften einzelne Kleingruppen von Neonazis durch die Stadt.

Rassistische Hetze

Eine andere Gruppe von Antifaschist*innen begab sich zum Ort der Kundgebung der AfD-Jugend. Diese musste, der Kirchplatz war ja gut gefüllt, nun zwischen zwei leerstehenden Kaufhäusern in der wenig frequentierten Haupteinkaufsstraße stattfinden. Zum großen Erfolg für die »Junge Alternative« wurde die Kundgebung nicht. Nur etwa 40 Menschen folgten dem Aufruf. Darunter Personen, die eindeutig neonazistische Symbole trugen und die Protagonisten der etrem rechten Kleinstpartei »Pro Remscheid«. Neben dem niedrigen Zuspruch musste der AfD-Nachwuchs auch noch Technikprobleme ertragen. Die mitgebrachte Soundanlage streikte. Dem Sprecher der Bonner AfD, Gerald Christ, gelang es in seiner Eröffnungsrede noch zu erklären, dass man nicht zum Trauern nach Solingen gekommen sei, sondern, um »die Migrationspolitik in Deutschland anzuklagen«. Starredner bei den Rechten war der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich. Die AfD-Fraktion hat ihn nicht aufgenommen. Zu völkisch-nationalistisch, zu skandalträchtig. Helferich nannte sich selbst das »freundliche Gesicht des NS«. Gegen ihn läuft ein Parteiausschlussverfahren und er ist in zahlreiche parteiinterne Intrigen verwickelt. Den Nachwuchs der nordrhein-westfälischen AfD stört das nicht. Helferich ist einer ihrer wichtigsten Förderer und ideologisch ist man sich einig. In Solingen trugen JA-Mitglieder ein Transparent mit der Aufschrift »Unser Volk zuerst«.

Dazu passt auch, was der Bundestagsabgeordnete in Solingen erzählt hat: »Wir wollen, dass Deutschland das Land der deutschen Identität, auch noch in 100 Jahren, ist. Und dazu braucht es Remigration, millionenfache Remigration.« Die AfD brauche endlich Regierungsgewalt. Dann könne man Opfer wie die von Solingen mit Ordnung und Sicherheit »rächen«. Helferichs Hetze dürfte allerdings nicht mal für seine überschaubare Anhängerschaft verständlich gewesen sein.

Wurde die Kundgebung der »Jungen Alternative« zu Beginn nur von wenigen Zwischenrufen gestört, waren es nach wenigen Minuten hunderte, die den Rechten Sprüche wie »Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda!« oder »Flüchtlinge bleiben – Nazis vertreiben« entgegenriefen. Die Polizei drängte die Antifaschist*innen zwar einige Meter von der rechten Kundgebung weg. Besser zu verstehen war diese aber trotzdem nicht und nach einer knappen halben Stunde beendete die »Junge Alternative« ihre Kundgebung wieder.

Antifaschistischer Erfolg

Am Sonntag waren Antifaschist*innen aus zahlreichen Städten des Rheinlands und Ruhrgebiets nach Solingen gereist. Ihre Befürchtung: Der extremen Rechten könnte ein Mobilisierungserfolg gelingen. In der extremen Rechten will man rassistische Massenausschreitungen, wie es sie kürzlich in Großbritannien gab, auch in Deutschland provozieren. Das hat am Sonntag nicht funktioniert. Ob das so bleibt, ist fraglich. Für Montagabend (nach Redaktionsschluss) wurde zu einem Aufmarsch für »Remigration« mobilisiert. In den sozialen Medien mobilisierten vor allem extrem rechter Corona-Leugner*innen. Auch unter Hooligans sollte der Aufruf breit geteilt werden. Gegenprotest war angekündigt. Vor der Asylunterkunft war eine Kundgebung als »solidarischer Schutz« angekündigt.

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