Prozess gegen Prinz Reuß und Co: noch immer ganz am Anfang

Das Frankfurter Verfahren gegen mut­maß­liche Umstürzler aus dem Reichsbürgermilieu zieht sich hin

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 4 Min.
Eingespieltes Team: Der Hauptangeklagte Heinrich XIII. Prinz Reuß (2.v.r) und seine Verteidiger Hans-Otto Sieg (l.), Thomas Tschammer (2.v.l.) und Roman von Alvensleben (r.), am 21. Mai im Oberlandesgericht Frankfurt, Außenstelle Sossenheim
Eingespieltes Team: Der Hauptangeklagte Heinrich XIII. Prinz Reuß (2.v.r) und seine Verteidiger Hans-Otto Sieg (l.), Thomas Tschammer (2.v.l.) und Roman von Alvensleben (r.), am 21. Mai im Oberlandesgericht Frankfurt, Außenstelle Sossenheim

Auch wer vom Umsturz träumt, wünscht sich ein bisschen Komfort. Kaminofen, Sauna und Jacuzzi boten die Chalets, in denen sich eine Gruppe um den ehemaligen Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder im Herbst 2021 zweimal einmietete. Es waren Gegner*innen der Corona-Politik, Verschwörungsgläubige, rechte Reichsbürger, die hier in der ländlichen Idylle des Frankenwalds zusammenkamen. Und nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft bildeten sie die Führungsspitze einer Gruppierung, die kein geringeres Ziel verfolgte als den gewaltsamen Sturz der Bundesregierung.

Die von dem Immobilienunternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß angeführte Vereinigung soll einen Staatsstreich geplant haben. Mit einem bewaffneten Angriff auf den Bundestag, dem Aufbau paramilitärischer »Heimatschutzkompanien«, mit Massenhinrichtungen und der Bildung einer designierten Putschregierung, angeführt von Reuß. Seit einem Jahr wird dem altadeligen Reichsbürger, dem Ex-Oberst und sieben Mitangeklagten vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main der Prozess gemacht. Gegen 17 weitere Männer und Frauen laufen parallele Verfahren in München und Stuttgart. Der Vorwurf: Terrorismus und Hochverrat.

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In dieser Woche war die Wirtin geladen, die jene eleganten Chalets vermietet. Doch sie erinnerte sich an nicht viel mehr als daran, dass sie Eder mehrfach hinterhertelefonieren musste, bis er die 660 Euro für die erste Übernachtung überwies. Und dass er und der Angeklagte Michael Fritsch – ein Aktivist der coronaleugnerischen Partei Die Basis und früherer Polizist – ihre Visitenkarten dagelassen hätten. Kein allzu konspiratives Verhalten also. »Ein vermeintlicher Terrorist, der Visitenkarten hinterlässt, ist schon irgendwie auffällig«, kommentierte Verteidiger Roman von Alvensleben süffisant.

Einen ganzen Tag dauerte die Befragung der Gastronomin, der Erkenntnisgewinn: begrenzt. Für das Tempo, in dem der Prozess in der eigens errichteten Leichtbauhalle am Frankfurter Stadtrand vorangeht, war das durchaus charakteristisch. Nach 68 Verhandlungstagen ist von dem, was die Bundesanwaltschaft auf 550 Seiten als das »wesentliche Ergebnis« ihrer Ermittlungen zusammengefasst hat, erst ein Bruchteil erörtert worden. Von den 258 Zeug*innen, auf die sich die Anklage stützt, trat bisher bloß ein gutes Dutzend auf. Und auch aus den zahllosen Chats und Telefonaten, die die Ermittler*innen belauscht haben, waren erst wenige Sätze zu hören. Es geht langsam voran, sehr langsam.

Tagelang äußerte sich die angeklagte Ex-AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann zur Anklage. Ein schier endlos mäandernder Monolog, in dem die einstige Berliner Richterin mit viel Hochmut erklärte, warum sämtliche Vorwürfe grundlos, bodenlos, kurz: eine persönliche Beleidigung seien.

Die 60-Jährige hat zweimal mutmaßliche Mitverschwörer durch den Bundestag geführt. Ein Manöver, das dem Auskundschaften des Parlaments dienen sollte, meint die Bundesanwaltschaft. Ein rein touristischer Besuch, hielt Malsack-Winkemann dagegen. Doch als vor Gericht Fotos gezeigt wurden, die dabei entstanden, wich sie Nachfragen wortreich aus. Vielleicht, weil sich das touristische Interesse an Tiefgaragen, Eingangsschleusen, Aufzugsschildern, Kellerfluren oder Fluchtwegen nicht unmittelbar erschließt.

Die AfD-Politikerin ist nach wie vor die einzige der Angeklagten im Frankfurter Prozess, die sich vor Gericht eingelassen hat. Ex-Oberst Eder kam noch nicht über einen einleitenden Powerpoint-Vortrag hinaus. Der einstige Stabsoffizier der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK) sprach über seinen Kampf gegen die Corona-Maßnahmen und gegen das, was er »satanisch-rituelle Pädophilie« nennt. Wie die meisten der mutmaßlichen Möchtegern-Putschist*innen glaubt er an unterirdische Tunnelsysteme, in denen Kinder von einer »Deep State« genannten Machtelite systematisch gefoltert und missbraucht werden. Es ist der Kern der antisemitisch aufgeladenen QAnon-Verschwörungsideologie. Aber Eder sagte: »Ich distanziere mich nachdrücklich von der Unterstellung, ich sei ein Anhänger von QAnon.«

Die Anklagevorwürfe wies Eder in stolzem Bayerisch als »Schmarrn« zurück. »Es sollte immer friedlich und gewaltfrei bleiben«, beteuerte er. »Ein Staatsstreich war niemals meine Absicht.« Wirklich? Die Angeklagte Johanna Findeisen-Juskowiak, bis zu ihrer Festnahme Landesvorsitzende von Die Basis in Baden-Württemberg, hat bei einem Treffen mit dem erfahrenen Soldaten Codewörter fürs konspirative Kommunizieren mitgeschrieben: »Buntstifte = Waffen, Abholzen = Personenbeseitigung«.

Noch deutlicher soll Eder gegenüber einem alten Kameraden aus Bundeswehrzeiten geworden sein. »Nach meiner Erinnerung«, sagte der Mann, »ging es um die Tötung von Herrn Spahn.« Beim Treffen in einem bayerischen Biergarten habe ihn Eder anzuwerben versucht. Aber wofür? Für den Kampf gegen die vermeintliche »Corona-Diktatur«, wie der Generalleutnant es kurz danach dem Militär-Geheimdienst MAD meldete? Für einen »Staatsstreich«, wie er später in seiner Vernehmung beim Bundeskriminalamt sagte? Oder für die »Beseitigung« von Jens Spahn, damals Gesundheitsminister der CDU, wie er nun vor Gericht erklärte? »Der Begriff ›Tötung‹ ist nicht wörtlich gefallen«, räumte der Zeuge ein. »Aber es war klar, was gemeint ist.«

Für den Prozess sind derzeit Termine bis Januar 2026 angesetzt, beim Parallelverfahren in München, obwohl es dort sogar etwas zügiger vorangeht, bereits bis 2027. Reichen dürfte wohl beides nicht.

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