Bundeswehr in Schulen: Pazifismus neu definiert

Die Grünen-Politikerin Mona Neubaur spricht sich für die Bundeswehrbesuche an Schulen aus

In den Schulklassen wird auch über auch die internationalen Krisen und Konflikte gesprochen. Die Einrichtungen haben die Hoheit darüber, welche Referenten sie einladen. Es müssen keine Vertreter der Bundeswehr sein.
In den Schulklassen wird auch über auch die internationalen Krisen und Konflikte gesprochen. Die Einrichtungen haben die Hoheit darüber, welche Referenten sie einladen. Es müssen keine Vertreter der Bundeswehr sein.

Nordrhein-Westfalens stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) hat sich für mehr Präsenz der Bundeswehr an Schulen ausgesprochen und erntet dafür scharfe Kritik. Dabei stellen ihre Aussagen keinen Paradigmenwechsel bei den Grünen dar. Seit Russlands Überfall auf die Ukraine vollzog sich bei führenden Grünen-Funktionären ein Sinneswandel bezüglich der Bundeswehr.

Neubaur, die auch Wirtschaftsministerin in NRW ist, stellte im Interview mit der »WAZ« klar, dass Schulen sicher keine Orte seien, an denen rekrutiert werden sollte – so steht es auch im Gesetz. Dennoch begrüßt sie, dass »Soldatinnen und Soldaten die Möglichkeit erhalten, mit jungen Menschen ins Gespräch zu kommen, um ihnen zu erklären, in welcher Welt sie aufwachsen und welche Rolle die Bundeswehr darin übernimmt«.

Pazifismus bedeute heute auch, dass die »Demokratie für den Ernstfall Zähne braucht«, so Neubaur. »Wenn Völkerrecht in Faustrecht verwandelt wird, wie wir es seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine erleben, führt das Motto ›Frieden schaffen ohne Waffen‹ allein nicht weiter.« Wer eine wertebasierte Friedensordnung gegen ihre Feinde verteidigen wolle, müsse auch militärisch dazu in der Lage sein. Mit dem Interview möchte sie erreichen, dass die Parlamentsarmee wieder stärker mit allen Gesellschaftsteilen ins Gespräch kommt – auch mit Kindern und Jugendlichen an Schulen.

Michael Schulze von Glaßer, politischer Geschäftsführer der »Deutschen Friedensgesellschaft – vereinigte KriegsdienstgegnerInnen«, wendet ein: Soldatinnen und Soldaten dürften nur über militärische Sicherheitspolitik informieren – also darüber, wie man Konflikten mit Gewalt begegnet. Er hinterfragt gegenüber dem »nd«, ob es Ziel sein solle, Schülerinnen und Schülern kriegerische Konfliktlösungen näherzubringen. Das stehe nicht im Einklang mit Paragraf 2 des NRW-Schulgesetzes: »Dort heißt es, dass die Jugend zu einer Friedensgesinnung erzogen werden soll. Das können Soldatinnen und Soldaten nicht leisten – sie kennen sich mit ziviler und gewaltfreier Konfliktlösung nicht aus.« Deshalb hält er Bundeswehr-Besuche an Schulen aus pädagogischer Sicht für bedenklich.

Ayla Çelik, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in NRW, gibt gegenüber dem »nd« zu bedenken, dass gerade junge Menschen empfänglich für gezielte Rhetorik seien und vor eventueller Manipulation geschützt werden müssten. Der Fokus in der Schule sollte eher auf Friedenserziehung, Demokratieförderung sowie Gewaltprävention liegen. Die Einrichtungen dürften »keine Rekrutierungszentren« für das Militär werden, verlangte sie.

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Aber ist das tatsächlich zu befürchten? Laut einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem NRW-Schulministerium und dem Wehrbereichskommando II dürfen Soldatinnen und Soldaten bereits seit Jahren in Klassenzimmer kommen. Das Schulministerium fördere den Austausch mit dem Landeskommando und den Jugendoffizieren der Bundeswehr, »um die schulischen Angebote weiterzuentwickeln«, erklärte Bildungsministerin Dorothee Feller (CDU) vor einem Jahr im Landtag. Jugendoffiziere dürfen jedoch nur über globale Konfliktverhütung und Krisenbewältigung informieren. Werbung für ihren Dienstherrn ist ausdrücklich verboten.

Grundsätzlich haben die Schulen allerdings das Recht, zu entscheiden, ob sie die Bundeswehr einladen oder bei Diskussionen über globale Konflikte lieber auf Akteure der Friedensbewegung setzen.

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