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Berlin: Augen auf bei Zahlen zu Antisemitismus
Bei antisemitischer Gewalt fehlt häufig die Trennschärfe, meint Jule Meier
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wird von einem Anstieg antisemitischer Gewalt in der Hauptstadt berichtet – dabei bleibt oft im Dunkeln, was Antisemitismus im einzelnen Fall meint.
Die jüngst veröffentlichte Antwort der Senatsverwaltung für Inneres auf eine Anfrage der SPD bringt etwas Licht ins Dunkel: Mehr als die Hälfte aller antisemitischen Gewaltdelikte 2023 und 2024 geht demnach auf die Störung der öffentlichen Ordnung zurück. Soll heißen: Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Landfriedensbruch – beides Delikte, die auf Demonstrationen zurückzuführen sind.
Wer von antisemitischer Gewalt liest, denkt wohl kaum an Festnahmen und Demos. Dass 38 von 67 gezählten Delikten bei der Berliner Polizei in 2024 darauf zurückzuführen sind, während es 2022 nur zwei waren, zeigt also vor allem eines: Dass es einen Anstieg von Festnahmen und mehr Menschenmengen gibt, aus denen heraus die Polizei eine vermeintliche Straftat festgestellt hat. Die vorliegenden Zahlen beziehen sich auf die angezeigten und nicht auf tatsächliche Taten.
Widerstand gegen Polizist*innen und Angriffe auf Jüd*innen in einen Topf zu werfen und damit einen Anstieg antisemitischer Gewalt zu suggerieren, schadet am Ende nur den Betroffenen, wenn ihr Vorwurf nicht mehr ernst genommen wird.
Antisemitismus ist nach wie vor ein gesellschaftliches Phänomen, das sich auch in körperlicher Gewalt zeigt – 26 Körperverletzungen hat die Polizei 2024 unter antisemitischen Delikten gezählt (2023: 30, 2022: 23). Dennoch gilt es, genau hinzuschauen, wenn pauschal von mehr Gewalt gesprochen wird.
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