- Berlin
- Parteispenden
Mieten deckeln und Parteispenden
Bauunternehmer Christoph Gröner soll vor Gericht aussagen, was er wem in der CDU gesagt hat zu seinen Spenden an die Partei
Es bleibt vorerst offen, ob die Berliner CDU 800 000 Euro an Parteispenden abgeben und 1,6 Millionen Euro als Strafe dafür zahlen muss, dass sie das Geld angenommen hatte. Das Verwaltungsgericht Berlin entschied am Donnerstag überraschend, den Bauunternehmer Christoph Gröner als Zeugen vorzuladen, wie Gerichtssprecherin Lilly Sellner auf Nachfrage mitteilte.
Es ist die Spaßpartei des Europaabgeordneten Martin Sonneborn, die der CDU nicht gönnt, mit den 800 000 Euro einen unlauteren Vorteil im politischen Wettstreit erlangt zu haben. Zumal diese Summe immerhin 19 Prozent aller Einnahmen der Berliner CDU im Jahr 2020 entsprochen habe, wie Rechtsanwältin Sophie Schönberger ausrechnete. Die Spaßpartei hatte die Bundestagsverwaltung verklagt, weil diese die Sache auf sich beruhen lassen wollte.
Im März 2020 hatte Unternehmer Christoph Gröner persönlich 300 000 Euro an den CDU-Landesverband gespendet. Im Dezember 2020 überwies seine Gröner Familie Office GmbH weitere 500 000 Euro. Die CDU meldete das gleich ordnungsgemäß an die Bundestagsverwaltung, wie es bei Parteispenden über 35 000 Euro vorgeschrieben ist. Die Partei hätte das Geld nur dann nicht annehmen dürfen, wenn für sie erkennbar gewesen wäre, dass Gröner etwas dafür haben will. Aber hat er eine Gegenleistung erwartet oder sogar verlangt? In einer eidesstattlichen Erklärung von Mai 2023 bestreitet der Bauunternehmer das. Er habe mit der Spende keine Bitten, Wünsche oder Forderungen verbunden.
Dumm nur, dass Gröner zuvor in einem Interview erzählt hatte, er habe Bedingungen gestellt: So sollten im Kinderheim lebende Behinderte künftig nicht 200 Euro Kleidergeld weniger erhalten als andere Bewohner, und der Berliner Mietendeckel sollte modifiziert werden. Als Kai Wegner (CDU) 2023 Regierender Bürgermeister wurde, war der Mietendeckel aber schon Geschichte. Das Bundesverfassungsgericht hatte ihn 2021 gekippt. Ob es die von Gröner angenommene Lücke beim Kleidergeld der Heimkinder überhaupt gibt, braucht Verwaltungsgerichtspräsidentin Erna Xalter nicht zu wissen. »Der Anschein der Käuflichkeit der Partei ist ausreichend«, erläuterte sie am Donnerstag.
Was Gröner wem in der CDU gesagt hat, soll er nun dem Gericht mitteilen. Ministerialrat Peter Nowak, in der Bundestagsverwaltung für die Parteienfinanzierung zuständig, erwartet nicht viel von der Vernehmung: »Die Chance, dass Herr Gröner – von seinen Anwälten beraten – irgendetwas Neues sagt, halte ich für gering.« Noch zehn Jahre nach einer Spende kann die Bundestagsverwaltung Sanktionen verhängen. Sie hat die Prüfung im Fall Gröner 2023 nur vorläufig eingestellt und kann bei neuen Erkenntnissen noch handeln. Wenn etwas nicht stimme, fliege das erfahrungsgemäß auf, sagte Nowak. Aber obwohl viele Journalisten wegen der beiden Parteispenden recherchierten, sei nichts dabei herausgekommen.
Es würde einen Unterschied machen, wenn die Landes-CDU kurz vor der Abgeordnetenhauswahl 2026 auf 2,4 Millionen Euro verzichten müsste. Aber selbst wenn sie die Summe behalten darf, ist es schon ein Präzedenzfall, dass die Klage nicht gleich abgewiesen wurde. Erstmals überhaupt klagte eine Partei wegen Spenden an eine andere Partei. Das könnte jetzt viele Nachahmer finden und einen Berg zusätzlicher Arbeit für die Richter bedeuten.
»Je weiter Sie die Tür öffnen, desto mehr Leute kommen rein«, warnte Rechtsanwalt Christopher Lenz das Verwaltungsgericht. Lenz vertritt in dem Verfahren die CDU und bemühte sich, den Fall Gröner herunterzuspielen, wie es auch Rechtsanwalt Christian Kirchberg für die Bundestagsverwaltung machte. Gröner sei ja in einem Interview nur deshalb nassforsch und im Affekt auf Heimkinder und Mietendeckel zu sprechen gekommen, weil er gefragt wurde, ob er sich als Bauunternehmer mit seiner Spende nicht Aufträge vom Staat verschaffen wollte, lautete ein missglückter Versuch der Beschwichtigung.
Zu der Version, dass Gröner Aufträge erheischte, würde passen, dass der Unternehmer an anderer Stelle bekannte, falls das Tempelhofer Feld bebaut werde, wäre er interessiert, dabei mitzuwirken. Das legt den Verdacht nahe, das ehrenvolle Eintreten für benachteiligte Heimkinder sei ein Ablenkungsmanöver, eine Nebelkerze. Wenn sich CDU-Politiker Wegner später an ein genauso löbliches, aber anderes Anliegen Gröners erinnerte, so scheint es für Spaßpartei-Anwältin Schönberger »nicht plausibel«, dass es gar keine Erwartungshaltung gegeben haben sollte. Gröner soll Wegner zufolge gewünscht haben, dass die CDU etwas gegen Obdachlosigkeit unternimmt.
Doch der schlimme Verdacht, dass Gröner einen eigenen Vorteil in einer bis jetzt nicht zur Sprache gekommenen Angelegenheit im Sinn gehabt haben könnte, ist pure Spekulation. Es gibt nicht die Spur eines Beweises dafür. Als das am Donnerstag indes plötzlich im Raum stand, reagierte Richterin Xalter: »Wenn es darauf ankommt, müssen wir den Spender vernehmen.« Das hatte CDU-Anwalt Lenz nun nicht beabsichtigt, als er den Eindruck einer Kollegin schilderte, an der Sache mit den Heimkindern sei gewiss nichts dran. Lenz erwähnte dabei, seine Kollegin habe bei einem Bauunternehmer andere Absichten einer Parteispende vermutet. Damit habe er nicht gesagt, dass da noch etwas anderes sei, beteuerte Lenz, damit kein falscher Zungenschlag hereinkomme. Aber da war es bereits geschehen.
Aurel Eschmann von der Initiative Lobbycontrol bräuchte keine neuen Beweise. Für ihn »ist das hier ein klarer Fall« einer illegalen Spende angesichts des bereits Bekannten. Wenn die Bundestagsverwaltung die 2,4 Millionen Euro trotzdem nicht einforderte, stimme etwas nicht mit der Kontrolle. »Wir brauchen in Deutschland dringend eine Aufsichtsbehörde, die wirklich unabhängig ist und ermitteln kann. Auch ein Parteispendendeckel von 50 000 Euro pro Jahr würde die Gefahr von Einflussnahme durch Spenden erheblich verringern.«
»Der Anschein der Käuflichkeit der Partei ist ausreichend.«
Erna Xalter Richterin
Wir sind käuflich.
Aber nur für unsere Leser*innen. Damit nd.bleibt.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Werden Sie Teil unserer solidarischen Finanzierung und helfen Sie mit, unabhängigen Journalismus möglich zu machen.