Modedroge Fußball – das Experiment Klub-WM

Mit Wachstumswahn und Saudi-Millionen hat der Weltverband Fifa dem Fußball das nächste Großevent übergeholfen

Beste Stimmung in Miami: Junge Fans der Boca Juniors aus Buenos Aires vor dem Spiel gegen Benfica Lissabon.
Beste Stimmung in Miami: Junge Fans der Boca Juniors aus Buenos Aires vor dem Spiel gegen Benfica Lissabon.

Es läuft wie geschmiert: Der erste Spieltag der Klub-WM 2025 ist vorbei und das Turnier in fünf Stadien der USA liefert die erhofften bunten Bilder. Anders als die Champions League ist die WM keine europäische Privatparty, sondern ein globales Pop‑up: In New York belagerten tunesische und brasilianische Fans den Times Square und ließen ihre Schlachtgesänge erklingen. In Miami eroberten Tausende Anhänger der Boca Juniors aus Buenos Aires die Strände. Sie tauften ihr Happening »Boca Beach«, ehe sie klatschend weiterzogen durch Shopping Malls und Walmarts.

Am Abend besangen 55 000 Menschen im Hard Rock Stadium ihre Lieblinge, schon Stunden vor dem Spiel. Die argentinische Zeitung »Clarín« schwärmte von der »Rückkehr der wahren Fans«. In Argentinien erzielte das Match TV-Einschaltquoten von 34 Prozent. 

Die Stadien sind zumeist ordentlich gefüllt

Mission erfüllt: Die Fifa hat eine neue Modedroge kreiert, mit der sie nun alle vier Jahre Fans in aller Welt in einen ungekannten Fußballrausch versetzen will. Bisher ist es halbwegs ordentlich gelaufen bei jenem neuen Klub-WM-Turnier mit 32 Teams aus allen Erdteilen, das der Schweizer Fifa-Präsident Gianni Infantino dank einer Milliarde Dollar Anschubhilfe aus Saudi-Arabien aus dem Boden gestampft hat. Als Champions-League-Sieger Paris Saint-Germain die europäischen Kollegen von Atlético Madrid 4:0 abservierte, füllten 80 619 Zuschauer die Ränge des Rose Bowl Stadiums von Pasadena. Auch die Eröffnungspartie in Miami mit Lionel Messi zog fast 61 000 Zuschauer an.

Doch es gab auch Ausreißer: Zum Gruppenspiel von Ulsan Hyundai aus Südkorea gegen Südafrikas Serienmeister Mamelodi Sundowns kamen nur 3412 Zuschauer. Als der Anpfiff erfolgte, waren noch nicht mal alle Fans auf ihren Plätzen angelangt, weswegen die US-Nachrichtenagentur AP anfangs sogar von nur 1000 Zuschauern berichtete. Im Internet herrschte Häme: Stell dir vor, es ist Klub-WM, und keiner geht hin!

Europa meckert, doch die Kassen klingeln

Zur Häme gesellte sich Kritik aus Europa. Maheta Molango, Chef der englischen Spielergewerkschaft PFA, bemängelte den »nie endenden Terminkalender« der Profis und nannte das Projekt »ein Beispiel für Machtmissbrauch« durch die Fifa.

In Cincinnati protestierten Bayern-Fans beim 10:0 der Münchner gegen Auckland City aus Neuseeland mit einem Spruchband und forderten »Zerschlagt die Fifa!« Jürgen Klopp, seit Januar als Red-Bull‑Global-Chef tätig, nennt die Klub‑WM »sinnlos« und beklagt vor allem die Belastung der Spieler: »Die Sieger werden die ärmsten Gewinner aller Zeiten sein, weil sie den ganzen Sommer durcharbeiten.« Red Bull Salzburg, aufgrund des verqueren Qualifikationsmodus auch bei der Klub-WM dabei, hat indes nicht auf sein Startrecht verzichtet. 

