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Lok Leipzig und Havelse hadern mit der unsäglichen Relegation
Nach einem 1:1 im Hinspiel bangen die Meister der Regionalligen Nordost und Nord weiter um den Aufstieg in die 3. Liga
Regenwetter bestimmte auch in Sachsen den ganzen Mittwoch. Die Anhänger des Regionalligisten 1. FC Lokomotive Leipzig zog es am Abend dennoch in Massen nach Probstheida in das altehrwürdig-marode Bruno-Plache-Stadion. Der Heimbereich beim Hinspiel der Relegation um den Aufstieg in die 3. Liga war ausverkauft. Dass es dennoch »nur« 10 080 Besucher wurden, lag an den Gästefans. Nur rund 200 Anhänger des TSV Havelse wollten beim ersten Duell der Meister der Regionalligen Nordost und Nord dabei sein.
Das Häuflein der Aufrechten aus dem Ortsteil der Stadt Garbsen in der Nähe von Hannover rastete eine Minute vor dem Ende der regulären Spielzeit aber förmlich aus. Nach dem sehenswerten Führungstreffer von Torjäger Marko Ilic, der damit in dieser Saison in seinem 30. Pflichtspiel sein 20. Tor erzielte, sorgte für Ekstase, eine kurze. Denn die Leipziger Fans, deren Verein zuletzt in der Zweitligasaison 1997/98 noch unter dem Namen des Vorgängers VfB Leipzig überregional Fußball gespielt hatte, wurden zeitnah aus ihrer Schockstarre geholt. 120 Sekunden nach dem Führungstreffer der Gäste schoss der eingewechselte Dorian Cevis zum umjubelten und leistungsgerechten 1:1 ein. Nach dem kurz darauf erfolgten Abpfiff konnte sich Havelse dennoch als moralischer Sieger fühlen. Der Großteil der Leipziger Fans wirkte hinsichtlich des Rückspiels am kommenden Sonntag eher nachdenklich.
Das spürte auch der Stadionsprecher. »Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende«, rief er den Lok-Supportern zu. Torschütze Cevis drückte sich da ein Stück weit optimistischer aus. »Wenn wir so spielen wie im Hinspiel, werden wir am Sonntag auf jeden Fall mit einem Sieg nach Hause fahren«, ließ der Kroate den Aufstiegstraum hochleben.
Im Bruno-Plache-Stadion erinnerten die Lok-Fans aber auch an die Absurdität des Aufstiegsspiels. »Meister müssen aufsteigen« stand auf einem großen Transparent. Die unsägliche Relegation wird am Sonntag aber dazu führen, dass Lok oder Havelse scheitert. »Man darf nicht vergessen, dass Lok genau die gleiche Qualität hat wie wir auch. Sie hätten es genauso verdient, auch direkt aufsteigen zu können. Schlussendlich müssen wir uns jetzt den Regularien auch unterwerfen und uns hier duellieren«, sagte Havelse-Trainer Samir Ferchichi. »Ich glaube, beide hätten es maximal verdient, am Wochenende zu feiern. Am Ende kann es nur einer.«
Die Sehnsucht nach höherklassigem Fußball ist bei den Lok-Fans gewaltig. Der fünffache DDR-Pokalsieger und Europacup-Finalist von 1987, der 2004 nach der Insolvenz des VfB Leipzig einen Neustart in der elften Liga angehen musste, steht erneut an einer wichtigen Schwelle. 2020 war zuletzt der Meistertitel in der Regionalliga Nordost errungen worden – in der Relegation scheiterte Lok wegen der damals noch existierenden Auswärtstorregel nach einem 2:2 und einem 1:1 am SC Verl. Damit sich das nicht wiederholt, hätten am Sonntag gern Tausende Leipziger Anhänger die Reise nach Havelse unternommen, um ihre Mannschaft nach vorn zu peitschen. Leider dürfen im Rückspiel im viel zu kleinen Wilhelm-Langrehr-Stadion aus Sicherheitsgründen insgesamt nicht mal die 3500 Zuschauer kommen, die offiziell zulässig sind.
Lok wurden lediglich 600 Tickets zugebilligt. Das tut weh. Die Leipziger hätten das Stadion mit Sicherheit allein füllen können. Der Vorverkauf der Gästetickets am Mittwoch dauerte nur wenige Sekunden. »Ich glaube, es wären gern 6000 Lok-Fans gekommen. Von daher ist es schade für die 5500, die nicht dabei sein können. Aber ich gehe auch davon aus, dass unsere Fans sehr, sehr laut sein werden«, sagte Leipzigs Sportdirektor Toni Wachsmuth.
Weder Wachsmuth noch die Spieler dürfen ihre Frauen und Familien zum Showdown mitbringen. Gefeiert werden soll im Falle des Falls nach der Rückkehr nach Leipzig im Bruno-Plache-Stadion. Dort wird ab der kommenden Woche dann das Grün für eine Rasenheizung abgetragen und teilweise zugunsten des Vereins versteigert. Die Installation der Rasenheizung ist eine Auflage des DFB für Drittligafußball und wird das in die Jahre gekommene Stadion aufwerten. Der Verein arbeitet zudem mit Hochdruck daran, dass es die Lizenz für höherklassigen Sport auch mit der 1932 errichteten Holztribüne gibt.
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