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Berliner Linke: Gehen oder bleiben?

Erneut prominenter Austritt bei Berliner Linke. Offener Brief fordert zu Verbleib auf

Oliver Nöll (links) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der damaligen Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke).
Oliver Nöll (links) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der damaligen Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke).

Keine Woche ohne neue Austritte: Die Berliner Linkspartei verliert einen weiteren prominenten Vertreter. Oliver Nöll, Bezirksstadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg für Arbeit, Bürgerdienste und Soziales, verlässt die Partei. Das erklärte Nöll, der 2004 Mitglied der WASG wurde und 2021 in das Bezirksamt gewählt wurde, am Mittwoch auf seiner Facebook-Seite.

»Die Linke in Berlin wandelt sich von einer demokratischen Partei mit Gestaltungsanspruch zu einem Sammelbecken vermeintlich ›linker‹ Sekten«, schreibt Nöll in seinem Austrittsschreiben. Auch in den Bezirksverbänden sei diese Entwicklung inzwischen angekommen. Viele Mitglieder wollten sich lieber mit »Träumereien von ›Systemüberwindung‹« beschäftigen als mit den Problemen von alleinerziehenden Müttern.

Inhaltlich kritisiert Nöll wie schon in den vergangenen Wochen ausgetretene Mitglieder vor allem den Umgang der Linkspartei mit Antisemitismus. »Statt sich einzugestehen, dass antisemitische Auffassungen mehrheitsfähig sein könnten, und dem offensiv entgegenzutreten, ist die Führung der Partei in Bund, Land und Bezirken bemüht, mittels Formelkompromissen diese Konflikte zu überdecken«, spielt Nöll auf den Antisemitismus-Eklat beim Landesparteitag der Berliner Linken im Oktober an. »Wer dem ›Nie Wieder!‹ ein ›Aber‹ hinzufügt, hat die historische Dimension und Aufgabe, die sich aus Auschwitz ergibt, nicht verstanden.« Er wolle nicht in Verbindung gebracht werden mit Menschen, die die Angriffe der Hamas rechtfertigten und deren eliminatorisch-antisemitischen Charakter bezweifelten.

Mit Nöll verlässt ein weiterer wichtiger Funktionsträger die Linkspartei. In der vergangenen Woche hatten bereits fünf Mitglieder des Abgeordnetenhauses ihren Austritt erklärt, darunter die ehemaligen Senatoren Klaus Lederer, Elke Breitenbach und Sebastian Scheel. Mit einem offenen Brief wollen andere Linke nun weitere Zweifler vom Austritt abhalten. »Wir wollen für das Überleben der Linken kämpfen«, heißt es in dem Schreiben. »Die Linke ist eine historische Errungenschaft und wir sind uns sicher: Wenn sie einmal weg ist, kommt eine zweite Chance nicht so schnell wieder.«

Unterzeichnet wurde das Schreiben vor allem von Land- und Bundestagsabgeordneten aus den als pragmatisch geltenden Landesverbänden. Aus Berlin gehören Anne Helm, Vorsitzende der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, die ehemalige Landesvorsitzende Katina Schubert und Frederike-Sophie Gronde-Brunner, Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung in Charlottenburg-Wilmersdorf, zu den Unterzeichnern.

Der Beschluss des Bundesparteitags habe zwar »Schwächen«, schreiben die Unterzeichner, schaffe aber »Klarheit«: Nun stehe fest, dass Hamas- oder Hisbollah-Unterstützer nicht Mitglied oder Bündnispartner der Linkspartei sein könnten. »Wir erwarten vom gewählten Parteivorstand, dies auch durchzusetzen«, heißt es in dem Schreiben. Welche praktischen Konsequenzen damit gemeint sind, wird allerdings nicht erläutert.

Die Unterzeichner kündigen zunächst eine gemeinsame Videokonferenz an. Dort wolle man beraten, wie man sich organisieren könne. »Das muss nicht in der Form klassischer Arbeitsgemeinschaften oder Strömungen sein, aber ohne eine gewisse Struktur wird es nicht gehen«, schreiben die Unterzeichner. Man wolle sich am Bundestreffen des Realo-Flügels »Progressive Linke« Ende November beteiligen, heißt es weiter.

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