Die Klagen aus Europa prallen nicht nur an den Vereinskassen ab, wo Salzburg 12,8 Millionen, Borussia Dortmund 23 Millionen und Bayern München sogar 30 Millionen US-Dollar Antrittsprämie verbuchen. Jeweils 15 Millionen bekommen die sechs Klubs aus Südamerika und selbst Auckland City noch 3,58 Millionen. Dem Sieger winken im besten Fall um die 125 Millionen Dollar. Welcher Klubchef wollte da Nein sagen?

Auch viele Spieler haben Lust auf das neue Turnier: Bayern-Kapitän Manuel Neuer verwies darauf, wie gerne Kollegen aus renommierten Klubs beim Turnier dabei wären, aber nicht qualifiziert sind: »Denen tut es weh.«

Für Klubs aus dem Süden ist das Turnier eine Bühne

So berechtigt man sich in Europa über das »arabisch-infantinische Einladungsturnier« (»Süddeutsche Zeitung«) beklagt, sportlich gesehen ist es auch für die Klubs aus dem globalen Süden eine Chance: Wann sonst kann sich der südafrikanische Meister so der Weltöffentlichkeit präsentieren, wer hatte vor diesem Turnier je von Al Ahly aus Kairo oder von Wydad AC aus Casablanca gehört? Wo können Spieler von Esperance Tunis oder von den Urawa Red Diamonds aus der japanischen Präfektur Saitama besser ihren Marktwert erhöhen als bei so einem Wettbewerb? 

Selbst spielerisch können die nichteuropäischen Teams bislang mithalten. Nach dem ersten Spieltag gab es bis auf das 10:0 der Bayern keine Kantersiege. Keinesfalls dominierten die europäischen Mannschaften ihre Kontrahenten aus Lateinamerika: Benfica Lissabon schaffte nur ein 2:2 gegen Boca Juniors aus Buenos Aires, Champions-League-Finalist Inter Mailand kam gegen den mexikanischen CF Monterrey nicht über ein 1:1 hinaus. Sogar das Saudi-Team ging am ersten Spieltag nicht sang- und klanglos unter: Gegen Real Madrid rettete sich al Hilal aus Riad zu einem erstaunlichen 1:1.

Die Klub-WM wird bleiben

Man muss kein Prophet sein, vorherzusagen, dass wohl auch in Zukunft alle dabei sein wollen, wenn im Vierjahres-Rhythmus ein neuer Besitzer für den mit 24-karätigem Gold überzogenen Pokal gesucht wird. Jene Trophäe, auf der der eitle Fifa-Präsident Infantino gleich zweimal seinen Namen hat verewigen lassen. Seine Fifa ist erfolgreich wie nie zuvor.

Infantino hat der europäischen Fußball-Union den Schneid abgekauft: Deren Champions League ist bislang das schillerndste Klubfußball-Produkt weltweit, doch neben dem neuen Weltturnier wirkt es eher provinziell. Die Uefa beobachtet zähneknirschend, wie an ihrem Aushängeschild gekratzt wird. Die Preisgeldexplosion hat das Fifa-Turnier praktisch aus dem Nichts in Königsklassen-Sphären gehoben.

Spätestens ab dem Viertelfinale wird die Qualität auf den Spielfeldern der Klub-WM weiter steigen. Die Tickets für die Spiele dürften rarer werden und auch in Deutschland könnten sich noch mehr Leute für das Turnier in Übersee interessieren, erst recht, wenn Bayern oder der BVB noch eine Rolle spielen sollten. Europa mokiert sich über die Klub-WM, doch das Meckern über volle Taschen und überfüllte Terminkalender ändert nichts. Lateinamerika schluckt die Fifa-Wunderpille, Afrika und Asien probieren neugierig, Nordamerika macht einfach mit. Die Droge Fußball kickt – auch im Sommer 2025.

- Anzeige -

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.