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Illegale Gebühren fürs Girokonto
Verbraucherschützer hoffen auf ein kundenfreundliches Urteil in Karlsruhe
Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe kündigen nur wenige Urteile vorweg per Pressemitteilung an. In diesem Fall geht es um die besondere Brisanz eines Verfahrens rund um das Girokonto, denn dieses ist für Verbraucher existenziell, wenn es um Arbeit, Wohnen und Rente geht. Der für Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des BGH verhandelt an diesem Dienstag über die Verjährung von Verbraucheransprüchen auf Rückzahlung von sogenannten Kontoführungsentgelten.
In der Vergangenheit hatten Banken und Sparkassen mehr oder weniger willkürlich Gebühren für Girokonten erhöht, Negativzinsen für Konteninhaber eingeführt und Prämiensparern Zinsen gestrichen. Seit Jahren beschäftigen sich Gerichte damit, ob diese Preiserhöhungen rechtens waren. Wenn dies nicht zutraf, stellt sich in jedem einzelnen Fall die Frage nach Verjährung der Ansprüche.
Bisher urteilte der BGH durchaus kundenfreundlich: Im Februar erstritt die Verbraucherzentrale Sachsen ein Grundsatzurteil, wonach die Erhebung von Negativzinsen aufgrund einer intransparenten Vereinbarung unzulässig ist. Zum Hintergrund: Die Europäische Zentralbank hatte ihren Einlagezins für Banken über mehrere Jahre im Minusbereich gehalten, was die Geldhäuser an einen Teil ihre Kundschaft weiterreichten. Dieser erhielt keine Zinsen, sondern musste sogar selbst welche zahlen. 2023 hatten Verbraucherschützer ein BGH-Urteil als Erfolg verbucht, das zu erheblichen Nachzahlungen aus langlaufenden Prämiensparverträgen führte.
Kreditinstitute stützten die Preiserhöhungen und andere Vertragsanpassungen auf eine sogenannte Zustimmungsfiktionsklausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Sie besagt, dass Änderungen in einem Vertrag als akzeptiert gelten, wenn Kunden nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums widersprechen. In der Praxis wird in solchen Fällen auch von einer stillschweigenden Zustimmung ausgegangen.
»So war auch bei Banken und Sparkassen jahrelang das übliche Prozedere«, kritisiert der Verbraucherzentrale-Bundesverband (VZBV). »Reagierten die Kund*innen nicht innerhalb der gesetzten Frist, galt die Zustimmung zu den neuen Bedingungen als erteilt.« Im April 2021 urteilte der Bundesgerichtshof erstmals zugunsten des VZBV und erklärte die stillschweigende Zustimmung in den AGB der Postbank für unwirksam. Begründung: Die Klausel sei zu weitreichend und benachteilige Verbraucher unangemessen (Az.: XI ZR 26/20).
Das Verfahren hatte Signalwirkung für die gesamte Bankenlandschaft in der Bundesrepublik, da zahlreiche Geldinstitute ähnliche oder identische Vertragsklauseln nutzten. Es folgten mehrere Musterfeststellungsklagen. Dabei zieht nicht jeder einzelne Betroffene für sich vor Gericht, sondern Verbraucherschutzverbände klagen für alle. So erklärte das Berliner Kammergericht im März 2024 die einseitigen Gebührenerhöhungen der dortigen Sparkasse für unwirksam (Az:. 26 MK 1/21). Diese hatte bereits 2016 ihre Preise für Girokonten erhöht. Die Zustimmung des Kunden galt als erteilt, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten ablehnte. Zwei Tage nach Verkündung des BGH-Urteils im April 2021 strich die Berliner Sparkasse die umstrittene Zustimmungsfiktionsklausel plötzlich, aber sie lehnte die Erstattung bereits gezahlter Gebühren und Entgelte mit der Begründung ab, die Verbraucher hätten über mindestens drei Jahre unbeanstandet gezahlt.
Über diese Frage werden nun die Karlsruher Richter entscheiden. Es geht in dem Verfahren darum, ob Millionen Bankkunden grundsätzlich Anrecht auf Erstattung zu viel gezahlter Gebühren und Entgelte haben und ab wann diese Ansprüche verjährt sind. Verbraucherschützer sind der Meinung, dass dies erst nach zehn Jahren der Fall sein soll. Bislang gibt es dazu bundesweit einige Urteile unterer Instanzen, die in ihrem Tenor uneinheitlich sind. So ging etwa das Kammergericht Berlin von einer dreijährigen Verjährung aus. Betroffene können übrigens mit einem Forderungsschreiben ihre Ansprüche geltend machen.
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