Korruption: Ethikrat lässt auf sich warten

Im Parlament kommt die Umsetzung des Anti-Korruptionsgremiums nicht voran

  • Marion Bergermann, Straßburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Umsetzung der Ethikbehörde im Europaparlament – hier Straßburg – steht weiter aus.
Die Umsetzung der Ethikbehörde im Europaparlament – hier Straßburg – steht weiter aus.

Die Empörung im EU-Parlament war 2022 groß. Die damalige Vizepräsidentin Eva Kaili, ihr Partner und parlamentarischer Mitarbeiter Francesco Giorgio sowie weitere Personen mussten wegen Korruptionsverdachts vorübergehend ins Gefängnis. Schnell riefen die Abgeordneten nach transparenteren Regeln zur Bekämpfung von Bestechung. Nach viel Ringen im Mai 2024 dann eine konkrete Vereinbarung: Eine Ethikbehörde sollte entstehen und auch die sieben anderen EU-Einrichtungen wie die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank einbeziehen.

»Ein Jahr nach der Unterzeichnung ist es an der Zeit, dass das Parlament zum ersten Treffen einlädt und die Arbeit des Ethik-Gremiums endlich beginnt«, forderte der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund gegenüber »nd«. Aber der Start des institutionenübergreifenden Kontrollgremiums verzögert sich wegen Widerstands von rechts im EU-Parlament immer weiter. Kommende Woche wird es doch keine Abstimmung in Straßburg geben, um die Ethikbehörde formal in die Geschäftsordnung aufzunehmen und damit den Aufbau zu ermöglichen. Weil der Bericht vorher im zuständigen Ausschuss scheiterte, wurde die Abstimmung vom Programm genommen.

Dass das Europäische Parlament als Ganzes nicht über die Änderung der Geschäftsordnung zur Ethikbehörde entscheidet, »ist bitter«, erklärte die SPD-Europaabgeordnete Gaby Bischoff. »Im Plenum hätte es durchaus andere Mehrheiten geben können.« Das Streichen von der Agenda für die Plenartagung in Straßburg ist der formale Schritt nach der Ablehnung im zuständigen Ausschuss.

Der Bericht, um die Ethikbehörde in die Geschäftsordnung des EU-Parlaments aufzunehmen, scheiterte Mitte Mai im Ausschuss für konstitutionelle Fragen (AFCO). Konservative der EVP-Fraktion und Abgeordnete der extrem rechten Fraktionen hatten dagegen gestimmt. Sie lehnen die Einrichtung der Ethikbehörde ab. Scharfe Kritik daran kommt von den Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen.

Auch Bischoff als stellvertretende AFCO-Vorsitzende kritisierte die rechten Fraktionen dafür: »Vor einem Jahr wäre es noch unvorstellbar gewesen, dass ein Bündnis aus Konservativen, Rechten und Faschisten verhindert, dass es eine angemessene Umsetzung der Hausregeln des Parlaments zur Ethikbehörde gibt. Die Sozialdemokratin und Daniel Freund betonten, dass das Parlament sich an die Vereinbarung mit den anderen sieben EU-Einrichtungen halten müsse.

Die beiden Abgeordneten fordern nun eine Umsetzung auf anderen formalen Wegen. Der Grüne Freund schlägt zwei andere Verfahren als den herkömmlichen gescheiterten Weg über die Ausschussabstimmung vor. Einmal über den für die Ethikbehörde zuständigen Vizepräsidenten Esteban González Pons. Dieser habe bereits die Befugnis, ein erstes Treffen der Ethikbehörde einzuberufen, trotz der Ablehnung im Ausschuss. Zum Zweiten über den juristischen Dienst des Parlaments. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola (EVP) hat ihn angewiesen zu überprüfen, inwieweit die Ablehnung des Ausschusses zu der interinstitutionellen Vereinbarung von 2024 passt. Kommen die Juristen zum Schluss, dass die Vereinbarung umgesetzt werden muss, könnte nach Ansicht von Freund die Arbeit des Ethikrats beginnen. Im Ausschuss bleibt es wohl hitzig bei dem Thema. Am 24. Juni besprechen sich die Koordinatoren der Fraktionen erneut dazu. Auch auf anderen Ebenen wird das Thema im Haus weiter diskutiert, heißt es aus dem Parlament.

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