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Wohin Geld für die Rüstung fließt

Monopolkommission sorgt sich um fehlende Konkurrenz in der militärischen Industrie

Demonstration gegen eine Raketenstationierung bei Holzdorf, Sachsen-Anhalt
Demonstration gegen eine Raketenstationierung bei Holzdorf, Sachsen-Anhalt

Seit Ex-Kanzler Olaf Scholz die »Zeitenwende« ausgerufen hat, sprudelt das Geld für Rüstung nur so. Nicht allein in der Bundesrepublik, auch andere Staaten in der Europäischen Union rüsten auf. Auch finanziell. 16 EU-Mitgliedstaaten haben bereits angekündigt, ihre nationale Ausweichklausel zu nutzen, um Verteidigungsausgaben zu erhöhen, ohne gegen die Verschuldungsregel zu verstoßen. Und auf dem derzeitigen Außenministertreffen der Nato-Staaten in Antalya geht es um den Vorschlag von Generalsekretär Mark Rutte, die harten und weichen Rüstungsausgaben auf fünf Prozent des Bruttoinlandproduktes zu erhöhen. Bisher wenden Europäer und Kanada etwa zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auf. Bereits diese zwei Prozent entsprechen etwa 500 Milliarden Euro pro Jahr.

Angesichts der Summen, die künftig für den Kauf von Panzern und Drohnen sowie zur Ertüchtigung militärisch wichtiger Straßen und Häfen ausgegeben werden sollen, stellt sich die Frage, wohin das Geld für Rüstung eigentlich fließt. Nun hat die Monopolkommission einen Brief an die Europäische Kommission in Brüssel geschrieben, weil sie sich darum sorgt, wie die Milliardensummen ausgegeben werden.

Das unabhängige Gremium berät Regierung, Parlamente und Bundesgerichtshof in Sachen Wettbewerbspolitik und staatliche Regulierung. Geleitet wird es von Tomaso Duso, Professor für empirische Industrieökonomie und Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin.

Monopolkommission fordert Kurswechsel

Die fünfköpfige Monopolkommission fordert einen Kurswechsel der EU-Politik: Mehr Wettbewerb bei Rüstungsausgaben solle dazu beitragen, die staatlichen Gelder zweckmäßiger einzusetzen. Bei geplanten Investitionen von 800 Milliarden Euro könne es sich die EU nicht leisten, die Entwicklung innovativer Technologien zu verzögern.

Großprojekte wie Marinefregatten werden über Jahre Detail für Detail zwischen Industrie, Marine und Beschaffungsamt »spezifiziert«. Bislang werden sie dann nach einer Betriebsdauer von 10 oder 15 Jahren umgerüstet. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung beispielsweise bei Aufklärungsdrohnen gilt dieses Verfahren unter Militärs und Ökonomen als zu unflexibel, um auf »neue Bedrohungslagen« zu reagieren. Die aktuelle Ausgabe der führenden Zeitschrift für Wirtschaftspolitik, »Wirtschaftsdienst«, widmet ihre jüngste Ausgabe denn auch den »ökonomischen Bedingungen einer neuen Sicherheitsarchitektur«.

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Die Monopolkommission fordert zwar einen Abbau von Bürokratie und die Schaffung von »Schnellverfahren« für neue Techniken. Dabei sollten jedoch »robuste Wettbewerbsschutzmechanismen« eingehalten werden. »Wettbewerb ist nicht nur ein Luxusgut in Friedenszeiten – es ist das grundlegende Prinzip der europäischen Wirtschaftsordnung und zugleich der Motor für Innovation und Effizienz, auch in der Verteidigungsbeschaffung«, sagt Duso. »Ohne einen robusten Wettbewerbsrahmen, der Start-ups und Innovationen in strategisch bedeutsamen Schlüsseltechnologien wie KI, Cybersicherheit und unbemannten Systemen Möglichkeiten eröffnet, laufen wir Gefahr, starre Monopole zu schaffen.«

Diese Monopole scheinen aber längst zu existieren. Die heutigen Beschaffungsprozesse begünstigen etablierte Auftragnehmer, wie in Deutschland Airbus, Rheinmetall oder Thyssenkrupp Marine Systems. Durch die Einführung flexibler Formate könnten Beschaffungsbehörden die Kreativität kleiner und mittlerer Unternehmen nutzen, hofft die Monopolkommission.

Drohender Demokratieabbau in Deutschland

Gleichzeitig warnt die Monopolkommission vor einem Demokratieabbau. So plant die schwarz-rote Bundesregierung, den Schwellenwert für Rüstungsgüter zu erhöhen, ab dem der Haushaltsausschuss des Bundestages zustimmen muss.

Außerdem plant die Koalition, spätestens im Herbst ein Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für die Bundeswehr zu verabschieden. Dabei wollen inzwischen ohnehin alle Parteien im Bundestag – mit Ausnahme der Linken – aufrüsten. Letztere bestätigte dies auf ihrem Bundeskongress vergangenes Wochenende, als sie mit großer Mehrheit einen Antrag »gegen Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit« beschloss.

Die Vergabe öffentlicher Mittel müsse fest im Rechtsstaat verankert bleiben, fordert indes die Monopolkommission. Regulierungsbehörden müssten in der Lage sein, wettbewerbswidrige Absprachen und Korruption zu erkennen und zu bekämpfen. »Transparente Verfahren sind unerlässlich«, mahnt Professor Duso abschließend an.

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