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Großer Zapfenstreich für Olaf Scholz – Respekt, bitte
Warum haben scheidende deutsche Politiker kein Nachsehen mit den Musikussen der Bundeswehr?
Was fehlt, ist eine wissenschaftliche Abhandlung darüber, warum sich welche Spitzenpolitiker dieses oder jenes Musikstück zum Großen Zapfenstreich der Bundeswehr wünschen. Olaf Scholz wählte als Erstes »In my Life« von den Beatles. Der Song verspricht in der ersten Zeile: »I’ll remember ...« Wie war das noch mal mit den Erinnerungslücken bei Cum Ex? Wenn schon ein Klassiker der Liverpooler hätte zu Mister No-Remember und Kanzler von Gestern das wehmütige »Yesterday« besser gepasst. Als Zweites erkor er sich »Respect«, in der Intonation der »Queen of Soul«, Aretha Franklin, zur Hymne der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung avanciert.
Apropos: Respekt wünschte man sich seitens scheidender Obrigkeiten gegenüber dem Musikkorps der Bundeswehr. Leute, das ist doch nur eine Militärkapelle, die sich aus Blech und Bläsern rekrutiert! Rücksicht ist geboten. Die kann man nicht überfordern, das geht schief, wie bei der Verabschiedung des Karl-Theodor von und zu Guttenberg mit »Smoke on the Water«. Ein Graus für sensible Ohren, vor allem für Fans von Deep Purple. Arg herausgefordert wurden die Pfeifer und Trommler auch von Angela Merkels Verlangen nach dem »vergessenen Farbfilm«, von der 19-jährigen Nina Hagen geträllert, unsterblicher Hit in der DDR.
Warum erwählt sich niemand »Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren«? Da wird getrommelt und gepfiffen. »Schingderassa, Bumderassa!« Okay, auch in der NS-Zeit gesungen. Ist aber ein altes Soldatenlied, aus dem 19. Jahrhundert. Und wurde von der Antifaschistin Marlene Dietrich vorgetragen. Ebenso von Claire Waldoff, die unterm Hakenkreuz Berufsverbot erlitt. Und vom westdeutschen Liedermacher Ekke Frank, als Antwort auf den Nato-Doppelbschluss mit einer neuen Zeile versehen: »Wenn die Soldaten durch die Stadt marschieren,/ schließen Demokraten Fenster und Türen.« Drei Jahrzehnte zuvor ward es von Ernst Busch und Hanns Eisler abgewandelt, die Furcht vieler Deutscher dies- und jenseits der Elbe vor der Remilitarisierung der Bundesrepublik bündelnd: »Wieder Soldaten durch die Stadt marschieren, die für Weltkrieg Nummer Drei trainieren!«
Kurzum, dieses Liedchen passt in unsere kriegstüchtige Zeit. Obwohl oder gerade, weil es darauf verweist, dass dem Jubel bittere Enttäuschung folgt.
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