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Bundestagswahl: BSW wählt Landeslisten

In vier Bundesländern nominierte die Wagenknecht-Partei am Wochenende ihre Kandidaten, darunter Nordrhein-Westfalen

In ihrer Partei laufen alle Fäden bei Bundeschefin und Gründerin Sahra Wagenknecht zusammen. In Nordrhein-Westfalen ließ sie sich am Samstag auf Platz 1 der Landesliste zur Bundestagswahl wählen
In ihrer Partei laufen alle Fäden bei Bundeschefin und Gründerin Sahra Wagenknecht zusammen. In Nordrhein-Westfalen ließ sie sich am Samstag auf Platz 1 der Landesliste zur Bundestagswahl wählen

Am wichtigsten von den vier sogenannten Aufstellungsversammlungen des BSW am Wochenende war zweifellos jene in Bochum. Dort wurde Parteigründerin Sahra Wagenknecht am Samstag auf Platz 1 der Landesliste Nordrhein-Westfalen zur Bundestagswahl gewählt. BSW-Generalsekretär Christian Leye landete planmäßig auf Platz 2.

Im bevölkerungsreichsten Bundesland war Wagenknecht – zuletzt mit knappem Ergebnis – wiederholt von der Linken auf den ersten Platz ihrer Landesliste gewählt worden, hatte also ihr Ticket in den Bundestag sicher. Auch Leye, der seinen Wahlkreis in Duisburg hat und lange Landesvorsitzender der Linken war, ist 2021 über deren NRW-Landesliste in den Bundestag gelangt.

Das BSW wird in NRW zur vorgezogenen Wahl generell keine Direktkandidaten für die einzelnen Wahlkreise aufstellen. Das wäre angesichts weniger handverlesener Parteimitglieder wohl auch kaum möglich. Der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung« sagte der Ko-Vorsitzende von NRW, Jan Ristau, man tue dies nicht, sondern konzentriere sich auf die Zweitstimmen. Er sei überzeugt, dass man »mit starken NRW-Kandidaten in den Deutschen Bundestag einziehen« werden.

Ein weiterer Grund für die Nichtbesetzung der Wahlkreise mit Kandidaten dürfte die erst zwei Monate zurückliegende Gründung des Landesverbands sein. Dazu kommt der frühe Wahltermin, der die Zeit zur Aufstellung auf ein Minimum schrumpfen ließ. Wagenknecht, die in den letzten Monaten immer wieder Neuwahlen gefordert hatte, sagte in Interviews, die vorgezogene Abstimmung bereits am 23. Februar benachteilige junge und kleine Parteien strukturell.

Der NRW-Landesverband soll inzwischen gut 150 Mitglieder zählen. Kreisverbände gibt es noch nicht. Deren Gründung muss nach Angaben von Ristau wegen der aktuell notwendigen Konzentration auf den Bundestagswahlkampf weiter verschoben werden.

Vom Gewinn eines Direktmandats war Wagenknecht in ihrem Wahlkreis in NRW bei den Bundestagswahlen 2009, 2013 und 2017 weit entfernt. 2021 trat sie nur via Landesliste und ohne Wahlkreis zur Bundestagswahl an. Erst vor einer Woche hatte die Politikerin bekanntgegeben, dass sie sich um Platz eins der NRW-Landesliste ihrer neuen Partei bewerben wolle. Zuvor war gemutmaßt worden, sie könnte im Wahlkreis Berlin-Lichtenberg antreten, den die Linke-Abgeordnete Gesine Lötzsch, die nicht mehr antritt, immer wieder direkt gewonnen hatte.

Die Linke wird in NRW wie bisher voraussichtlich in jedem Wahlkreis mit einer Direktkandidatin oder einem Direktkandidaten antreten. »Einige Kreisverbände haben diese bereits aufgestellt, die meisten werden es in den nächsten drei Wochen tun«, erklärte Kathrin Vogler, Ko-Sprecherin des Landesverbandes, gegenüber »nd«. Die Landesvertreterversammlung zur Aufstellung der Landesliste wird nach ihren Angaben am 11. Januar in Kamen stattfinden.

