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Mies van der Rohe Haus: Wie eine große Oper

Wita Noack, Direktorin des Museums in Berlin-Hohenschönhausen, tritt schwungvoll von der Bühne ab

  • Interview: Danuta Schmidt
  • Lesedauer: 6 Min.
Im Juni 2024 besuchte der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Mies van der Rohe Haus. Direktorin Wita Noack (r.) führte ihn herum.
Im Juni 2024 besuchte der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Mies van der Rohe Haus. Direktorin Wita Noack (r.) führte ihn herum.

Sie sind seit wenigen Tagen nicht mehr Museumsdirektorin. Was nun?

Ich muss loslassen üben. Ich habe mir viele Bücher geholt in der Bibliothek und kann endlich mal wieder in Ruhe lesen.

33 Jahre in einem Haus – für eine Kunsthistorikerin ist das eher untypisch.

Ich bin keine Karrieristin. Andernfalls wäre ich nicht so lange an diesem Ort geblieben. Im Osten mussten wir bei null anfangen nach der Wende. Man musste sich alles schwerer erkämpfen. Wir machen hier aus wenig viel. Das ist auch eine Kunst. Ein weiterer Punkt ist, dass ich glaube, dass die aktuelle Zeit gerade nicht so viel Interesse an der klassischen Moderne hat.

Wie wird das Museum im Jahr 2025 oft verstanden?

Ich mache mir etwas Sorgen, dass von der Museumsarbeit immer mehr erwartet wird, was eher von den wesenhaften Inhalten wegführt. Außerdem sollen die sogenannten Schwellen immer niedriger gehalten werden. Ich sage aber immer, dass wir anspruchsvolle, ernsthafte und vor allem ästhetisch hochwertige Angebote machen müssen. Man will ja in die Höhen der Kultur aufsteigen.

Schweben im Museum?

Genau. Eben nicht wieder Alltag, sondern Poesie. Im Mies van der Rohe Haus hast du so viele Möglichkeiten, auch als nicht besonders Vorgebildeter auf diesem Gebiet, den Ort auch über die Sinne zu begreifen: Licht, Materialität, Proportionalität, Offenheit. Die Leute kommen und sagen: Ist das schön! Im Mies-Haus ist das anders als in anderen Museen. Es hat so viele Ansätze. Da gibt es Besucher, die den Garten sehen wollen, die japanische Kirsche oder die ein Einfamilienhaus sehen wollen und wie man wohnt. Du ermöglichst an diesem kleinen Ort auch ein Gefühl für Weite, Größe und Ruhe. Andere interessieren sich für die wechselvolle Geschichte oder für die Bautechnik, also wie sind die Glasfassaden oder wie ist die Entwässerung im Flachdach gelöst, für die denkmalgerechte Sanierung.

Sanierung ist ja ein großes Feld in der Architektur. Was saniert man originalgetreu, welche technischen Fehler bessert man heute aus?

Die Sanierung erfolgte 2000 und da gab es noch eine andere Auffassung in der Denkmalpflege: Wollen wir Geschichte oder Kunst? Wir haben uns damals für die Kunst entschieden, was uns auch viel Ärger eingebracht hat. Aber es geht ja letztendlich um den Mies und das Baukunstwerk. Dass dieses Haus auch so eine tragische Geschichte hat, das fand ich eher wichtig zu überwinden.

Eine mutige Haltung, sich für hohe Kunst in Hohenschönhausen in diesem Haus stark zu machen …

Es gab Anfeindungen, ich solle es einrichten wie bei Lemkes, im Sinne eines Hausmuseums. Die nächsten sagten: Es soll ein Mies-Museum werden oder ich solle Architekturwettbewerbe oder regionale Kunst zeigen. Mein Konzeptansatz hieß: »Lebendiges Baudenkmal«. Bei allen unseren Ausstellungen waren das Haus selbst, die Geschichte, die Proportionen immer Thema. Jeder Künstler hat sich direkt auf den Ort sowie auf Mies van der Rohe bezogen. Man kann das ja feinfühlig mit der Jetzt-Zeit verbinden. Und warum interessiert uns überhaupt Geschichte? Weil wir Schlussfolgerungen für heute haben wollen. Wir wollen aus der Geschichte lernen. Man bewertet auch die Geschichte immer aus der Gegenwart heraus. Es entwickelt sich ja alles – und in drei Jahren ist es wieder anders.

Interview

Wita Noack leitete 33 Jahre lang das Mies van der Rohe Haus in Berlin-Hohenschönhausen. Die gebürtige Bautznerin (Jahrgang 1959) hat sowohl Maschinenbau, Denkmalpflege als auch Kulturwissenschaften studiert. Als Lehrbeauftragte für Baugeschichte arbeitete sie an der Hochschule Anhalt. Bevor sie das Mies van der Rohe Haus zu ihrem Lebenswerk machte, hatte sie das Gebäude auf einem Spaziergang entdeckt. Zuletzt hatte das von dem berühmten Bauhausarchitekten Mies van der Rohe entworfene Haus als Wäschekammer des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit gedient. Vor einigen Wochen trat Noack in den Ruhestand. Ohne sie gäbe es das Haus heute vielleicht nicht mehr.

