Vonovia erfindet wohnwertsteigernde Mietspiegelmerkmale

Der Senat kennt zwar die Problematik, verlagert die Verantwortung für die Lösung aber an die Mieter*innen

Der Wohnungsriese Vonovia begründet viele Mieterhöhungsschreiben mit dem Mietspiegel
Der Wohnungsriese Vonovia begründet viele Mieterhöhungsschreiben mit dem Mietspiegel

Für Berliner Mieter*innen ist die ortsübliche Vergleichsmiete ungemein wichtig. Dieser Wert darf von Vermieter*innen nicht überschritten werden und lässt sich mithilfe des Mietspiegels für die eigene Wohnung berechnen. Je nach Lage und Ausstattung der Wohnung gibt es dabei erhebliche Unterschiede. Und an dieser Stelle gibt es allzu oft Streit, unter anderem beim Wohnungsgiganten Vonovia und der von ihm aufgekauften Deutsche Wohnen. Das »Berliner Bündnis gegen Vonovia & Co« wirft den beiden Konzernen vor, in mit dem Mietspiegel begründeten Mieterhöhungsschreiben wohnwertsteigernde Merkmale zu erfinden.

In diesen Schreiben verweisen die beiden Unternehmen auf eine gute Nahversorgung oder gute Anbindung an den ÖPNV – obwohl diese Merkmale nicht im Mietspiegel aufgeführt werden beziehungsweise schon Teil der Einordnung in die Lage der Wohnung sind. Das ist auch dem Senat bekannt, wie aus der Antwort auf eine Anfrage des wohnungspolitischen Sprechers der Linksfraktion, Niklas Schenker hervorgeht. Die beiden Immobilienriesen sind mit diesen kreativen Mieterhöhungen scheinbar alleine: Es seien keine weiteren Unternehmen bekannt, die diese Merkmale nutzten, so der Senat.

Aber dürfen die das? Der Senat weicht aus. Einerseits schreibt er: »In der Orientierungshilfe sind aus Sicht der Arbeitsgruppe Mietspiegel die wesentlichen
Ausstattungsmerkmale zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Rahmen der ausgewiesenen Spannen enthalten.« Andererseits sei die Orientierungshilfe nicht abschließend. In Einzelfällen könnten weitere gewichtige Merkmale angesetzt werden. »Im Streitfall zwischen den Mietvertragsparteien über die Würdigung weiterer Merkmale entscheiden letztlich allein die ordentlichen Gerichte.«

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

»Mit seiner Antwort erweist der Senat den Berliner Mieterinnen und Mietern einen Bärendienst«, sagt Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund. Anstatt für Rechtsklarheit zu sorgen und sich eindeutig zu positionieren, werde die Verantwortung methodisch fehlerhaft und vollkommen unnötig auf die Zivilgerichte verlagert. »Der Senat hat eine Chance vertan und setzt Berlins Mieterinnen und Mietern einem unnötigen Prozessrisiko aus«, so Eupen weiter.

»Vonovia und Deutsche Wohnen schwindeln, wo sie können, um die Mieten anzuheben«, sagt dazu Linke-Politiker Niklas Schenker. Er erlebe auch aus seiner Beratungspraxis, dass viele Mieter*innen ihre Rechte leider nicht kennen und dann auch unzulässigen Mieterhöhungen zustimmen. »Vonovia und Deutsche Wohnen nutzen die Unwissenheit der Menschen gnadenlos aus«, so Schenker weiter. Der Mietexperte hat aber auch grundsätzliche Kritik am Mietspiegel. Dieser sei kein gutes Instrument. Aufgrund seiner Konstruktion, in der nur Mietsteigerungen erfasst werden, sei er vielmehr ein »Mieterhöhungsspiegel«. »Wir brauchen einen Mietendeckel, der die Mieten stoppt, Mietobergrenzen einzieht und überhöhte Mieten absenkt«, sagt der Linke-Politiker.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

- Anzeige -
- Anzeige -