Berlin: Klatsche für Baupläne des Senats am Güterbahnhof Köpenick

Eisenbahn-Bundesamt lehnt Entwidmung von Bahnflächen für Wohnungsbau ab

Die Außenstelle des Eisenbahn-Bundesamtes in Berlin-Steglitz
Die Außenstelle des Eisenbahn-Bundesamtes in Berlin-Steglitz

Berlin wird vorläufig nur den Bau von etwas über der Hälfte der 1800 geplanten Wohnungen auf der Fläche des ehemaligen Güterbahnhofs Köpenick auf den Weg bringen können. Denn das Eisenbahn-Bundesamt hat die Entwidmung von dafür vorgesehenen Bahnflächen abgelehnt.

Konkret geht es um knapp 11,4 Hektar südlich der Eisenbahnstrecke zwischen den S-Bahnhöfen Köpenick und Hirschgarten, auf denen rund 850 Wohnungen des neuen Stadtquartiers entstehen sollen. Das Land Berlin will die Flächen dem Bundeseisenbahnvermögen abkaufen.

Diesen Herbst soll nördlich der Gleise der Bau der ersten 150 Wohnungen beginnen. 2028 oder 2029 und 2029 oder 2030 soll Baustart für jeweils weitere 400 Wohneinheiten sein, wie Bausenator Christian Gaebler (SPD) bei einer Senatspressekonferenz im März erläuterte. Erst ab 2032 sollen demnach die Wohnungen auf den noch für Bahnzwecke gewidmeten Flächen realisiert werden.

Der ablehnende Bescheid des Eisenbahn-Bundesamtes datiert vom 30. April 2025, nun ist er auf der Internetseite der Behörde veröffentlicht worden. Die Ablehnung ist eine Folge des Ende 2023 vom Bundestag verschärften Allgemeinen Eisenbahngesetzes. In der Regel ist demnach die Entwidmung von Bahnflächen nur noch in eng begrenzten Einzelfällen möglich.

»Ein der Bahnzweckbestimmung – gesetzlich – gleichwertiger Rang der Wohnungsbauziele des Landes Berlin ist vorliegend nicht feststellbar.«

Eisenbahn-Bundesamt

Klimakrise und Kriegsgefahr

Das Eisenbahn-Bundesamt sei »angesichts des durch fortschreitende Erderwärmung und Kriegsgefahr in Europa ausgelösten Handlungsdrucks nicht davon überzeugt, dass das antragsgegenständliche Areal des Gbf Köpenick keinerlei schützenswertes Entwicklungspotential für Bahnverkehrszwecke mehr aufzuweisen hätte«, heißt es im Bescheid.

Und: »Ein der Bahnzweckbestimmung – gesetzlich – gleichwertiger Rang der Wohnungsbauziele des Landes Berlin ist vorliegend nicht feststellbar.« Das Eisenbahn-Bundesamt habe »die mit der Entwicklungsverordnung verfolgten Wohnungsbauziele berücksichtigt und in die Abwägung eingestellt und kommt zu der Überzeugung, dass diese ohne die nötige gesetzliche Fixierung kein überwiegendes Interesse begründen«.

Für das Amt ist auch nicht ausschlaggebend, dass die Deutsche Bahn AG erklärt hat, keinen Bedarf mehr für die Flächen zu sehen, und auch einen entsprechenden Vertrag mit dem Land Berlin geschlossen hat. Das »Verkehrsbedürfnis« des Bundes, das mit der Gesetzesverschärfung zum Ausdruck käme, sei von abstrakt-generellem verkehrspolitischem Charakter und »von geschäftlichen Entscheidungen oder ›Willensäußerungen‹ des Vorstands der DB AG gänzlich unabhängig« erläutert die Behörde und verweist auf die »erwiesenermaßen oft fehlsame« Markteinschätzung der Deutschen Bahn.

Bauprojekt Pankower Tor und weitere ebenfalls betroffen

Die Gesetzeslage stellt auch die zügige Realisierung weiterer Berliner Wohnungsbauprojekte infrage. Das prominenteste dürfte das ebenfalls auf einem ehemaligen Güterbahnhofsgelände gelegene Projekt Pankower Tor mit 2000 vorgesehenen Wohnungen sein. Für die Fläche zwischen den S-Bahnhöfen Pankow und Pankow-Heinersdorf ist noch kein Antrag auf »Freistellung von Eisenbahnbetriebszwecken«, wie es offiziell heißt, gestellt worden.