Wie haben Sie Maler, Architekten, Fotografen, Glaskünstler, Keramiker gefunden?

Die Themen wurden immer aus dem Ort heraus entwickelt. Entsprechend wurden die Künstler dazu ausgewählt. Beim Jahresthema »Elementare Gefäße« war es nicht in erster Linie die Keramik, die im Fokus stand, sondern die Raumauffassung seiner Zeit und seines Architekten: Ludwig Mies van der Rohe. Das Haus Lemke ist ein Gefäß. Auch in der Keramik fragt man sich: Was ist die einfachste Form, die richtige Form? Welche Form ist schön? Immer, bei allem, waren es auf das Wesentliche heruntergebrochene Fragen. Ich habe mich immer bemüht, ganz adäquat auf dieses Haus zu reagieren, inhaltlich, mit dem Publikum. Ich habe mich immer bemüht, eine gewisse Neutralität auch hier zu wahren. Es gibt bestimmte Kulturorte, da merkst du gleich: »Oh Szene!«. Da gehöre ich nicht hin. Und beim Mies-Haus waren immer alle da, alle Generationen, Ost und West, Jung und Alt, aus Japan, Rumänien, Schottland. Es ist ein Ort für alle.

Sie haben die Gäste immer mit Sonnenbrille begrüßt bei einer Vernissage. Sind Sie so introvertiert?

Wenn man in der Öffentlichkeit steht, trägt man auch seine Haut zum Markte. Die Brille war meine Arbeitsschutzbekleidung. Es war auch das helle Licht im Haus. Dieses Weiß, die großen Fensteröffnungen, die Reflexionen des Sonnenlichtes. Es war eine Mischung aus allem. Ich saß auch schon mit drei Jahren mit Sonnenbrille unterm Weihnachtsbaum.

Worauf basierte die Zusammenarbeit?

Ich hatte wahnsinnig Glück durch viele Unterstützer. Manche haben mich über einen langen Zeitraum begleitet, andere über eine kurze Zeit. Aus den Reihen der Mies-Forscher habe ich ebenfalls viel Rückenwind erhalten. Das Designbüro NAROSKA oder der Verlag form+zweck haben mich mit Wort und Tat unterstützt und geprägt. Das Haus kann sich auch glücklich schätzen, so einen guten Freundeskreis zu haben. Der Vereinsvorstand und der Beirat aus internationalen Experten bilden ein gutes Rückgrat für das Haus. Kürzlich war ich im Gespräch mit dem Künstler Joerg Waehner. Er gestaltete unter anderem die legendären Feste wie die Bauhaus-Feier 2019. Man konnte den Mies auf Rädern durch den Garten ziehen. Wir haben uns gewundert, wie viele gute Projekte in den 25 Jahren entstanden sind. Es war über all die Jahre wie ein Gesamtkunstwerk. Wie eine große Oper.

Welche Haltung vertreten Sie?

Man sollte nicht den kurzfristigen Moden folgen, sondern sich auf die Kernaufgabe von Museen konzentrieren. Man darf sich nicht verlieren. Heutzutage werden den Museen einfach zu viele Aufgaben von außen übergestülpt. Bei einem Museum geht es um geistig-ästhetische Fragen. Man verliert sonst den Blick für das Wesentliche. Man muss das Haus mit einer Idee identifizieren. Sonst rutscht es ab. In Beliebigkeit.

Während Sie das Niveau hochhielten, bauten Sie nach außen auch Schwellenängste ab: Das Museum kostet keinen Eintritt.

Diese Entscheidung hat der Träger, das Bezirksamt Lichtenberg von Berlin, gefällt. Ich denke, es ist ein wichtiges Angebot, dass man ein Kunstwerk von Mies mitsamt den Angeboten und dem Garten frei erleben kann. Das Haus gibt seinen Besuchern viel Glück und Erkenntnis. Aber das Haus ist inzwischen dem Bezirk etwas entwachsen. Als eine internationale Kunstinstitution in einem Mies-Bau gehört es sicherlich eines Tages in eine bessere Förderstruktur.

Ihr Lebenswerk führen jetzt neue Leute weiter. Wie gehen Sie damit um?

Ich muss loslassen und vertrauen. Das Feld ist gut bestellt und auf der Basis kann der oder die Neue jetzt starten. Wenn sie wollen, dass ich sie unterstütze, bin ich dabei. Ich hätte das auch noch zehn Jahre machen können. Aber man ist ja als Mensch nicht endlos kreativ. Ich habe Vertrauen in die positive Energie der Architektur.

Haus Lemke, Oberseestraße 60, Berlin-Hohenschönhausen, www.miesvanderrohehaus.defa

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