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Fall Foot Locker: Erstmals Anklage wegen Union Busting in Berlin
Zum ersten Mal sieht die Staatsanwaltschaft genügend Anhaltspunkte für eine Verurteilung
Wohl zum ersten Mal hat die Berliner Staatsanwaltschaft Anklage wegen der mutmaßlichen Behinderung von Betriebsratsarbeit erhoben, das teilte ein Sprecher der Behörde »nd« mit. Anzeigeerstatter sei der Betriebsrat der Einzelhandelskette Foot Locker. Foot Locker verkauft weltweit Sneaker und Sportschuhe von Markenherstellern.
Eine Sprecherin der Berliner Strafgerichte bestätigte die Angaben. Demnach ist seit dem 7. Februar ein Verfahren beim Amtsgericht Tiergarten anhängig. Die Staatsanwaltschaft habe gegen »zwei Personen Anklage wegen Behinderung und Störung der Tätigkeit des Betriebsrats in Tateinheit mit Nötigung erhoben«, wie die Gerichtssprecherin mitteilte. Der Tatzeitraum liege im Mai 2022.
Foot Locker erklärt, man äußere sich nicht zu »Einzelfällen«. Man arbeite weiterhin an positiven Beziehungen zu den Betriebsräten in Deutschland und erachte »alle Mitarbeiterbeteiligungen immer als äußerst wichtig«. Beim Aufbau dieser Zusammenarbeit befolge man alle Richtlinien und Anforderungen.
Über Jahre hinweg gab es bei Foot Locker Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern von Betriebsräten und der Unternehmensführung. Gehälter werden zum Teil einbehalten, Betriebsratsmitglieder gekündigt. Im Juni 2021 wird die Filiale an der Tauentzienstraße 18a, in der der erste Betriebsrat in Berlin gegründet wurde, geschlossen. Sie ist Foot Locker zufolge nicht mehr rentabel. Zwei Häuser weiter in der Nummer 17 eröffnet im September 2022 ein neuer Fook Locker Store.
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Im Mai 2022 findet der Betriebsratsvorsitzende des Gesamtkonzerns heraus, dass auch ihm gekündigt werden soll. Auch ihm wird ein Teil des Gehalts nicht bezahlt. Und da der Betriebsrat der Kündigung seines Vorsitzenden nicht zustimmt, strengt Foot Locker vor dem Arbeitsgericht ein Zustimmungsersetzungsverfahren an. Der Vorwurf: Arbeitszeitbetrug. Der Beschäftigte habe unter anderem zu viele Arbeitsstunden für die Betriebsratsarbeit verwendet. Gegen eine Abfindungszahlung akzeptiert er am Ende einen gerichtlichen Vergleich und scheidet wie andere vor ihm aus dem Unternehmen aus.
Allerdings stellt der Betriebsratschef unter anderem wegen des ausstehenden Lohns zuvor noch Strafantrag auf Verstoß gegen den Paragrafen 119 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Dieser Paragraf des für Betriebsräte maßgebenden BetrVG stellt die Behinderung von Betriebsratsarbeit und Störung von Betriebsratsgründung unter Strafe. Das Höchststrafmaß beträgt ein Jahr Haft. Ohne einen zeitnah gestellten Strafantrag kann die Staatsanwaltschaft allerdings keine Anklage erheben. Die wird erhoben, wenn sich nach dem Abschluss eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens die Einschätzung durchgesetzt hat, dass die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung höher ist als die eines Freispruchs, also ein sogenannter hinreichender Tatverdacht besteht.
»Wir befinden uns im sogenannten Zwischenverfahren«, erklärte die Sprecherin der Strafgerichte. Das Gericht prüfe derzeit, ob es die Anklageschrift zulasse und ein Hauptverfahren eröffne. Laut dem Sprecher der Staatsanwaltschaft dürfte es zutreffend sein, dass im vorliegenden Verfahren die Berliner Staatsanwaltschaft erstmalig Klage auf Grundlage des Verstoßes gegen Paragraf 119 BetrVG erhoben hat.
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