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Serie »Disclaimer«: Die Macht der Vorurteile
Alfonso Cuarons Serie »Disclaimer« erzählt von Geheimnissen, Traumata und eiskalter Rache
Eigentlich läuft es für die Londoner Journalistin Catherine Ravenscroft (Cate Blanchett) gerade richtig gut. Für eine Dokumentation bekommt sie einen renommierten Journalismus-Preis, in ihrer Ehe mit Robert (Sascha Baron Cohen) stimmt eigentlich alles und ihr 25-jähriger Sohn Nicholas (Kodi Smit-McPhee) wird endlich selbstständig und zieht von zu Hause aus. Bis ihr plötzlich eines Abends anonym ein Roman mit dem Titel »Der perfekte Fremde« zugespielt wird.
Ravenscroft liest das Buch und stellt entsetzt fest, dass der Roman von einem weit zurückliegenden und traumatisierenden Ereignis aus ihrem Leben berichtet, von dem sie bisher niemandem erzählt hat. Der an Spannung kaum zu überbietenden siebenteiligen Serie »Disclaimer« von Star-Regisseur Alfonso Cuaron liegt Renee Knights gleichnamiger Roman (2015) zugrunde. Neben der erfolgreichen Journalistin aus der Upper Class steht der Witwer und Rentner Stephen Brigstocke (Kevin Kline) im Zentrum dieser starbesetzten Serie. Der kämpft um das Gedenken an seinen vor 20 Jahren während eines Italien-Urlaubs ertrunkenen Sohn Jonathan (Louis Partridge).
Alle, die den Roman in die Finger bekommen, nehmen die Erzählung für bare Münze, egal ob Catherines Ehemann oder ihre Arbeitskolleg*innen.
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Der unter tragischen Umständen ertrunkene Jonathan hatte, wie der Vater plötzlich herausfindet, in dem damaligen Urlaub eine Liaison mit Catherine Ravenscroft. Das belegen Fotos, die er zusammen mit einem von seiner schon verstorbenen Ehefrau verfassten Romanmanuskript findet, das er kurzerhand im Selbstverlag herausgibt, um so Catherine Ravenscroft unter Druck zu setzen. Denn das Buch »Der perfekte Fremde« erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der einer manipulativen älteren, attraktiven Frau aufsitzt, deren Sohn er vor dem Ertrinken rettet und dabei selbst ums Leben kommt.
Trägt Catherine Ravenscroft Schuld am Tod Jonathans? Wollte sie den anhänglich werdenden Liebhaber loswerden? So zumindest steht es in dem Roman, den Stephen Brigstocke in Catherines Familien- und Arbeits-Umfeld verteilt, das sich bald gegen die erfolgreiche Frau stellt, die in dem Buch als unverantwortliche, moralisch verkommene Täterin dargestellt wird. Nur stimmt das alles? Alle, die den Roman in die Finger bekommen, nehmen die Erzählung für bare Münze, egal ob Catherines Ehemann oder ihre Arbeitskolleg*innen.
Alfonso Cuaron, der Regie führte und das Drehbuch schrieb, fächert in einem komplexen Erzählpanorama mit genial ineinandergeschobenen Handlungssträngen aus Gegenwart und Vergangenheit die ganze Geschichte dieses 20 Jahre zurückliegenden Sommers und Stephen Brigstockes Rachefeldzug gegen die erfolgreiche Journalistin auf. Deren Leben gerät bald aus den Fugen, ebenso das von Ehemann Robert und Sohn Nicholas.
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Hat Catherine wirklich den jungen Jonathan verführt, während ihr Ehemann damals geschäftlich nach London reisen musste? Wieso hat sie nie zu den trauernden Eltern Kontakt aufgenommen? Was ist wirklich in dieser Nacht passiert, in der Jonathan Fotos ihrer romantischen Begegnung machte, ehe er am nächsten Tag ertrank, als er Catherines Sohn rettete?
Alfonso Cuaron inszeniert das als dichtes, stimmungsvolles Drama in Kinoqualität. Wobei diese Geschichte immer wieder mit neuen dramaturgischen Wendungen und verblüffenden Überraschungen aufwartet. Irgendwann wird klar, dass es hier eigentlich eine absurde Täter-Opfer-Umkehr gibt, die auch deshalb so gut funktioniert, weil die Upper-Class-Erfolgsfrau von allen als Bedrohung wahrgenommen wird und ein regelrechtes Feindbild darstellt. Was als spannender Krimi um Leidenschaft, Trauer, Begehren, familiäre Auseinandersetzungen und eine Coming-of-Age-Geschichte beginnt, mündet in ein verstörendes und aufrüttelndes gesellschaftspolitisches Drama über die zerstörerische Macht von Vorurteilen.
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