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Schulden der USA: Weltmacht auf Kredit
Die Steuesenkungspläne von US-Präsident Donald Trump bedeuten Billionen Dollar neue Schulden. Eurpoa wittert eine »Chance« für den Euro.
Die US-Regierung startet eine neue Offensive, um die ökonomischen Grundlagen ihrer Weltmacht zu festigen. Der geplante neue Haushalt soll die USA zum Magneten für Kapital aus aller Welt machen. Steuersenkungen sollen Investorengelder in die Vereinigten Staaten lenken. Die »Big Beautiful Bill« von Präsident Donald Trump kostet Billionen von Dollar und wird den bereits riesigen Schuldenberg Washingtons weiter erhöhen. Damit nutzt die US-Regierung eine Basis ihrer Weltmacht, ihre Kreditwürdigkeit, und gefährdet sie zugleich. Darin sieht man in Europa eine »Chance« für den Euro.
Das derzeit im US-Kongress verhandelte Fiskalpaket kostet laut Allianz Research mehr als vier Billionen Dollar, also 4000 Milliarden Dollar. Davon seien etwa drei Billionen Dollar nicht finanziert. Würden die »vorübergehenden« Steuersenkungen dauerhaft gemacht, kämen in den nächsten zehn Jahren zusätzliche Schulden in Höhe von fünf Billionen Dollar hinzu. Zum Vergleich: Der Inflation Reduction Act von Trump-Vorgänger Joe Biden kostete eine halbe Billion Dollar, die vollständig durch Steuererhöhungen finanziert waren.
Elon Musk: »Widerwärtige Abscheulichkeit«
Profiteure des Trumpschen Fiskalpakets werden die Reichen sein. Laut Tax Policy Center gehen zwei Drittel der Steuersenkungen an das oberste Fünftel der Einkommensbezieher, davon ein Viertel an die obersten ein Prozent. Den Preis dafür zahlen Haushalte mit niedrigem Einkommen, vor allem durch Kürzungen bei der Gesundheitsversorgung und Lebensmittelmarken.
Trumps oberster Sparkommissar, Tesla-Chef Elon Musk, bezeichnete in einem Social-Media-Beitrag den Ausgabenentwurf des Kongresses als »widerwärtige Abscheulichkeit« – allerdings nicht wegen der unsozialen Maßnahmen, sondern wegen der hohen Staatsausgaben.
In den absehbar steigenden Schulden sieht US-Finanzminister Scott Bessent allerdings kein Problem. Denn Trumps Fiskalpaket werde das Wirtschaftswachstum ankurbeln, wodurch die USA aus ihren Schulden herauswüchsen. Ob das klappt, steht in den Sternen. Sicher ist dagegen: »Der Gesetzentwurf erhöht die Verschuldung um Billionen von Dollar, und das gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem Investoren bereits Zweifel an der US-Verschuldung haben«, erklärt Allianz Research.
»Mit Fiskalpaket oder ohne – die Entwicklung der US-Schulden ist langfristig untragbar.«
ABN Amro
Bereits heute liege die US-Schuldenquote bei 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und damit so hoch wie zu Ende des Zweiten Weltkriegs. Der aktuelle Vorschlag werde die Schuldenquote bis zum Jahr 2034 auf knapp 130 Prozent des BIP treiben. »Mit dem Fiskalpaket oder ohne – die Entwicklung der US-Schulden ist langfristig untragbar«, urteilt die Bank ABN Amro. Die Zollpolitik Trumps, die daraus folgende Unsicherheit sowie die steigenden Schulden »bringen uns näher an den Punkt, an dem die Märkte dies nicht mehr akzeptieren werden«.
Nicht vor dem Unmut der Armen wird Trump also gewarnt, sondern vor dem Unmut der Reichen – der globalen Finanzanleger. Denn auf ihr Vertrauen ist Washington angewiesen. Ausländische Investoren halten aktuell etwa ein Drittel der US-Schuldscheine im Wert von 30 Billionen Dollar. Sie sollen den USA weiter Geld leihen, indem sie US-Staatsanleihen kaufen und so Trumps Weltmarkt-Eroberungsprogramm finanzieren.
Neue Idee: Strafen für Kapitalabzug
Für Unruhe bei ihnen sorgt aber nicht nur die Zollpolitik der US-Regierung. Mit Unbehagen werden auch in Regierungskreisen kursierende Ideen wie der Miran-Plan gesehen. Laut diesem Plan würden die USA ausländische Gläubigerländer drängen, ihre Kredite an die USA auf ewig zu verlängern, andernfalls könnten die USA die militärische Unterstützung entziehen.
Das sind zwar noch vage Ideen, eher Drohungen. Im neuen Fiskalpaket aber findet sich bereits eine konkrete Bestimmung, die den Abzug von Kapital aus den USA quasi unter Strafe stellt: Der Abschnitt 899 über »unfaire ausländische Steuern« sieht Strafabgaben für Personen, Investoren und Unternehmen aus Ländern vor, deren Steuern dem Kongress missfallen. Darunter könnte die europäische Digitalsteuer (DST) fallen, die vor allem amerikanische Tech-Giganten betrifft, oder eine Regelung zur Mindestbesteuerung von Gewinnen, die sicherstellen soll, dass multinationale Unternehmen eine globale Mindeststeuer zahlen. Auf der schwarzen Liste würden wahrscheinlich die meisten Mitglieder der Europäischen Union sowie Australien, Kanada, Südkorea und andere stehen.
