Das Leid der Iraner spielt keine Rolle

Während Bomben fallen, werden die Menschen im Iran von allen Seiten verraten, kommentiert Negin Behkam

Krieg zwischen Israel und dem Iran – Das Leid der Iraner spielt keine Rolle

Menschen im Iran sind allein: Für Israel, den Westen, die Islamische Republik und die iranische Opposition sind sie nur »Kollateralschaden«. Teile der westlichen Linken und viele Menschen in den muslimischen Nachbarländern des Iran zeigen sogar Sympathie für das Regime, allein weil es sich gegen Israel positioniert. Bei all dem bleiben die Menschen vor Ort zurück – verängstigt, entrechtet, im Stich gelassen.

Noch ist keine Woche seit Beginn der israelischen Angriffe auf den Iran vergangen – und doch ist bereits vieles zerstört. Teheran liegt teilweise in Trümmern. Dutzende unschuldige Zivilist*innen wurden getötet, darunter auch Kinder. Manche Menschen flohen panisch aus der Hauptstadt und ließen alles zurück: ihr Zuhause, ihr Leben, ihre Hoffnung. Andere wiederum sind geblieben, denn sie können nicht fliehen: zu arm, zu machtlos, gefangen in einer Stadt unter Beschuss. Der Krieg trifft sie alle – nicht nur mit Raketen, sondern auch mit dem Gefühl, vergessen und ausgeliefert zu sein.

Die iranische Regierung hat erneut gezeigt, dass sie nicht in der Lage ist, die Sicherheit des eigenen Landes zu gewährleisten. Israel kann ungehindert Ziele mitten in Teheran angreifen. Nicht einmal verlässliche Schutzräume für den Ernstfall stehen zur Verfügung. Kein Alarm, nichts! Statt die Menschen in dieser Kriegssituation zu beruhigen und sie zu schützen, stellt sich die Regierung gegen sie. In den ersten Botschaften an die Menschen nach dem Angriff kündigte das Regime an, hart gegen diejenigen im Land vorzugehen, die die Situation dramatisierten.

Negin Behkam

Negin Behkam wurde in Teheran geboren. Dort hat sie für verschiedene Zeitungen als Redakteurin gearbeitet. Einige davon wurden von der Regierung geschlossen. Nun arbeitet sie als Redakteurin im Social-Media-Ressort des »nd«.

Während die Bomben fallen, verschärft die Regierung die Repressionen: Kritische Stimmen werden eingeschüchtert, mehrere Personen wurden verhaftet, ein Mann wurde wegen angeblicher Spionage für Israel sogar hingerichtet. Ob der Vorwurf stimmt, wissen wir nicht. Denn es ist bekannt, wie schnell das Regime den Vorwurf der Spionage als Waffe gegen Kritiker*innen einsetzt. Nebenbei sind Sicherheits- und Justizbehörden weiterhin damit beschäftigt, Frauen wegen Nichttragens des Zwangshijabs Droh-SMS zu schicken und sogar dafür festzunehmen. Auch der Zugang zum Internet wurde eingeschränkt.

Zu den Opferzahlen im Iran gibt es bislang keine verlässlichen offiziellen Angaben. Für die iranische Führung scheint es ohnehin zweitrangig zu sein, wie viele Zivilist*innen im eigenen Land verletzt oder getötet werden. Wichtiger ist ihr offenbar, wie viel Schaden sie Israel zufügen kann. Das Leid der eigenen Bevölkerung spielt in dieser Logik keine wichtige Rolle.

Auch Teile der iranischen Exilopposition nehmen in diesem Trauerspiel wieder eine fragwürdige Rolle ein. Besonders die rechte Opposition – vor allem die Anhänger*innen des Shah-Sohns Reza Pahlavi – unterstützen die Angriffe Israels unter dem Vorwand des Widerstands gegen die Islamische Republik. Dass dabei Zivilist*innen getötet werden und Teile der Städte zerstört sind, sehen sie bloß als »Kollateralschaden«. So wie westliche Politiker*innen es auch tun. Das ist vor allem eins: menschenverachtend.

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