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Friedensfrage: Kleinster gemeinsamer Nenner gefunden
Linke-Parteitag positioniert sich gegen Aufrüstung, Raketenstationierung und »Zeitenwende«
In Interviews, Essays und Positionspapieren vertreten Akteure der Linken immer wieder Ansichten zur Außen- und Sicherheitspolitik, die dem geltenden Parteiprogramm und Beschlüssen etwa gegen Waffenlieferungen in die Ukraine widersprechen. Das dürfte so bleiben. Im Leitantrag des Bundesvorstands an den Chemnitzer Parteitag am Wochenende gab es für das Thema wohl auch deshalb einen denkbar kurzen Absatz, der den Minimalkonsens innerhalb der Organisation formulierte.
Darüber hinaus aber gab es aber eine separate Stellungnahme der Delegierten zum Thema. Der dreiseitige Antrag mit dem Titel »Ohne Wenn und Aber: Sage Nein zu Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit!« wurde am Freitagabend mit großer Mehrheit beschlossen. Dass die zustande kam, lag auch daran, dass jener Antrag G11 eine Fusion aus drei von verschiedenen Gruppen eingebrachten Papieren war, die der Parteivorstand in Abstimmung mit den Antragstellern vorab ausgehandelt hatte.
Im Leitantrag erhebt Die Linke weiter den Anspruch, »eine Friedenspartei« zu bleiben. Man trete »bedingungslos für das Völkerrecht und den Schutz derjenigen ein, die unter den Kriegen dieser Welt leiden«, heißt es darin. Und weiter: »Wir wollen es in Zukunft besser schaffen, mit unseren Vorschlägen für diplomatische und andere nicht-militärische Mittel, um Kriege zu beenden, durchzudringen.«
Auf Antrag der Kommunistischen Plattform in der Linken wurde diese Passage um weitere Aussagen wie jene erweitert, dass man sich »gegen die forcierte Militarisierung aller gesellschaftlichen Bereiche und gegen alle Versuche, die Wehrpflicht wieder einzuführen«, sowie gegen die geplante Stationierung US-amerikanischer Mittelstreckenwaffen auf deutschem Boden wende.
Am Samstag spielte die Auseinandersetzung über die Zustimmung der Senatorinnen und Ministerinnen der Linken im Bremer Senat und in der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns zur Aushebelung der Schuldenbremse im Grundgesetz für Aufrüstung und Waffenlieferungen sowie für Investitionen in die Infrastruktur noch einmal eine Rolle. Deren Verhalten stand klar im Widerspruch zur Position der Gesamtpartei wie auch der damaligen Linke-Gruppe im Bundestag, die im März geschlossen dagegen gestimmt hatte. Die Ministerinnen wären deshalb eigentlich verpflichtet gewesen, innerhalb ihrer jeweiligen Koalition eine Enthaltung bei der Abstimmung im Bundesrat durchzusetzen.
Dass sie das nicht taten – obwohl das Aufrüstungspaket auch ohne die Zustimmung der beiden Länder eine Mehrheit in der Länderkammer bekommen hätte –, löste in der Partei große Empörung aus. Die brachten Delegierte auch in Chemnitz noch einmal zum Ausdruck. Der Jugendverband Solid brachte einen Antrag ein, in dem die Ministerinnen und Senatorinnen zum Rücktritt aufgefordert werden. Der kam am Samstag kurz vor Ende der Delegiertenkonferenz noch zur Abstimmung – und wurde sehr knapp mit 219 zu 192 Stimmen bei einigen Enthaltungen abgelehnt.
Zuvor hatte Parteichefin Ines Schwerdtner erklärt, sie stimme mit der inhaltlichen Kritik des Antrags vollkommen überein, wende sich aber dagegen, ein »Exempel zu statuieren«. Ähnlich hatte sie sich bereits in ihrer Rede zur Eröffnung der Tagung geäußert. Sie plädierte für die auch im Leitantrag geforderte solidarische Kultur in der Partei unter dem Motto einer »lernenden Partei« und »revolutionärer Freundlichkeit«.
Die Europaparlamentarierin Özlem Alev Demirel hatte am Freitagabend kritisiert, das Abstimmungsverhalten der Schweriner und Bremer Regierenden habe »uns Glaubwürdigkeit gekostet«. Eine Delegierte befand, die Zustimmung zum Aufrüstungspaket im Bundesrat komme »der Ermöglichung eines Kriegseintritts gleich«.