Abschnitt 899 sieht im ersten Jahr einen Steuerzuschlag von fünf Prozent vor, der bis maximal 20 Prozent steigen könnte. Fällig würde er für internationale Investoren, die ihre Kapitalgewinne aus den USA abziehen, aber auch für Unternehmen, die die Gewinne ihrer US-Töchter nach Hause bringen wollen. »Insgesamt handelt es sich um einen radikalen Akt des Steuerprotektionismus«, wütet der britische »Economist«, »einen nahezu beispiellosen Plan, das amerikanische Steuerrecht als Druckmittel einzusetzen, um andere Länder in die Schranken zu weisen.« Würde dieser Plan umgesetzt, mache dies die USA für viele Ausländer praktisch unattraktiv.
Eine Währung, sie alle zu binden
Würden sich die globalen Finanzanleger plötzlich weigern, den USA Kredit zu geben, wären die Vereinigten Staaten allerdings nicht gleich pleite. Schließlich sind sie im Wesentlichen in ihrer eigenen Währung verschuldet, die sie jederzeit schaffen können. »Eine Zahlungsunfähigkeit aufgrund ausbleibender Kapitalzuflüsse oder einsetzender Kapitalabflüsse ist daher kaum zu erwarten«, erklärt die Commerzbank. Unwahrscheinlich seien auch massive Umschichtungen der ausländischen Investoren, also eine regelrechte Flucht aus dem Dollar. Denn es gibt neben den USA schlicht keinen Finanzmarkt, der groß genug wäre, um die frei werdenden Mittel in Billionenhöhe »umzuparken«.
Noch ist die Finanzwelt also an den US-Dollar gebunden. Dennoch könnten Zweifel in die Attraktivität des Anlageziels USA dazu führen, dass von Washington deutlich höhere Zinsen für neue Kredite verlangt werden. Und das kann zu einem Problem werden. Denn laut Berechnungen des unparteiischen Congressional Budget Office (CBO) vom März erreichen die Zinskosten bereits dieses Jahr den Rekordwert von 3,2 Prozent des BIP. Damit übersteigen sie die Ausgaben für Verteidigung und Medicare. Im Jahr 2055 müssten 5,4 Prozent des BIP für Zinszahlungen aufgewandt werden. Ab 2045 werde der durchschnittliche Zinssatz für Schulden über der Rate des Wirtschaftswachstums liegen, so das CBO, »und damit den Beginn einer Schuldenspirale auslösen«.
Für Hoffnung sorgen die Zweifel der globalen Anleger an der US-Regierung und dem Dollar bei den Herren der Weltwährung Nummer Zwei, dem Euro. Die allgemeine Unsicherheit sei »weniger eine Bedrohung als vielmehr eine Chance«, sagte jüngst Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank. Auch laut Marieke Blom, Chefökonomin der niederländischen Großbank ING, »hat die EU nun die einmalige Chance, die Zweifel der Anleger zu nutzen und den Euro als internationale Reservewährung zu fördern, was erhebliche wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen würde.«
Die Zollpolitik der US-Regierung und die steigenden US-Schulden nähren an den Finanzmärkten Zweifel an der Solidität der USA und des Dollar. Darin sieht Europa eine Chance, die globale Rolle des Euro zu stärken. Dies hätte erhebliche wirtschaftliche Vorteile für die Euro-Zone.
Erstens bedeutet eine größere Nachfrage nach Euro günstigere Kreditkosten für die Regierungen und Unternehmen in der EU. Zweitens sorgt die Positionierung des Euro als alternativer sicherer Hafen des Weltkapitals für Stabilität in Krisen. Eine Flucht in Euro-Anlagen in Zeiten wirtschaftlicher Belastungen würde die Finanzierungskosten für europäische Regierungen senken und ihnen mehr Mittel zur Stabilisierung ihrer Volkswirtschaften verschaffen.
Dritter Vorteil eines »Global Euro« ist »ein größeres geopolitisches Gewicht für Europa«, so die französische Ökonomin Hélène Rey. Dies würde allerdings umgekehrt auch eine relative Schwächung der USA und ihres Dollar bedeuten. kau
Um diesen »einzigartigen historischen Moment zu nutzen«, müsse Europa schnell handeln und ein Konkurrenzprodukt zu US-Staatsanleihen kreieren. »Es ist an der Zeit, das Tabu der Ausgabe gemeinsamer Schuldtitel durch die EU, die von den Mitgliedstaaten unterstützt werden, zu brechen«, so Blom. Gemeinsame EU-weite Anleihen würden allerdings bedeuten, dass die Euro-Staaten sich gemeinsam verschulden. Gegen eine solche »Schuldenunion« jedoch ist bislang insbesondere die Bundesregierung, weil sie es ablehnt, im Krisenfall für andere Euro-Länder zu haften. Wie bei der Aufrüstung gilt für die EU-Staaten also auch beim Thema Schulden: Weltmächte sind sie nur gemeinsam.
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