Das gilt auch für die in frühen Planungsphasen befindlichen neuen Stadtquartiere Stadteingang West (zwischen den S-Bahnhöfen Westkreuz und Grunewald) und Karower Kreuz (an der Kreuzung von Berliner Eisenbahn-Außenring und Stettiner Bahn von Berlin Richtung Bernau) sowie für das Projekt Hertzallee Nord (am Bahnhof Zoo).

Noch nicht beschieden sind die bereits seit bis zu zehn Jahren laufenden Anträge für Flächen des ehemaligen Güterbahnhofs Wilmersdorf (zwischen den S-Bahnhöfen Innsbrucker Platz und Bundesplatz) sowie südlich der Ringbahn zwischen den S-Bahnhöfen Neukölln und Hermannstraße, wobei dieses Projekt des windigen Immobilieninvestors Aggregate Holdings wegen der Insolvenz der vier Projektgesellschaften im Sommer 2024 sowieso in den Sternen steht.

Diese Angaben stammen aus der Antwort der Senatsbauverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage der jüngst in den Bundestag gewechselten Linke-Abgeordneten Katalin Gennburg vom Januar. Bis Ende April war sie Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Offen bleibt dabei jedoch, wie groß die entsprechenden Flächen sind, welchen Anteil sie an dem angedachten Bauland und welchen Einfluss somit auf die Realisierbarkeit der Projekte haben.

Auch die TVO kommt nicht weiter

Der Bescheid des Eisenbahn-Bundesamtes zum Güterbahnhof Köpenick wirft auch ein Schlaglicht darauf, dass ein Planfeststellungsbeschluss der von der Senatsverkehrsverwaltung forcierten Hochleistungsstraße TVO durch die Wuhlheide vorläufig nicht zu erwarten ist. Zumindest solange die Bundesebene das Allgemeine Eisenbahngesetz nicht ändert. Auch hier müssten Bahnflächen entwidmet werden. Im Mobilitätsausschuss des Abgeordnetenhauses hatte die Verwaltung im Juli 2024 versucht, das als handhabbaren Verwaltungsakt abzutun.

Bemerkenswert sind im Bescheid die juristischen Hinweise, wie das Land Berlin gesetzlich die Voraussetzungen schaffen könnte, um doch eine Entwidmung der Bahnflächen für Wohnbauzwecke zu erreichen.

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Wohnraumversorgungsgesetz würde helfen

Die Landesgesetzgebung auf dem Gebiet des allgemeinen öffentlichen Wohnungswesens sei seit 2006 allein Sache des Abgeordnetenhauses und des Senats von Berlin, heißt es im Bescheid. Diese hätten somit die Möglichkeit, »das ihnen auf diesem Gebiet im Gesetzgebungswege Mögliche zu tun«. Es müsste gesetzlich die allgemeine Wohnraumversorgung als öffentliche Aufgabe beschlossen und geregelt werden. Nicht nur abstrakt, sondern konkret wirksam und dauerhaft dem Gemeinwohl dienlich, so lässt sich aus den Ausführungen herauslesen.

Der zugrunde liegende Stadtentwicklungsplan Wohnen wolle »ausweislich seiner Selbstbeschreibung allenfalls ›Impulsgeber‹ und zugleich möglichst genaue ›Zustandsbeschreibung‹ einer fortlaufenden Entwicklung sein«, wird im Bescheid beschrieben. Darin erschöpfe sich seine Aufgabe aber auch schon, heißt es weiter.

Das Amt weist auch die Argumentation des Senats in einem Anwaltsschreiben von Juli 2024 zurück, »dass die Schaffung von Wohnraum ›Verfassungsrang‹, und damit ein ›besonderes‹ Gewicht in der Abwägung habe«. Artikel 28 der Berliner Verfassung erkläre »gerade nicht die Schaffung von Wohnraum, sondern lediglich deren Förderung zum Staatsziel«.

Siegerentwurf für das Wohnquartier Ehemaliger Güterbahnhof Köpenick: So soll es nach den Vorstellungen des Senats entlang der S-Bahnlinie 3 zwischen den Stationen Köpenick und Hirschgarten mal aussehen.
Siegerentwurf für das Wohnquartier Ehemaliger Güterbahnhof Köpenick: So soll es nach den Vorstellungen des Senats entlang der S-Bahnlinie 3 zwischen den Stationen Köpenick und Hirschgarten mal aussehen.

»Die öffentliche Hand entfaltet in Berlin keine eigene Wohnungsneubautätigkeit. Anders als in den 1920er, 1930er Jahren baut Berlin nicht mehr selbst, sondern ermöglicht über öffentliches Baurecht und öffentliche Wohnungsbauförderung, dass Private Wohnungen bauen. Alle Erwartungen des Senats richten sich denn auch auf die private Immobilienwirtschaft. Diese möge sich der Aufgabe annehmen«, heißt es weiter.

