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Linke in Thüringen auf der Suche nach der neuen Rolle

Die Linke in Thüringen muss ihre Wahlniederlage verarbeiten und sich bereit machen für den nächsten Urnengang

Bodo Ramelow, Noch-Ministerpräsident von Thüringen, spricht beim Linke-Landesparteitag.
Bodo Ramelow, Noch-Ministerpräsident von Thüringen, spricht beim Linke-Landesparteitag.

Es ist in der Politik ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Lage sehr ernst ist, wenn einerseits mit bedeutungsschweren Worten hantiert wird und es andererseits sehr kleinteilig wird – und wenn der Schatzmeister die doppelte Redezeit bekommt. So geschehen am Samstag in Weimar, wo sich die Thüringer Linke das erste Mal seit ihrer dramatischen Niederlage bei der Landtagswahl vom 1. September zu einem Parteitag zusammengefunden hat.

Die Partei, die die Landtagswahl 2019 noch mit großem Abstand und einem nie dagewesenen Zweitstimmenanteil von 31 Prozent gewonnen hatte, war dabei auf einen Zweistimmenanteil von nur noch 13,1 Prozent abgestürzt. Für das als Linke-Abspaltung neu gegründete BSW, für die CDU und vor allem für die in Thüringen als rechtsextrem eingestufte AfD hatten bei dieser Wahl viel mehr Menschen gestimmt als für die Wahlsieger von vor fünf Jahren. Bodo Ramelow, der bislang einzige linke Ministerpräsident Deutschlands, wird deshalb in den nächsten Wochen aus der Thüringer Staatskanzlei ausziehen und sein Büro an den CDU-Parteivorsitzenden Mario Voigt übergeben müssen.

Dass Ramelow als Teil der zuletzt oft beschriebenen »Mission Silberlocke« den Linken vielleicht den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag mitsichern wird, kann jedenfalls für den Thüringer Landesverband den Schmerz über diese Wahlniederlage kaum lindern. Zu tief sind die Wunden, die der Wahlabend geschlagen hat: Delegierte erzählen auf der Bühne, wie sie im Wahlkampf von Menschen gefragt worden seien, für welche linke Partei sie denn eben geklingelt hätten, für die Linkspartei oder für das BSW der Ex-Linken Sahra Wagenknecht. Oder: Dass sie den Eindruck haben, Die Linke habe in den jüngsten Wahlkämpfen nicht ausreichend für Frieden geworben.

Das alles ist Teil und Folge von etwas, das der Noch-Chef der Thüringer Staatskanzlei, Benjamin-Immanuel Hoff, auf diesem Parteitag vielleicht am treffendsten beschreibt: Die Linke habe angesichts der Lage in Thüringen und im Bund bislang noch nicht einmal ausreichend Zeit gehabt, das Wahlergebnis zu analysieren oder zu betrauern – und werde diese Zeit jetzt auch nicht haben, weil die vorgezogene Neuwahl im Bund die Partei nun erneut ganz und gar fordere. »Das tut richtig dolle weh«, ist einer der Sätze, die Hoff in diesem Zusammenhang sagt.

Eine andere Analyse Hoffs, der man ganz sicher zustimmen muss: Es ist für die Thüringer Linke »eine Kunst«, nach zehn Jahren als größte, regierungstragende Kraft in der Landespolitik nun in die Oppositionsrolle zu wechseln. In dieser Kunst, argumentiert Hoff, hat es Die Linke noch nicht sehr weit gebracht, auch wenn jedenfalls er sich schon mal in oppositionellen Tönen gegenüber dem Wohl-Demnächst-Ministerpräsidenten übt. »Mario Voigt spricht wie autoritäre Populisten«, sagt Hoff.

Und so ist es auch ein Ausdruck des Versuchs der Thüringer Linken, sich in ihre neue Rolle als Oppositionspartei im Landtag einzufinden, dass deren Ko-Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig auf diesem Parteitag abstrakt und oft über Verantwortung spricht, nachdem in vielen Grußworten von Hoffnung die Rede war – während ihr Ko-Landesvorsitzender Christian Schaft zum gefühlt 934. Mal von der CDU und Voigt fordert, die Konservativen mögen sich doch zu einem Gespräch mit der Linken treffen. Nicht Die Linke müsse erklären, wie im Thüringer Landtag demnächst Mehrheiten ohne die AfD gefunden werden sollten, sagt Schaft. Das sei die Aufgabe desjenigen, »der sich anschickt, Ministerpräsident werden zu wollen«.

Auch Ramelow hatte genau diese Forderung schon mehr als ein, zwei, drei Mal erhoben, indem er von der Union ein Fairness-Abkommen verlangt hatte, mit dem geklärt werden solle, wie die sich abzeichnende Koalition aus CDU, BSW und SPD mit der Linken zu einer Landtagsmehrheit kommen will, die die sogenannte Brombeer-Koalition alleine nicht hat. Das Bündnis käme im Landtag auf 44 von 88 Sitzen, wobei alle drei Parteien eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen haben; sie ist also auf eine wie auch immer geartete Unterstützung der Linken angewiesen sind. Bloß: Die CDU verweigert sich bislang beharrlich solchen Gesprächen, überlässt sie bestenfalls der SPD unter ihrem Vorsitzenden Georg Maier, der für viele Linke allerdings inzwischen ein rotes Tuch ist.

Noch mehr aber ist es ein Ausdruck der aktuellen Suche nach dem neuen, linken Weg in Thüringen, dass der Landesschatzmeister der Partei, Holger Hänsgen, auf diesem Parteitag in doppelter Redezeit erklärt, wie schwierig die Kassenlage des Landesverbandes ist und in Zukunft sein wird. Natürlich, weil mit der Neuwahl im Bund für die Partei nun innerhalb nur weniger Monate noch ein Wahlkampf ansteht, der der Partei »ans letzte Hemd« gehen werde, sagt Hänsgen. Natürlich aber auch, weil sich die Kassenlage der Partei auch dadurch deutlich verschlechtern wird, dass infolge der Landtagswahlniederlage nun deutlich weniger Mandatsträgerabgaben zu erwarten sind. Das veranlasst ihn zu einem Appell: »Sammelt bei Bekannten, Verwandten, Nachbarn und Freunden.«

Selbst für eine linke Partei geht ohne Geld kaum etwas. So ernst ist die Lage.

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