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»Compact«: Die Stalinorgel der Antidemokraten
Brandenburgs AfD schlussfolgert: Kein Verbot des Magazins »Compact« – kein Verbot der Partei!
Die ehemalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe mit dem am Dienstag vom Bundesverwaltungsgericht aufgehobenen Verbot des »Compact«-Magazins den Beweis geliefert, »dass Verbotsverfahren gehörig nach hinten losgehen können«, urteilt Brandenburgs CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann. »Das Extremisten-Magazin wird jetzt auftreten, als ob das gekippte Verbot eine Unbedenklichkeitsbescheinigung wäre.«
Diese Vorhersage, die Redmann mit einer Warnung vor einem überstürzten AfD-Verbotsverfahren verbindet, sollte sich schnell bestätigen. Am Mittwochvormittag halten drei voll besetzte Mannschaftswagen der Polizei vor dem Potsdamer Landtag und ein Beamter hat sich am Eingang zum Parlament postiert. »Compact«-Chefredakteur Jürgen Elsässer ist angesagt zu einer Pressekonferenz im Raum E.060. Dort informieren dienstags die vier Fraktionen des Landtags nacheinander über ihre parlamentarische Arbeit und dort gibt es an anderen Tagen auch weitere Pressegespräche. Elsässer kommt aber nicht als Journalist, um Fragen zu stellen. Er kommt als Gast der AfD-Fraktion und als »Bundesregierung-Besieger«. So steht es auf seinem schwarzen Trikot mit Deutschlandflagge auf dem Ärmel und dem Signet von »Compact« auf der Brust.
»Das war eine epochale Entscheidung«, ein »Sieg David gegen Goliath«, schwärmt der 68-Jährige. Er stellt seinen Fall in eine Reihe mit der »Spiegel«-Affäre von 1962, in deren Folge Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß (CSU) zurücktreten musste. Der alte »Spiegel«-Herausgeber Rudolf Augstein habe sein Nachrichtenmagazin als »Sturmgeschütz der Demokratie« bezeichnet, erinnert Elsässer. Diese Rolle habe heutzutage »Compact«. Dass die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« »Compact« als »Stalinorgel der Antidemokraten« veralbert habe, versucht Chefredakteur Elsässer als Kompliment zu nehmen, spreche es doch immerhin für die »publizistische Feuerkraft« seines Magazins.
Zu möglichen Ansprüchen auf Schadenersatz für das zeitweilige Verbot sagt Elsässer, es sei nicht nötig nachzutreten. Nancy Faeser sei nach der Bundestagswahl vom Februar ja nun schon »weg vom Fenster«. Zwar ließen sich die erlittenen wirtschaftlichen Schäden sicherlich beziffern. Vermieter seien abgesprungen, »Compact« habe sein TV-Studio sowie sein Lager verloren und wochenlang Bestellungen nicht bearbeiten können. Doch andererseits habe Faeser mit dem Verbot auch Werbung für das Magazin gemacht. Die Zuschauerzahlen des Videokanals Compact TV seien auf über eine Million täglich gestiegen. »Compact« sei jetzt ein »starkes und profitables Unternehmen« und könne die erlittenen Verluste verkraften. Compact TV soll stark ausgeweitet werden.
Elsässer hat eine lange Vergangenheit in der linken Tageszeitung »Junge Welt« und eine kurze im »nd«. Seit 2010 bringt der zum Rechten gewendete Marxist das »Compact«-Magazin heraus. Längst gescheitert sind anfängliche Versuche, es als Querfront-Medium für Don Camillo und Peppone zu etablieren – in Anspielung auf alte italienische Filme mit einem katholischen Priester und einem kommunistischen Bürgermeister. Mal lehnte sich »Compact« in seiner Geschichte enger an die 2013 gegründete AfD an und mal nicht ganz so eng. Im Moment verstehen sich beide Seiten augenscheinlich wieder prächtig.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wurde »Compact« von Rechtsanwalt Laurens Nothdurft vertreten. Er ist AfD-Kommunalpolitiker im sachsen-anhaltischen Roßlau und gehörte früher der Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) an, die 2009 von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) verboten wurde. Rechtsanwalt Nothdurft nennt die Gerichtsentscheidung »bahnbrechend«. Demnach seien »nonkonforme Positionen« auch künftig uneingeschränkt zulässig und harsche Kritik an der Migrationspolitik sei von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Vorwürfe des Bundesinnenministeriums seien »nicht stichhaltig« gewesen. Kurz zusammengefasst: »Remigration« und »Umvolkung« dürfe man sagen. Es seien Vorwürfe gewesen, die auch gegen die AfD erhoben werden.
Deswegen meint Brandenburgs AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt denn auch, dass es für ein Verbot seiner Partei keine rechtliche Grundlage gebe. »Da sehen wir uns in unserer Position durch die Gerichtsentscheidung bestätigt«, sagt Berndt. Dem AfD-Landesverband waren durch das zeitweilige »Compact«-Aus Unannehmlichkeiten entstanden. Die AfD hatte für den Landtagswahlkampf 2024 eine Bühne von der Compact Magazin GmbH gemietet und war mit einer größeren Summe in Vorkasse gegangen. Das Geld drohte durch eingefrorene Konten verloren zu gehen oder zumindest nicht mehr vor der Wahl zurückzufließen. Doch dies sei alles »bereinigt«, winkt Berndt am Mittwoch ab. Der Ostdeutsche Berndt hatte nach eigenem Bekenntnis übrigens früher selbst linke Ansichten – so wie der gebürtige Westdeutsche Elsässer auch.
Der AfD-Abgeordnete Lars Günther, seit 2019 im Landtag, arbeitete früher als Redaktionsassistent der Compact GmbH. Weitere solche Personalwechsel zwischen AfD-Fraktion und »Compact« in die eine oder andere Richtung sind dem Fraktionsvorsitzenden Berndt nicht bekannt, wie er am Mittwoch sagt. Eine spezielle Zusammenarbeit gebe es nicht oder zumindest keine andere als mit dem öffentlich-rechtlichen Sender RBB – mit dem Unterschied allerdings, dass »Compact« keine Vorurteile gegen die AfD hege.
Berndt schenkt Elsässer eine Flasche »Wodka Gorbatschow«, mit dem dieser auf den Erfolg vor Gericht anstoßen soll. Auf einen vergleichbaren Erfolg muss die AfD noch warten. Sie klagt gegen ihre durch den Verfassungsschutz vorgenommene Einstufung als »gesichert rechtsextremistisch«. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat in dieser Sache noch nicht entschieden.
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