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Berliner Datenschutzbericht: Kameras, KI-Überwachung und Stalking
Datenschutzbeauftragte Meike Kamp stellt Jahresbericht 2024 vor – mit Rekordhoch an Beschwerden
Ein Polizist fragt nach dem Ende der Beziehung 170 Mal Daten zu seiner Ex-Freundin und ihrer Familie ab. Die Staatsanwaltschaft setzt biometrische Gesichtserkennungssoftware ein. Beides 2024 in Berlin passiert – und beides verstößt gegen das Datenschutzrecht.
Berlins Datenschutzbeauftragte Meike Kamp hatte 2024 so viel zu tun wie nie zuvor. Mehr als 6000 Beschwerden gingen bei der Behörde für Datenschutz und Informationsfreiheit ein, die die Juristin seit 2022 leitet. »Das ist ein neuer Rekord für uns«, sagt Kamp am Montag bei der Pressekonferenz im Abgeordnetenhaus.
Die Verstöße reichen von privatem Datenmissbrauch durch Polizeibeamte bis hin zum rechtswidrigen Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Teil des 200-seitigen öffentlich-einsehbaren Berichts ist außerdem die Videoüberwachung an der Polizeiwache am Kottbusser Tor in Kreuzberg.
Ein großer Teil der Bußgelder betraf wie auch im Jahr zuvor Polizeibeamte. Immer wieder haben Beamte zu privatem Zweck personengebundene Daten von Dritten aus der polizeiinternen Datenbank POLIKS abgerufen und teilweise weiterverwendet. Darunter ist ein Polizist, der einen Vorgang abfragte, in dem er selbst als Täter geführt wurde, um Einfluss auf sein Verfahren nehmen zu können. Ein anderer nutzte die Datenbank, um zur privaten Kontaktaufnahme an die Telefonnummer einer Geschädigten zu kommen. In einem anderen Fall fragte ein Beamter die Meldeadresse einer Person des öffentlichen Lebens ab, die später durch Dritte Drohschreiben erhielt. Ob es dabei einen Zusammenhang gab, konnte die Datenschutzbehörde nicht nachweisen.
Wenn die Staatsanwaltschaft KI benutzt
Derweil setzte die Staatsanwaltschaft ein System von sowohl fest installierten als auch mobilen Kameras auf Autos ein, das Bilder von Personen und Fahrzeugen erstellen und biometrisch vergleichen kann – das wurde durch Medienberichte bekannt. Die Prüfung der Datenschutzbeauftragten ergab: Die zugrundeliegende Rechtsgrundlage regelt weder speziell den Einsatz solcher Systeme, noch erfüllt es die verfassungsrechtlichen Anforderungen. Sie habe die Staatsanwaltschaft gewarnt, dass ein künftiger Einsatz des Gesichtserkennungssystems gegen das Datenschutzrecht verstoßen würde. »Beim Einsatz solcher Systeme im öffentlichen Raum sind eine Vielzahl von unverdächtigen Personen betroffen«, teilt Kamp mit. Der Einsatz durch Strafverfolgungsbehörden greife intensiv in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein.
Wenn die Polizei am Kotti filmt
Über zehn Kameras hat die Datenschutzbeauftragte im Bereich der Polizeiwache am Kottbusser Tor gezählt. Die Kreuzberger Wache befindet sich auf einem Überbau, der über die Adalbertstraße führt. Die von Kamp entdeckten Kameras filmen nicht nur den Eingangsbereich auf der Terrasse des Überbaus, wo sich auch das »Café Kotti« befindet, sondern auch die Unterführung unter der Polizeiwache inklusive des Gehwegs und der Straße.
Die Videoüberwachung erfolge »ohne ausreichende Rechtsgrundlage« und greife
»unverhältnismäßig« in die Grundrechte von Passant*innen sowie Verkehrsteilnehmer*innen ein, teilt Kamp mit. »Bedenken habe ich insbesondere
bei der Überwachung der Fußgängerterrasse, da sich dort auch Beratungseinrichtungen befinden.« Den Hilfesuchenden müsse ermöglicht werden, diese Angebote wahrzunehmen, ohne dass sie dabei gezwungen werden, sich der Videoüberwachung auszusetzen.
Laut Kamp habe die Polizei nicht ausreichend geprüft, welche baulichen Maßnahmen den Kamerabereich verkleinern würden oder ob Beamte den Bereich vor der Wache selbst überwachen könnten.
Die Einschätzung Kamps möge »im aktuellen rechtlichen Rahmen fachlich korrekt sein«, teilt der Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Benjamin Jendro, mit. »Wir stehen heute vor anderen Herausforderungen als 1952 und versperren uns durch dieses generelle Misstrauen einzelner in die Polizeiarbeit dieser Stadt den technischen Möglichkeiten, ohne deren Nutzung der Rechtsstaat in absehbarer Zeit einpacken kann«, so der GdP-Sprecher.
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