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Copernicus-Bericht: Halbes Grad, ganze Welt
Anton Benz über die Bilanz des EU-Instituts Copernicus und das 1,5-Grad-Ziel
Vor zehn Jahren beschrieb der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber den Klimawandel als »Asteroideneinschlag in Zeitlupe«. Jahre, gar Dekaden, kann man der Katastrophe bei ihrer Entstehung zuschauen; und trotz dieser Vorhersehbarkeit bleibt ein Schock, wenn sie eintrifft. Ungefähr so verhält es sich mit der Meldung aus dem Copernicus-Bericht, 2024 sei das wärmste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn – und das erste Jahr mit einer globalen Durchschnittstemperatur von mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Denn überraschend ist das nicht, schockierend aber schon.
Auch wenn der Verweis wichtig ist, dass das Übereinkommen von Paris damit nicht gerissen ist – darin geht es um eine Erwärmung im 20-Jahres-Mittel –, sind sich Expert*innen relativ einig darin, dass das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr einzuhalten ist.
Werden Politiker*innen nun anfangen, sich aus den völkerrechtlich nicht bindenden Minderungszielen herauszureden? Werden sie darauf verweisen, dass das Pariser Abkommen vorsieht, die globale Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf »deutlich unter« zwei Grad zu begrenzen und lediglich »Anstrengungen« für ein zusätzliches halbes Grad vorsieht? Die 1,5-Grad-Grenze würde zu einer Art Bonusziel degradiert werden, zu einem Sternchenaufkleber, den man sich nun – Ach, wie schade! – nicht mehr ins Notenheft pappen kann. Auch hier gilt: Überraschend wäre das nicht, schockierend aber schon. Denn für zahlreiche Inselstaaten könnten die fünf Zehntel Grad den Unterschied machen zwischen Überleben und Untergang.
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