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Landweib
Was sie schon immer über Texas dachten und nun besätigt wissen wollen: Schauen sie die Serien von Taylor Sheridan
Howdy aus Texas, liebe Leser*innen,
ständig denke ich an Sie! Zum Beispiel, wie gut Sie wohl aussehen, wie jung und stark Sie bestimmt sind, in welcher schönen ostdeutschen Stadt Sie wahrscheinlich leben oder welche politische Gesinnung Sie haben müssen (natürlich die Richtige!). All das, nur um zu verstehen, was Sie gern von mir lesen würden! Und Sie, denken Sie im Gegenzug auch mal an mich? Ich bin geboren im Tschernobyljahr, gesegnet mit einem durchschnittlich slawischen Aussehen, politisch ambig und in der den Deutschen kaum bekannten Dallas-Fort-Worth-Metropolregion (DFW) ansässig. Wenn man »Dallas« hört, denkt man gleich an das Kennedy-Attentat, die abgeschmackte Serie »Walker, Texas Ranger« oder die alberne Seifenoper »Dallas«, deren Drehort, die hübsche Southfork Ranch, ich übrigens mal besichtigt habe. Da stellte sich heraus, dass der legendäre Riesenpool in dem so oft gezofft, gekämpft und besoffen beinahe ertrunken wurde, in Wirklichkeit winzig ist und nur dank Special Effects größer schien. Die Ranch beherbergte übrigens nach Serienende einen christlichen Radiosender und die Tea-Party-Bewegung.
News aus Fernwest: Jana Talke lebt in Texas und schreibt über amerikanische und amerikanisierte Lebensart.
Dann gibt es da noch die »Real Housewives of Dallas«, eine Reality-Sendung, für die Sie, meine lieben Leser*innen, sicher zu niveauvoll sind und welche ich, deren Niveau variabel ist, gerne mal geschaut habe ̶ wenngleich die Vorstadt, in der ich lebe, darin als Provinz verlacht wird. (Falls es Sie doch interessiert: die Sendung begleitet eventuell reiche, ganz sicher schönheitsoperierte und ihre vielfachen mentalen Diagnosen ignorierende Frauen dabei, wie sie sich zoffen, bekämpfen und besoffen beinahe ertrinken. Sie schreien und werfen wahlweise mit Buttermessern oder Beinprothesen um sich, daten zu dritt den gleichen Mann. Auch die dazugehörigen Hausmänner sind »real«, also real doof: sie koordinieren Dreier vor laufenden Kameras, täuschen Krebserkrankungen vor und treten Gefängnisstrafen an. Es ist genial.)
In den letzten Jahren wäre Dallas-Fort Worth medial fast in den Hintergrund gerückt, wäre da nicht Taylor Sheridan, ein stämmig-kantiges Kerlchen, visuell ein Ami-Til-Schweiger (aber mit mehr Kohle), der als Schauspieler scheiterte aber nun als Regisseur richtig aufdreht. Sie kennen vielleicht seine Kultserie »Yellowstone« und ihre Ableger, die teilweise in DFW gedreht wurden. Shows, die sich dem Mythos des Wilden Westens widmen; mit pseudo-rechtschaffenen Ranchern, daueralkoholisierten Blondinen, mordenden Cowboys und rachsüchtigen Native Americans, die eins gemeinsam haben: die Liebe zum Land. In »1883« wird Fort-Worth noch als gesetzloses staubiges Loch vorgestellt, in »Yellowstone« wird die texanische »6666 Ranch« zum Cowboyparadies erkoren. Diese gibt es tatsächlich, ihre Fläche ist um einiges grösser als Berlin und Sheridan hat sie vor ein paar Jahren für bescheidene 320 Millionen erworben. Es bleibt zu hoffen, dass sein Pool dem Budget entspricht.
Und dann drehte Sheridan in Fort Worth die Texasshow schlechthin, »Landman«. Es geht um die gefährliche, dreckige und angeblich schlechtbezahlte („nur 180 000 Dollar im Jahr“) Arbeit auf dem Ölfeld; das mittlerweile in fast allen US-Serien, die was auf sich halten, präsente mexikanische Drogenkartell; sture, oft hässliche Ehrenmänner und ihre heißen, immer irren Tussis. Es wird für fossile Brennstoffe geworben, für Alkohol am Steuer, Sex ohne Kondom und ̶ das ist für die USA ungewöhnlich ̶ Zigaretten. Aber wenn Billy Bob Thornton sich die Fingerkuppe mit dem Taschenmesser abschneidet, weil er keine Zeit für Handchirurgie hat oder seine Ex-Frau einen Seniorenheimausflug in den Stripclub macht, weil die Alten einsam sind, dann wissen die Texaner und andere Country-Menschen, dass das alles gar nicht so abwegig ist. Auch wenn das eben Beschriebene unter Ihrem Niveau sein sollte, liebe Leser*innen: Meine Empfehlung für diese Sendung haben Sie trotzdem.
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