Auch im Leitantrag wird das Verhalten der Ministerinnen noch einmal ausdrücklich kritisiert. Die klare Haltung der Partei gegen den Aufrüstungskurs hätte »zu einer Verweigerung der Zustimmung im Bundesrat führen müssen«, schreibt der Vorstand darin, und weiter: »Wir brauchen Prozesse in der Partei, die bei zentralen Fragen unserer Zeit und bei Entscheidungen, die die Grundfesten des Parteiprogramms betreffen, auch gemeinsame Entscheidungen zwischen verschiedenen Ebenen möglich machen.« Bei »Entscheidungen von besonderer Bedeutung« müsse künftig frühzeitig beraten werden. Dass Die Linke in Städten, Landkreisen und Bundesländern in Verantwortung sei, gebe ihr die Möglichkeit, »praktisch zu zeigen«, dass sie »einen Unterschied macht«. »Das muss sie dann aber auch«, heißt es weiter. Im Herbst werde man »Vorschläge für verbindliche, gemeinsame Entscheidungsprozesse« entwickeln.
Differenzen in der Sache kamen in der Debatte über den Antrag gegen Aufrüstung und »Kriegstüchtigkeit« erneut zur Sprache. Darin heißt es unter anderem, Regierung und Medien bauten »Narrative« auf, »um die Bevölkerung hinter den Kurs von Union und SPD zu bringen«. Mit der Behauptung, Russland könne »bald Nato-Territorium angreifen«, würden Ängste geschürt. Waffenlieferungen an die Ukraine werden in dem Papier erneut abgelehnt. Die »Jahrhundertaufrüstung« verdeutliche, dass es nicht um Verteidigung gehe, sondern darum, »dass wir auf Krieg vorbereitet werden sollen«.
Dazu meinte Brigitte Forßbohm aus Hessen, in dem Antrag würden eher Narrative des Kreml übernommen, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine »verharmlost« und »ausgeblendet«. Sie glaube zwar auch nicht, dass »Russland demnächst in Berlin steht«. Dagegen seien aber die baltischen Nato-Staaten »hoch gefährdet«.
Der Bremer Landessprecher der Partei, Christoph Spehr, brachte das Thema UN-Friedenseinsätze in die Debatte ein. In einer hinsichtlich der Verteilung von wirtschaftlicher und militärischer Macht sich rasch ändernden Welt könne Die Linke es nicht gut finden, »wenn die Uno keine Schutzverantwortung ausübt«. Laut dem geltenden Grundsatzprogramm lehnt Die Linke die Beteiligung Deutschlands an friedenserzwingenden, also robusten Militäreinsätzen der Uno ab.
Weiter betonte Spehr, man komme nicht umhin »zu klären: was ist strukturelle Nichtangriffsfähigkeit bei gleichzeitiger Verteidigungsfähigkeit«. Wie Forßbohm bescheinigte er dem Antrag Naivität: Dass Die Linke »dem westlichen Imperialismus in den Arm« fallen könne, habe man wohl früher noch glauben können. Das aber funktioniere nur »so lange, wie man glaubt, dass es woanders das Gute gibt«. Es gebe aber keine Guten mehr.
Wulf Gallert vom Parteivorstand warb indes für die Verabschiedung des Papiers. Die Linke müsse »friedenspolitische Initiativen« bekannt machen und »eine klare Alternative zur militaristischen Politik der Bundesregierung« aufzeigen, begründete er dies. Für künftige Positionierungen der Partei sei mit dem Leitantrag auch die Einleitung der Debatte über ein neues Parteiprogramm eröffnet.
Die Eskalation des Kriegs Israels gegen die Bevölkerung in Gaza verurteilte der Parteitag am Samstagnachmittag in einem Dringlichkeitsantrag »Vertreibung und Hungersnot in Gaza stoppen – Völkerrecht verwirklichen!«. Parteichef Jan van Aken unterstützte das Begehren, anschließend wurde das Papier mit großer Mehrheit beschlossen. Parteichefin Ines Schwerdtner hatte zum Beginn des Parteitags betont, Die Linke sei »der Widerstand« dagegen, dass Kinder im Gazastreifen »bewusst ausgehungert« werden.
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