Vogler sagt, derzeit interessierten sich viele Menschen wieder oder neu für Die Linke, wollten »aktiv daran mitarbeiten, dass sie in NRW an Sichtbarkeit und Bedeutung gewinnt«. Das zeige sich auch bei der Mitgliederentwicklung. Man verzeichne einen in der Geschichte des Landesverbandes nie dagewesenen »Zustrom«. »Aktiventreffen, die an immer mehr Orten angeboten werden, platzen aus allen Nähten«, so Vogler, die selbst seit 2009 Mitglied des Bundestages ist.

Für den BSW wurde am Samstag in Oldenburg die frühere Ko-Chefin der Linksfraktion im Bundestag und BSW-Ko-Vorsitzende, Amira Mohamed Ali, auf Platz 1 der Landesliste für Niedersachsen gewählt. Auf den Plätzen zwei und drei folgen der BSW-Landesvorsitzende Thorsten Renken sowie der Landesgeschäftsführer Johannes Zang.

In Bremen hat das BSW ebenfalls am Wochenende den Sozialwissenschaftler Christopher Schulze auf den ersten Platz der Landesliste gewählt. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Lehrerin Ute Boomgaarden und Roman Fabian, Betriebsratsvorsitzender des Klinikums Links der Weser.

Auch in Rheinland-Pfalz hat das BSW seine Kandidaten aufgestellt. Dort kam am Sonntag der Bundestagsabgeordnete Alexander Ulrich auf Platz 1 der BSW-Landesliste. Weitere Kandidat*innen waren die Journalistin Sina Listmann und die Kabarettistin Alice Hoffmann, bekannt als »Kittelschürze der Nation« Hilde Becker.

An Personal für Direktkandidaturen fehlt es dem BSW in vielen Bundesländern, zugleich gibt es aber durchaus Menschen, die in Wahlkreisen direkt zur Bundestagswahl antreten. In Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern kommt erschwerend hinzu, dass dort noch nicht einmal Landesverbände gegründet wurden.

Bei den jüngsten Umfragen zur Bundestagswahl ist das BSW zudem eingebrochen und kam auf nur noch vier (Forsa, 26. November) bzw. fünf Prozent (Forschungsgruppe Wahlen, 22. November). Dagegen sah das Allensbach-Institut das BSW am 22. November weiter bei 7,5 Prozent. Wagenknecht sagte dazu gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: »Es ist nichts Neues, dass mit Umfragen Politik gemacht wird. Dass Forsa uns pünktlich zum Start des Bundestagswahlkampfs miese Werte gibt, überrascht mich nicht.« Sie verwies auf die besseren Werte bei anderen Instituten.

Wagenknecht räumte aber ein, dass die Umfragewerte nicht mehr so gut sind wie etwa kurz nach den Landtagswahlen im September. Sie gab erneut den Thüringer Unterhändlern bei den Koalitionsverhandlungen mit CDU und SPD die Schuld dafür: »Ein wichtiger Grund war, dass es über die Regierungsbildung in Thüringen zu einem öffentlichen Konflikt kam.«

Wagenknecht räumte zuletzt ein, dass das Wahlprogramm schneller fertig werden muss als geplant. Auch die Finanzen seien eine »gewisse Herausforderung«. BSW-Bundesschatzmeister Ralph Suikat sagte »T-Online«, er hoffe auf Darlehensgeber, bis die staatliche Parteienfinanzierung greife. Für den Wahlkampf plane er mit vier Millionen Euro.

Das BSW hat indes immer wieder großzügige Spenden von Einzelpersonen erhalten, zuletzt 50 000 Euro von dem Unternehmer Heinrich Röder aus Freiburg, wie Spiegel online am Freitag berichtete. Röder bestätigte die Spende. Er verdient sein Geld mit der Entwicklung von Solaranlagen und Windparks – und berät gleichzeitig das BSW zum Thema Erneuerbare Energien.

Der Potsdamer Parteienforscher Jan Philipp Thomeczek sagte der dpa, er habe die »Einschätzung, dass das BSW auf jeden Fall das Potenzial hat, sich zu etablieren. Es gibt diese Leerstelle im Parteiensystem. Viele freuen sich über eine Partei, die migrationskritisch ist, aber nicht so radikal wie die AfD. Das größte Thema aber ist die Außenpolitik mit dem Krieg in der Ukraine. Das mobilisiert die BSW-Wähler am stärksten.«

»Viele freuen sich über eine Partei, die migrationskritisch ist, aber nicht so radikal wie die AfD. Das größte Thema aber ist die Außenpolitik mit dem Krieg in der Ukraine.«

Jan Philipp Thomeczek Parteienforscher

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