Berliner Koalition pfeift auf Jugend

Laut Senat werde im Sozialen kaum gekürzt – ein genauerer Blick offenbart das Gegenteil

Graffiti-Workshops finden auch an Unterkünften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge statt – wie hier in Charlottenburg. Solche Art Angebote werden 2025 weniger.
Graffiti-Workshops finden auch an Unterkünften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge statt – wie hier in Charlottenburg. Solche Art Angebote werden 2025 weniger.

Nur vier Prozent werden laut der aktuellen Kürzungsliste der schwarz-roten Koalition im Etat der Sozialsenatsverwaltung eingespart. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) sagte anlässlich der Pressekonferenz zu den Haushaltskürzungen: »Am Ende haben wir uns für die Familien, für die Kinder entschieden.«

Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Viele Angebote für Kinder und Jugendlichen, die somit auch Familien nützen, werden aus dem Kulturetat gefördert, der um zwölf Prozent gekürzt wird. Außerdem fallen viele der Angebote in den Etat der Bildungssenatsverwaltung, der um 6,5 Prozent schrumpft.

Eines dieser Angebote ist »Berlin Mondiale«, das 2014 vom Rat für die Künste Berlin und dem Flüchtlingsrat Berlin gegründet wurde. Geschäftsführerin Sabine Kroner spricht mit »nd« über die Folgen der sogenannten Konsolidierungsliste: »Wir wussten, dass wir von Kürzungen betroffen sind. Aber dass nun plötzlich 42 Tage vor Jahresende null Euro hinter unserem Namen stehen, kam für uns völlig unerwartet.«

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Damit entfallen 465 000 Euro, mit denen Berlin Mondiale Kulturprojekte und bedarfsorientierte Angebote vor allem für junge Menschen aus Gebieten, in denen es fast keine Kulturangebote gibt, organisiert. »Wir orientieren unser Angebot vor Ort an Bedarfen der Nachbarschaft, dazu gehören oft auch Geflüchtetenunterkünfte«, sagt Kroner. Laut ihr sei kein anderes Projekt so gut in den Randbezirken vernetzt.

Kroner sagt, die Maßnahme stelle ein »alarmierendes Signal« dar und werfe die Frage auf: »Wie will der Senat die Stadt überhaupt begreifen?« Wirtschaftssenatorin Giffey hatte bei der Pressekonferenz zum Haushalt am Dienstag gesagt, dass den Bezirken kein Geld genommen werde. »Aber das stimmt nicht«, entgegnet Kroner. »Eine Million brechen für die Jugendkulturinitiative weg, die nicht nur unsere Arbeit, sondern die dezentrale Jugendkulturarbeit wie die der Volksbühne in Neukölln, des Literaturhauses in Reinickendorf, von Sasha Waltz & Guests in Spandau oder des Theaters an der Parkaue in Marzahn betreffen.«

»Diese Kürzungen stellen alles infrage, was wir zehn Jahre lang aufgebaut haben und zerstört das Vertrauen der Menschen, mit denen wir arbeiten«, beklagt die Geschäftsführerin von Berlin Mondiale. Sie versucht nun, in dem kleinen Zeitfenster, das bleibt, mit der Kulturpolitik ins Gespräch zu kommen. »Wir führen die Kämpfe, von denen gerade alle sprechen«, sagt sie.

Wie viele derzeit im Namen von jungen Menschen und der sozialen Infrastruktur in Berlin kämpfen, zeigt sich an der langen Liste an Aufrufenden zur Demonstration unter dem Hashtag »Unkürzbar«. Diese findet am Donnerstagmorgen vor dem Abgeordnetenhaus statt. Neben Berlin Mondiale und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband ruft auch der Landesjugendring dazu auf.

»Kürzungen im Bereich der Jugendarbeit und politischen Bildung führen dazu, dass junge Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren.«

Lena Kiefer Vorsitzende des Landesjugendrings

»Eigentlich wollte die Koalition eine Jugendstrategie umsetzen«, heißt es in einer Mitteilung des Landesjugendrings vom 19. November. Stattdessen würden sieben Millionen Euro weniger für Jugendliche und politische Bildung zeigen, dass die Koalition auf junge Menschen pfeife.

Fabi Gacon, Vorstandmitglied vom Landesjugendring, erklärt im Gespräch mit »nd«, was versteckte Kürzungen sind: »Hinter den Kürzungen stehen fehlende Anpassung an Tarifmittel oder fehlende Inflationsauswüchse. Da geht es um zehn Prozent, die dem Personal zustehen, die das Land Berlin für 2025 aber nicht zahlen will.« Außerdem betreffen Kürzungen im Verkehrsetat (minus 18,5 Prozent) auch Kinder und Jugendliche, weil beispielsweise Radwege laut der sogenannten Konsolidierungsliste nicht finanziert werden.

»Wir haben es hier mit Kahlschlägen zu tun, die sich die Koalition selbst einbrockt«, sagt Gacon. Der Landesjugendring kritisiert schon lange das dahinterliegende System der Projektfinanzierung. Dabei bräuchte es für Kinder und Jugendliche eine Dauerfinanzierung, um die Arbeit zu verstetigen. Die Entscheidung, sieben Millionen bei der Jugendarbeit, der Schulsozialarbeit und der politischen Bildung zu sparen, führe dazu, »dass junge Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren«, sagt Lena Kiefer, Vorsitzende des Landesjugendrings Berlin.

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