- Wirtschaft und Umwelt
- Maritimes
Schwer belastete Ostsee
In Nordeuropas Randmeer zeigt sich, was anderen Ozeanen noch bevorsteht
Die Ostsee, die international Baltisches Meer genannt wird, ist überwiegend ein flaches Gewässer. Selbst ihre durchschnittliche Tiefe beträgt wie die eines Baggersees im Binnenland lediglich 52 Meter – beim Mittelmeer sind es 1438 Meter. Weil viele große Flüsse in die Ostsee entwässern, ist sie ein Brackwassermeer mit geringer Biodiversität. Durch den Einfluss des Süßwassers aus den Flüssen ist der Salzgehalt deutlich niedriger als in der Nordsee. Die Ostsee kennt keine Gezeiten, und für den Wasseraustausch mit dem Atlantik gibt es nur kleine Meerengen. Sie erwärmt sich daher viel schneller als andere Küstenregionen. All diese Aspekte machen die Ostsee zu einem idealen Untersuchungsgebiet, um zu erkennen, was anderen Meeren in Zukunft bevorsteht.
Doch das eigentliche Problem liegt an Land. Man müsste es da auch lösen. »Wenn es in der Ostsee ist, ist es eigentlich schon zu spät«, sagt Uwe Krumme, stellvertretender Leiter des staatlichen Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock. Als Beispiel nennt der Meeresbiologe die Nährstoffbelastung des Meeres, die zu zwei Dritteln aus der Landwirtschaft kommt. Übermäßige Nährstoffe führen zu einer übermäßigen Algenblüte, die der Ostsee Sauerstoff entzieht, was Flora und Fauna belastet.
Der deutsche Beitrag setzt sich etwas anders zusammen: Mit mehr als 50 Prozent stammt der größte Anteil aus der Atmosphäre. Stickstoff gelangt in erster Linie über Verbrennungsprozesse in Kraftwerken oder Dieselmotoren in das Meer. An zweiter Stelle folgen Düngemittel aus der Landwirtschaft, dritte große Quelle sind Industrie- und Haushaltswässer.
Die Folgen spüren die Fischer. Während in Schleswig-Holstein der gefährdete Dorschfang dominiert, ist der Hering für die Fischer in Vorpommern der Brotfisch. Doch die erlaubten Fangmengen mussten in den vergangenen Jahren von den Regierungen drastisch reduziert werden, von rund 200 000 auf weniger als 5000 Tonnen. Daher erleiden die Fischer im Nordosten den zweiten großen Strukturwandel seit der Wiedervereinigung. Damals gab es 1200 Kutter, heute sind es nur noch rund 150 Boote. Und nun produziert der Heringsbestand der westlichen Ostsee auch noch immer weniger Nachwuchs. Wissenschaftler führen dies hauptsächlich auf die Erwärmung des Meeres entlang der Laichwanderrouten sowie auf die Veränderung der jahreszeitlichen Abfolge zurück. Weil die Winter wärmer sind, gerät die bewährte Art der Nachwuchsproduktion aus dem Takt.
Die neue Bundesregierung müsse auch vor den eigenen Küsten Verantwortung übernehmen, fordert daher die Umweltorganisation BUND. »Dazu gehört, dass endlich die deutschen Meeresschutzgebiete konsequent geschützt werden«, sagt Verbandsvorsitzender Olaf Bandt. Noch immer würden große Teile dieser Gebiete durch Grundschleppnetze der Fischer zerstört. Diese Fangmethode müsse in den deutschen Naturschutzgebieten dringend ausgeschlossen werden, fordert Bandt. Die zerstörerische Fangmethode setze zudem große Mengen des in den Sedimenten am Meeresboden gespeicherten Kohlenstoffs frei – mit Folgen für das Klima. Meeresböden, allen voran kohlenstoffreiche Schlickgebiete wie in der Ostsee, zählen zu den wichtigen natürlichen CO2-Senken auf der Erde. Werden sie gestört, wirkt sich dies aufs Klima aus.
Ein Dutzend Umweltverbände haben sich anlässlich der UN-Ozeankonferenz in Nizza mit einem achtseitigen Forderungskatalog an die schwarz-rote Bundesregierung gewandt. Demnach solle bis 2030 der Eintrag von Nähr- und Schadstoffen um 50 Prozent reduziert werden. Agrarsubventionen müssten so eingesetzt werden, dass sie dem Schutz von Land, Flüssen und Meeren dienten. Politisch scheinen solche Forderungen kaum durchsetzbar.
Dabei geht es längst nicht mehr allein darum, die weitere Zufuhr von Nährstoffen zu begrenzen, sondern auch darum, wie die vorhandenen wieder aus der Ostsee herauskommen, mahnt das Thünen-Institut. Selbst wenn der Eintrag ab sofort gestoppt wird, würde es mindestens 30 Jahre dauern, bis sich die Nährstofffrachten spürbar reduzieren. An dieser Stelle kommen die Fischer wieder mit ins Boot. Bis vor wenigen Jahren wurden Nährstoffe in Form von Fisch aus dem Meer entnommen. Inzwischen sind die Bestände so klein, dass keine nennenswerten Mengen mehr geerntet werden.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.