Die Lausitz zieht Medizinprofessoren an

27 laufende Berufungsverfahren für die neue Universitätsklinik in Cottbus

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Eine medizinisch-technische Assistentin im Labor der Carl-Thiem-Universitätsklinik
Eine medizinisch-technische Assistentin im Labor der Carl-Thiem-Universitätsklinik

Gut die Hälfte der Hausärzte in der Lausitz sei älter als 55 Jahre, 28 Prozent der Hausärzte seien sogar über 60 Jahre alt, sagt Professor Eckhard Nagel. Das bedeutet, diese Mediziner werden im Laufe der kommenden Jahre in den Ruhestand treten. Nach den Worten von Nagel lässt sich ermessen, »wie die Welle heranrollt«. Für Ersatz kann der Professor so schnell nicht sorgen. Das vor einem Jahr zur Universitätsklinik Lausitz aufgewertete, vorher städtische Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus will die ersten Studierenden im Wintersemester 2026/27 aufnehmen – und selbst das ist ein ambitionierter Plan. Es wird also nach Einschätzung von Professor Nagel noch zehn Jahre dauern, bis Absolventen soweit sind, sich als Hausärzte niederzulassen.

Dem Ärztemangel in der Lausitz perspektivisch abzuhelfen, ist aber durchaus eines der Ziele der Medizinischen Universität Lausitz »Carl Thiem« (MUL-CT), wie Gründungsvorstand Nagel am Mittwoch im Wissenschaftsausschuss des Landtags erläutert. Im Ausschuss lassen sich die Abgeordneten quartalsweise informieren, wie es vorwärtsgeht.

Bisher hat das Land Brandenburg seine Ärzte nicht selbst ausgebildet. An einem Medizinstudium interessierte Schulabgänger gingen und gehen vorzugsweise nach Berlin und Greifswald. Seit 2014 gab es immerhin die kleine private Medizinische Hochschule »Theodor Fontane« in Neuruppin – inzwischen ebenfalls Universitätsklinik und mit Fördermitteln des Landes versehen. Aber ein staatliches Medizinstudium in Brandenburg, das ist neu.

»Wir hatten eine hohe Schlagzahl im letzten Jahr«, erkennt der Abgeordnete Michael Schierack (CDU) die beim Aufbau erzielten Fortschritte an. Schierack ist selbst Medizinprofessor. Die Orthopädie ist sein Metier. Mit dem Chirurgen Nagel kann er sich auf einer fachlichen Ebene austauschen, die für andere Politiker zu hoch wäre. Sie beide wissen, was die »heterologe Stammzellenspende« für die moderne Krebstherapie bedeutet.

Dass Nierentransplantationen künftig in Cottbus vorgenommen werden sollen, erfährt Schierack auf Nachfrage. Von Verpflanzungen von Herz, Leber und Lunge werde aber abgesehen. Solche Eingriffe sind selten und kompliziert. Da sind die Patienten weiterhin in Leipzig, in Dresden und an der Berliner Charité besser aufgehoben. Für viele andere Therapien werden sie den weiten Weg jedoch künftig nicht mehr auf sich nehmen müssen.

Insgesamt soll sich die medizinische Versorgung in der Lausitz nicht allein in Cottbus verbessern. Es sollen alle noch existierenden anderen Krankenhäuser der Region etwas davon haben, dass in der Lausitz-Metropole Mediziner herangebildet werden, wie Nagel versichert.

»Gebäude sind ja sicher noch nicht alle fertig. Das konnte man auch nicht erwarten«, sagt der Abgeordnete Schierack. 900 Millionen Euro sollen nach Auskunft von Professor Nagel in den kommenden sieben Jahren erst noch verbaut werden. Weil der Bund das finanziert, hat er bei der Architektur ein Wörtchen mitzureden. Für die ersten Studierenden behilft sich die MUL-CT mit Provisorien. Einige Räumlichkeiten werden übergangsweise bezogen, Laborflächen werden ertüchtigt und es wird zunächst ein Trakt genutzt, der bisher die Notaufnahme des Thiem-Klinikums beherbergte.

Als Vorurteil hat sich die Ansicht herausgestellt, niemand werde einen Lehrstuhl an einer völlig neuen Universitätsmedizin annehmen wollen und schon gar nicht in der abgelegenen Lausitz. »Ich bin schon lange im Geschäft und war immer schon stolz, wenn ich mal zwei Berufungsverfahren gleichzeitig laufen hatte«, erzählt Nagel. Nun aber laufen ihm zufolge für die Cottbuser Universitätsmedizin gleich 27 Berufungsverfahren. Für Bayreuth in Bayern habe er zwei Jahre vergeblich jemanden für die Allgemeinmedizin gesucht und diesen Lehrstuhl mangels Bewerbern bis heute nicht besetzen können, berichtet der Professor. Für Cottbus liegen ihm jetzt acht »hochkarätige Bewerbungen« für den Lehrstuhl für Allgemeinmedizin vor. Auch sonst gelte: »Wir haben eine exzellente Bewerber*innenlage.« Das Projekt habe in Kreisen der Wissenschaft »sehr positiv« von sich reden gemacht. Ein Chefarzt für die Neurochirurgie sei derweil schon berufen.

Auf zehn Minuten Redezeit soll sich Professor Nagel für seine einleitenden Bemerkungen beschränken, damit anschließend genug Zeit für die Beantwortung von Nachfragen bleibt. Nagel überzieht deutlich, benötigt gut 20 Minuten und entschuldigt sich dafür. Doch der Ausschussvorsitzende Reinhard Simon (BSW) tröstet bereitwillig: »Es war kein Wort zu viel.«

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