Auch Landeseigene sind Privatunternehmen

Für die sechs in Privatrechtsform geführten landeseigenen Wohnungsunternehmen gelte dasselbe, so das Eisenbahn-Bundesamt. »Sie sind Teil der freien Wohnungsprivatwirtschaft, da es sich bei ihnen weder um kommunale Eigenbetriebe, noch anderweitig durch öffentliches Recht dem Gemeinwohl verbundene öffentliche Unternehmen handelt«, heißt es im Bescheid.

Die Unionsfraktion im Bundestag hatte bereits im vergangenen Jahr ein Gesetzgebungsverfahren für eine Änderung des Paragrafen 23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes angestoßen. Bei einer Anhörung des Verkehrsausschusses dazu im Dezember 2024 war auch Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) geladen.

Verkehrssenatorin klagt im Bundestag

Berlin habe »das Schneller-Bauen-Gesetz auf den Weg gebracht, damit wir wirklich ins Bauen kommen, und zwar schnell ins Bauen kommen«, sagte Bonde damals. Man stelle allerdings fest, »dass die Wohnungsbaumaßnahmen, die wir dringend benötigen, durch das Eisenbahn-Bundesamt ›on hold‹ gesetzt sind«.

Das Amt erkenne nur ein höheres, noch darüber hinaus gehendes öffentliches Interesse jenseits von Eisenbahn-Infrastruktur an, »wenn dieses gesetzlich geregelt ist«, so Bonde weiter. Das gelte auch für die Tangentialstraße TVO. Bitter beklagte sie: »Da werden keine Interessen abgewogen, sondern die Schieneninfrastruktur steht immer an erster Stelle.«

Die aktuelle Koalition aus CDU und SPD scheint jedoch keinerlei Interesse zu haben, die allgemeine Wohnraumversorgung als öffentliche Aufgabe gesetzlich auf Landesebene festzulegen. Diese Möglichkeit hat das Eisenbahn-Bundesamt ja schließlich angedeutet.

Güter gehören auf die Bahn

Im Bescheid nennt das Amt jedoch gute Gründe, warum Eisenbahnflächen nicht, wie bisher oft geschehen, bedenkenlos entwidmet werden sollten. Das Köpenicker Areal erscheine »außer für spätestens seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine Ende Februar 2022 nicht auszuschließende potentielle militärische oder rüstungsindustrielle Güterverkehrsbedarfe auch für rein zivile Verkehrsbedarfe der Bahn prädestiniert«.

Neben »absehbar weiterem Bedarf an ortsnahen Abstellanlagen für den Personennah- und Fernverkehr« seien dies »vor allem Bedarfe des örtlichen Güterwirtschaftsverkehrs«. Gerade der schwere Güterstraßenverkehr im urbanen Raum trage überproportional zum vorzeitigen Verschleiß und Werteverzehr der Straßeninfrastruktur bei.

»Getrieben durch die Entwicklungen im E-Commerce verändern sich Wirtschaftsverkehr und Logistik. Ein wachsendes Verkehrsaufkommen im Lieferverkehr belastet den urbanen Raum. Die Herausforderungen werden sich auch in den nächsten Jahren weiter verschärfen, da der Anteil kleinteiliger Sendungen voraussichtlich weiter steigen und der Lieferverkehr im urbanen Raum zunehmen wird«, stellt die Behörde fest.

Bundesamt lobt Mobilitätsgesetz

Wirtschaftsverkehr und Logistik seien heute zumeist nur wenig spezifisch an das städtische Umfeld angepasst. Für eine bessere Verträglichkeit der urbanen Logistik seien neue Ansätze notwendig. »Güter gehören wieder auf die Schiene«, so die klare Ansage des Eisenbahn-Bundesamtes.

Die Sicherung und Erhaltung der urbanen Verkehrsinfrastruktur des Wirtschaftsverkehrs in Umfang, Zustand und Nutzbarkeit sei eine der Kernherausforderungen in Berlin und der gesamten Hauptstadtregion. »Hierfür gilt es, eine leistungsfähige, zukunftssichere Infrastruktur des Schienengüterverkehrs zu sichern«, heißt es im Bescheid. Das Eisenbahn-Bundesamt nehme die im Berliner Intergrierten Wirtschaftsverkehrskonzept »so zutreffend formulierte Gemeinschaftsaufgabe«, die im Berliner Mobilitätsgesetz angelegt sei, »im Rahmen seiner Befugnisse und Kompetenzen ernst«.

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