Festnahme von US-Senator: Der Skandal, der andere überstrahlt

Der Umgang mit Senator Alex Padilla sollte keine Warnung vor der Zukunft sein. Denn für Millionen ist diese längst Realität. Ein Kommentar

Alex Padilla (2.v.r.) wurde unsanft aus der Pressekonferenz gedrängt. Sekunden später lag er in Handschellen gefesselt am Boden.
Alex Padilla (2.v.r.) wurde unsanft aus der Pressekonferenz gedrängt. Sekunden später lag er in Handschellen gefesselt am Boden.

Wie viel mehr Kraft ein Video einer Protestbewegung gegen Polizeibrutalität geben kann, hat sich schon oft gezeigt: Die Aufnahmen von Rodney King und George Floyd waren wohl die schlimmsten Beispiele, die danach auch zu den wirkmächtigsten Demonstrationen gegen rassistische Polizeigewalt in den USA führten. Auch wenn Rassismus im Fall von Alex Padilla womöglich keine Rolle gespielt hat, die rabiate Art, mit der ihn Beamte des Heimatschutzes sowie des FBI am Donnerstag aus einer Pressekonferenz von Donald Trumps Heimatschutzministerin Kristi Noem drängten, auf den Boden zerrten und ihm Handschellen anlegten, schockierte in Windeseile Menschen auf der ganzen Welt. Der demokratische US-Senator aus Kalifornien hatte Noem eine Frage stellen wollen. Dazu kam er nicht. Stattdessen bestätigte die Reaktion der Regierung, dass sie das Reich der Demokratie längst auf direktem Weg in den Autoritarismus verlassen hat.

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Noem versucht, sich und ihre Beamten damit zu rechtfertigen, dass man nicht gewusst habe, wer dieser Fragesteller sei, und man von einer Bedrohung habe ausgehen müssen. Zu dumm nur, dass Padilla für alle gut hörbar sofort gerufen hatte: »Sir, nehmen Sie die Hände weg! Ich bin Senator Alex Padilla.« Die Strategie ist dennoch immer gleich: lügen und den Gegner beschimpfen. Der Chef des Repräsentantenhauses, Republikaner Mike Johnson, fordert dementsprechend schon eine Rüge. Gegen Padilla! Für dessen angeblich ungebührliches konfrontatives Verhalten. Welch Farce!

Die Reaktion von links aber trifft auch nicht den Kern des Skandals. Ja, wenn selbst Senatoren nicht mehr sicher vor Behördenwillkür sind, ist die Kacke so richtig am Dampfen. Und wenn es ein Video gibt, lässt sich der Skandal noch besser ausschlachten. Doch seit der Amtsübernahme von Trump im Januar leben Millionen Undokumentierte in den USA in Angst vor ihrer Abschiebung. Sie haben sich ebenso wie Padilla keines Verbrechens schuldig gemacht, können aber nicht rufen: »Stopp, ich bin Senator!« Und Videos von ihren Festnahmen in den eigenen vier Wänden oder am Arbeitsplatz gibt es fast nie. Hier werden Familien auf ewig auseinandergerissen. Und wenn es zu Fehlern kommt, weil die Einwanderungsbehörde wahllos alle Latinos in einem Baumarkt festnimmt und ihre Papiere für Fälschungen hält, dann warten selbst US-Bürger in Gefängniszellen teils wochenlang auf Gerichtstermine und ihre Freilassung. Der Senator konnte hingegen schon Minuten nach dem Vorfall selbst vor die Presse treten.

Der Umgang mit Alex Padilla ist hier nicht der eigentliche Skandal, sondern die berüchtigte Spitze des Eisbergs. Doch bekanntlich ist meist nur sie sichtbar. Die Größe der angekündigten Proteste gegen Trumps Einwanderungspolitik am Wochenende überall in den USA wird zeigen, ob endlich auch unter die Oberfläche geschaut wird.

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