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Kafka statt Kavka
Deutschland könnte viel mehr als nur Brezeln und Bier in die USA importieren
Howdy aus Texas, liebe Lesende,
während Sie in Deutschland wie jedes Jahr dieselbe Integrationsdebatte führen, möchte ich es Ihnen gleichtun, aber diesmal soll es um die Deutschen in den Staaten gehen. Tatsächlich integrieren wir uns viel besser, als man von den unflexiblen Teutonen erwarten würde. Meiner Beobachtung nach geht das deutsche Einleben in Amerika schnell und effizient vonstatten (also vielleicht doch dem Stereotyp entsprechend). Die Sprache ist für die meisten dank des Schulunterrichts unproblematisch und wir sind anderen Nationalitäten gegenüber klar im Vorteil, weil wir mit dem Umzug zwar das Land, aber nicht die Sprachgruppe wechseln.
Die Mehrheit der Deutschen, die heute auswandern, wird durch den Arbeitgeber hierher versetzt, auch das ist ein Vorteil im Vergleich zu der Situation so vieler anderer Migranten. Diejenigen Deutschen, die zum Heiraten herziehen, bekommen das Wichtigste vom amerikanischen Partner vermittelt: Wäsche nicht draußen trocknen (gilt als peinlich), mehr lächeln (gilt als normal), Mayo auf Pommes vergessen (gilt als eklig).
News aus Fernwest: Jana Talke lebt in Texas und schreibt über amerikanische und amerikanisierte Lebensart.
Die Deutschen in den USA sind durch vorherige Urlaube und eventuelle Schüleraustausche besser auf das Land vorbereitet – während meine russischen Bekannten viele Jahre später noch mit dem Lächeln hadern (und bizarrerweise weiterhin Mayonnaise aus dem russischen Laden beziehen).
Die meisten deutschen Traditionen werden rasch von den amerikanischen verdrängt, da sie hier ohnehin nicht gepflegt werden können: Fahrrad fahren ist ohne Radwege auf Dauer beschwerlich. Nackig am Strand oder in der Sauna? Da kommen gleich die Cops! Recyclingtonnen kann man zwar anschaffen, aber die Stadt schmeißt hinterher alles zusammen auf die Deponie, zumindest in Texas. Abends Brot essen? Bei dieser Art Brot – unmöglich. Hinzu kommen auch die zahlreichen Fälle, in denen Deutsche andere Ausländer in den USA heiraten und kulturelle Kompromisse eingehen müssen. Die Kinder haben dann so putzige Namen wie Emil Escobar, Linus Lee oder Deepti Deichmann.
Aber ich finde es dennoch schade, dass wir so schnell alle Bräuche aufgeben, während sich die texanischen Franzosen zum monatlichen Apéro verabreden und Blätterteigrezepte austauschen, während die Russen und russischsprachigen Nichtrussen Tschechows Stücke aufführen und zum Pilzesammeln stundenlang mit dem Auto zum besten Wald fahren, während die Inder Diwali feiern und Sariläden eröffnen. Und was ich an der so gut gelungenen Assimilation so schlimm finde, ist der Untergang der deutschen Sprache. Der findet in Deutschland wohl auch statt, wenn ich mir so die News-Headlines auf Social Media reinziehe, aber hier ist er unaufhaltsam. Keine anderen Ausländer vergessen ihre Sprache in der Diaspora so schnell wie die Deutschen. Die Facebookgruppen der »Germans in the States« sind so voll mit Denglisch, dass man beim Lesen really cringen muss. Auch vor ehrwürdigen Institutionen macht der Sprachverfall keinen Halt: Eine Lehrerin vom Goethe-Institut, die meiner Tochter Deutschnachhilfe geben sollte, dichtete eine ganze Mail auf Denglisch. Ich fand das awkward. Goethe würde sagen: närrisch.
Aber zurück zu Ihnen. Wie gelingt es Deutschland endlich, die Integrationspolitik zu seiner Bitch zu machen? Ich fühle mich als ehemaliges Immigrantenkind in Deutschland, das ein Immigrantenkind in den USA erzieht, besonders berufen, diese Frage zu beantworten (obwohl ich nichts Bahnbrechendes zu sagen habe, sondern nur das Offensichtliche): investieren und digitalisieren! Die Deutsch-als-Fremdsprache-Programme an allen Schulen verbessern und ausweiten, Sommerangebote hinzufügen, iPads mit Lern-Apps verteilen, die Eltern stärker einbinden. Die gruseligen Beamtendeutsch-Briefe abschaffen, die jedem Migranten den Cortisolspiegel hochtreiben, die Bürokratie beschneiden. Und nicht vergessen: Germanisches Vorbild sein! Sie wissen schon, die Dichter und Denker ehren: Goethe zitieren, den Unterschied zwischen Briest und Brie, Kafka und Kavka, Jean Paul und Sean Paul kennen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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