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Neue französische Regierung steht weiter rechts denn je
Sieben Macron-Vertrauten und drei Republikanern steht ein Alibi-Linker gegenüber
Der rechtsrepublikaische Premierminister Michel Barnier hat am Samstagabend sein Kabinett bekannt gegeben. Auf Barniers Vorschlag hin hat der Präsident 39 Minister und Staatssekretäre ernannt. Von den 19 vollamtlichen Ministern sind acht Frauen; hinzu kommen 15 beigeordnete Minister und fünf Staatssekretäre. Da die vorgezogenen Parlamentswahlen vor zwei Monaten keine Mehrheit für das Lager des Präsidenten ergaben, musste jetzt eine Koalitionsregierung zustande gebracht werden – ein Novum in der Geschichte der 1958 gebildeten Fünften Republik.
Da eine Koalition mit dem rechtsextremen Rassemblement national (RN) ausgeschlossen wurde und die in der Neuen Volksfront zusammengeschlossenen linken Parteien schnell klarmachten, dass sie zur Zusammenarbeit nicht bereit seien, blieb nur die Zusammenarbeit mit der rechten Oppositionspartei der Republikaner (LR). Die hatte bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2012 die über viele Jahre ausgeübte Regierungsmehrheit verloren und repräsentiert heute mit acht Prozent der Sitze nur die fünftgrößte Partei in der Nationalversammlung; vor einigen Wochen war auch noch ihr rechter Flügel zu RN übergelaufen. In den Koalitionsgesprächen wurden zeitweilig bis zu 70 Prozent ihrer Anwärter für einen Posten im Kabinett gehandelt.
Wenig Erfahrung mit Koalitionsregierungen
Dass dennoch eine einigermaßen ausgewogene Regierung zustande kam, rechnen politische Beobachter der Bravour Michel Barniers zu. Gegen die maßlosen Forderungen der LR-Politiker, die aufgrund ihrer Rolle als Mehrheitsbeschaffer übermütig wurden, griff Barnier, ehemaliger EU-Kommissar und Brexit-Unterhändler mit Großbritannien, zu diplomatischen Tricks wie der Drohung mit dem Rücktritt von seinem Amt, wenn die Verhandlungspartner nicht mehr Realismus und Entgegenkommen zeigen sollten. Da Koalitionen in Frankreich keine Tradition haben und es den Parteipolitikern an Erfahrungen damit mangelt, war der Premier mit seinen in Brüssel gesammelten Erfahrungen ihnen gegenüber im Vorteil.
Die Zusammensetzung der neuen französischen Regierung ist charakterisiert durch eine erhebliche und offensichtlich von Präsident Macron gewollte neuerliche Rechtswende. Die Unzufriedenheit damit reicht selbst bis tief in die Präsidenten-Partei Renaissance hinein, wo beispielsweise die 2017 als eine der ersten sozialistischen Politikerinnen zu Macron gestoßene gegenwärtige Renaissance-Abgeordnete Sophie Errante ihren Austritt aus der Partei angekündigt hat. »Die Ernennung von Michel Barnier und die Zusammensetzung der von ihm gebildeten Regierung stellen eine klare Rechtswende dar«, stellt sie in einer Erklärung fest, »und widersprechen zutiefst den Überzeugungen, mit denen ich mich seinerzeit Emmanuel Macron angeschlossen habe«.
Restriktivere Einwanderungspolitik erwartet
Besonderen Widerspruch erregt bei den Vertretern des linken Flügels der Macron-Partei der neue Innenminister und bisherige LR-Fraktionsvorsitzende im Senat, Bruno Retailleau. Dieser repräsentiert bei den Republikanern den rechts-konservativen Flügel und seine Schwerpunktthemen sind bezeichnenderweise die innere Sicherheit und Ausländer. Dass speziell für ihn das Innenministerium um die Zuständigkeit für die Einwanderungspolitik erweitert wird, lässt erwarten, dass er freie Bahn für eine Verschärfung der Politik zugesichert bekam.
Die Zusammensetzung der neuen französischen Regierung ist charakterisiert durch eine erhebliche und offensichtlich von Präsident Macron gewollte neuerliche Rechtswende.
Ein Sturm der Entrüstung erhob sich auch, als im Verlauf der Verhandlungen bekannt wurde, dass die LR-Senatorin Laurence Garnier, die vor Jahren gegen die Homo-Ehe und gegen die Verankerung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung gestimmt hatte, jetzt in der neuen Regierung ausgerechnet Familienministerin werden sollte. Daraufhin hat Barnier seine Personalwahl leicht revidiert, sodass die umstrittene LR-Politikerin jetzt Staatssekretärin für Verbraucherschutz ist.
Von den wichtigsten Ministerien der neuen Regierung gingen sieben an Vertreter der Macron-Partei Renaissance, drei an Republikaner, zwei an die mit Macron verbündete Zentrumspartei Modem sowie je eins an Politiker der ebenfalls mit Macron liierten kleinen Parteien Horizont und UDI.
Alibi-Linker in der neuen Regierung
Einige Minister der bisherigen Regierung behalten ihr Amt, so Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, Kulturministerin Rachida Dati und Catherine Vautrin, die allerdings vom Ministerium für Arbeit zu dem für Dezentralisierung wechselt.
Schließlich gelang es Michel Barnier sogar noch, für seine demonstrativ breit aufgestellte Koalition einen »Alibi-Linken« aufzutreiben. Der ehemalige sozialistische Vorsitzende der Finanzkommission der Nationalversammlung Didier Migaud, der zuletzt die Behörde für die Transparenz des öffentlichen Lebens geleitet hat, wird in der neuen Regierung Justizminister und löst hier den parteilosen Eric Dupond-Moretti ab, der in seinen Beruf als Anwalt zurückkehrt. Migaud taugt allerdings nur bedingt als »Kriegsbeute«, denn er hat die PS bereits vor mehr als zehn Jahren verlassen.
»Regierung ohne Legitimität«
Die ehemaligen Premierminister Édouard Philippe und Gabriel Attal sowie der bisherige Innenminister Gérald Darmanin und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire haben das Angebot von Michel Barnier für einen Posten in der neuen Regierung ausgeschlagen. Das verstärkt Beobachtern zufolge den Eindruck, dass sie sich auf eine Kandidatur für die nächste Präsidentschaftswahl 2027 vorbereiten.
Die linke Opposition räumt der neuen Regierung keine großen Zukunftsaussichten ein, zumal die Macron-Partei zusammen mit ihren Partnern des Zentrums und nun auch mit der Partei der Republikaner über maximal 213 Sitze verfügt, für die Annahme von Gesetzen jedoch die absolute Mehrheit von 289 Sitzen erforderlich ist. »Diese Regierung hat keinerlei Legitimität«, meint Clémentine Autain von der Neuen Volksfront. »Es ist eine Regierung von Wahlverlierern, die der Linken ihren Sieg gestohlen haben.«
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