Uruguay dreht mit Yamandú Orsi wieder nach links

Yamandú Orsi von der Frente Amplio gewinnt Stichwahl um die Präsidentschaft

  • Jürgen Vogt, Buenos Aires
  • Lesedauer: 4 Min.
Frente-Amplio-Anhängerinnen vor der Bekanntgabe des Wahlergebnisses
Frente-Amplio-Anhängerinnen vor der Bekanntgabe des Wahlergebnisses

»Ich werde der Präsident sein, der immer wieder zum nationalen Dialog aufruft«, lautet die Botschaft, die Uruguays zukünftiger Präsident Yamandú Orsi am Sonntagabend verkündete. Mit 49,8 Prozent der Stimmen gewann der Kandidat der gemäßigt-linken Frente Amplio (Breite Front) die Stichwahl überraschend deutlich. Der Kandidat der konservativ-liberalen Regierungsallianz, Álvaro Delgado, erhielt nur 45,9 Prozent. 4,3 Prozent der Wahlberechtigten gaben leere oder ungültige Stimmzettel ab. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 90 Prozent. Es herrscht Wahlpflicht.

Damit kehrt die Linke nach fünf Jahren an die Regierung zurück. Bereits von 2005 bis 2020 hatte das »Breite Bündnis« aus Kommunist*innen, gemäßigten Sozialdemokrat*innen und Sozialliberalen drei aufeinanderfolgende Amtszeiten lang das Präsidentenamt inne. Vor fünf Jahren hatte sie die Stichwahl nur knapp gegen den amtierenden Präsidenten Luis Lacalle Pou verloren. Der konservativ-liberale Präsident gratulierte als einer der ersten seinem gewählten Nachfolger zum Sieg.

Orsis Triumph stand bereits eine Stunde nach Schließung der Wahllokale fest. In Montevideo feierte seine Anhängerschaft schon am frühen Abend auf den Straßen der Hauptstadt. Jubelnde Menschen mit Parteifahnen und hupende Autokorsos prägten das Bild. Tausende zogen freudestrahlend und glücklich zur großen Bühne an der Rambla, der breiten Uferstraße am Rande der Altstadt. Der Jubel brandete auf, als der 57-Jährige auf die Bühne trat. Er werde der Präsident der sozialen Integration sein, der niemanden zurücklässt, versprach er seiner Anhängerschaft.

Regierungsallianz auf dem absteigenden Ast

Niedergeschlagenheit und Enttäuschung bei der Anhängerschaft von Álvaro Delgado. »In Uruguay beginnt eine neue Zeit, in der niemand die Mehrheit hat«, verkündete Delgado und meinte damit die Pattsituation im zukünftigen Kongress. Orsi habe jetzt die Verantwortung, um nationale Übereinkünfte zu erzielen, sagte der unterlegene 55-Jährige.

Auch wenn die letzten Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen vorausgesagt hatten, hatte sich in den Tagen vor der Stichwahl ein Regierungswechsel angedeutet. Das Ergebnis der Kongresswahl im Oktober hatte die Konservativen unter Druck gesetzt. In beiden Kammern büßte die Regierungsallianz ihre Mehrheit ein. Mit einem Sieg wäre Delgado ein Präsident ohne parlamentarischen Rückhalt. Eine in Uruguays Demokratie noch nie dagewesene Situation.

Delgado hatte bis zum Schluss versucht, die Furcht vor einer so unsicheren Situation einzudämmen. »Ich habe meinen Chip ausgetauscht: Ich möchte als Präsident alles geben, um nationale Vereinbarungen zu erreichen.« Er hoffe, dass die Frente Amplio »den Chip wechselt«, denn im Falle eines Sieges werde er schon am nächsten Tag mit ihr Gespräche aufnehmen. Möglich, dass ihm am Wahlabend die Stimmen eben jener fehlen, die einen solchen Präsidenten nicht wollten.

Yamandú Orsi kann sich allerdings auch nicht auf eine solide Mehrheit im Kongress stützen. Die Frente Amplio hat zwar mit 16 der 30 Sitze eine Mehrheit im Senat. In der Abgeordnetenkammer verfügt sie aber nur über 48 der 99 Sitze. Orsi wird für seine Vorhaben Mehrheiten aushandeln müssen, wenn auch aus einer etwas besseren Position heraus. Deshalb die Einladung zum Dialog an das konservative Lager bereits am Wahlabend.

Keine linken Umverteilungsszenarien

Welchen wirtschaftspolitischen Kurs Yamandú Orsi verfolgen wird, zeigte er im September, als er den Wirtschaftswissenschaftler Gabriel Oddone als seinen möglichen Wirtschaftsminister präsentierte. Der 61-Jährige gilt als Sozialliberaler, der die Haushaltsdisziplin vor allem bei den Staatsausgaben garantieren soll. Linke Umverteilungsszenarien sind mit Oddone nicht umzusetzen. Orsi benannte Oddone vorsorglich, um die Finanzmärkte zu beruhigen, nachdem der eigentlich stabile uruguayische Peso nach seinem Sieg in der ersten Runde gegenüber dem US-Dollar plötzlich abgesackt war. Ein weiterer Verfall der Landeswährung hätte dem Wahlkampf der Regierungsallianz genützt.

Wie lange die regierende Allianz aus den fünf Parteien von rechts außen bis liberal zusammenhält, ist offen. So ist der rechtsextreme Cabildo Abierto des Ex-Generals Guido Manini Ríos von den 2019 errungenen 11,5 Prozent der Stimmen auf 2,6 Prozent im Wahlgang im Oktober geschrumpft. Und mit seinen überraschenden 16 Prozent der Stimmen ist der 40-jährige Andrés Ojeda von der rechtsliberalen Partido Colorado der eigentliche Aufsteiger rechts von der Mitte.

Andrés Ojeda wird die kommenden fünf Jahre nutzen, um sich für die nächste Präsidentschaftswahl in aussichtsreiche Stellung zu bringen. Sein größter Kontrahent dürfte dabei der 51-jährige Luis Lacalle Pou sein. Gemäß der Verfassung muss der mit hohen Sympathiewerten aus dem Amt scheidende Präsident einmal aussetzen. Für die aussichtsreichsten Kandidaten aus dem rechten Lager beginnt damit bereits mit der Amtseinführung von Yamandú Orsi am 1. März kommenden Jahres der Wahlkampf für 2029.

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