Charité Berlin: Verdi-Basis segnet Tarifeinigung bei der CFM ab

Verdi-Basis stimmt Tarifeinigung bei der CFM zu

»Gerade die Bereiche, die sonst leise sind, haben in der Bewegung Mut entwickelt.«
»Gerade die Bereiche, die sonst leise sind, haben in der Bewegung Mut entwickelt.«

An der Universitätsklinik Charité ist die Gewerkschaft Verdi dem Ziel, gleiche Löhne für gleiche Arbeit im Betrieb zu erreichen, ein Stück näher gekommen. In einer Mitgliederbefragung sprachen sich 78,1 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder für eine Annahme der Tarifvereinbarung aus. Die Tarifkommission hat daraufhin einstimmig ebenfalls die Annahme beschlossen. Die Gewerkschaft erklärte den Einigungskompromiss zu einem wichtigen Teilschritt für mehr Gerechtigkeit an dem landeseigenen Krankenhaus. Sie erneuerte zugleich ihre Kritik an der schwarz-roten Regierungskoalition in Berlin.

»Das ist ein Riesenschritt in die richtige Richtung«, sagt Maik Sosnowky bei der Vorstellung des Mitgliedervotums am Dienstag, »nicht nur für bessere, sondern auch für gerechtere Löhne.« Sosnowsky ist Vorsitzender des Betriebsrats der Charité Facility Management GmbH (CFM) und war Mitglied der Verdi-Tarifkommission, die die Vereinbarung ausverhandelt hat. Der Vereinbarung war ein 48-tägiger Erzwingungsstreik vorausgegangen.

Die CFM ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Charité. Bei ihr arbeiten etwa Beschäftigte der Reinigung, der Haustechnik und der Verpflegung. In der eigenen Gesellschaft gilt für sie seit 2006 nicht mehr der Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD). Dadurch sind sie mit Blick auf die Löhne und die Arbeitsbedingungen schlechtergestellt als ihre Kolleg*innen, die direkt bei der Charité angestellt sind. Verdi war mit der Forderung einer kompletten und unverzüglichen Wiederanbindung an den TVöD in die Tarifauseinandersetzung gegangen.

Die CFM-Führung werde am kommenden Montag über die Annahme der Vereinbarung beraten, teilte eine Sprecherin auf Nachfrage mit. »Stand jetzt rechnen wir mit einem positiven Votum.«

»Der Kompromiss sieht nun vor, dass die Entgelte in mehreren Schritten angeglichen werden«, sagt Verdi-Verhandlungsführerin Gisela Neunhöffer. Am 1. Januar 2030 soll die Angleichung dann abgeschlossen sein. In der Zwischenzeit werden Lohnerhöhungen, die für den TVöD vereinbart werden, auch für die Mitarbeiter*innen der CFM übernommen. Die rückwirkend ab 1. Juni geltende Vereinbarung übersetze sich beispielsweise für eine Beschäftigte der OP-Reinigung mit sechs Jahren Betriebszugehörigkeit im ersten Schritt schon in 460 Euro mehr Gehalt pro Monat.

Allerdings, gesteht Neunhöffer, »die besseren Arbeitsbedingungen aus dem Manteltarifvertrag des TVöD werden kaum wirksam«. Auf eine um eine halbe Stunde kürzere Wochenarbeitszeit, eine deutlich höhere Jahressonderzahlung und diverse Zulagen müssten die Beschäftigten weiterhin verzichten. Der ausgehandelte Kompromiss sei insofern mit »sehr starken Diskussionen« einhergegangen. Die Annahme der Vereinbarung samt ihrer deutlichen Zugeständnisse belege »das gesellschaftliche und solidarische Bewusstsein« der Beschäftigten.

»Wir haben in der Streikgemeinschaft gelernt, dass wir gemeinsam stark sind.«

Iris Gerlicher CFM-Mitarbeiterin in der Küche

Die Auseinandersetzung sei hart gewesen, erklärt Iris Gerlicher, die seit Jahren in der Küche arbeitet. Die Beschäftigten seien dem Arbeitskampf von Beginn an mit viel Unsicherheit begegnet. Der Lohnverlust sei trotz Streikgeld sehr hoch gewesen, vor allem bei den kleinen Löhnen. »Wir haben in der Streikgemeinschaft gelernt, dass wir gemeinsam stark sind. Gerade die Bereiche, die sonst leise sind, die Reinigung, die Küche, haben in der Bewegung Mut entwickelt, sind ans Mikrofon getreten und haben der Geschäftsführung und der Politik ihre Lage erklärt«, sagt Gerlicher.

Maik Sosnowksy ist schon lange Jahre im Betriebsrat der CFM. Der Kampf um gerechte Löhne werde an der Charité seit 20 Jahren ausgetragen, sagt er. In dieser Zeit hätten mehrere Koalitionen die Wiedereingliederung der CFM in die Charité beschlossen. »Aufgrund des gebrochenen Versprechens, das Anliegen politisch zu lösen, mussten wir uns mit dem Streik durchsetzen«, sagt Sosnowksy. Die Einigung sei nicht der letzte Schritt, sondern einer von vielen.

Von der amtierenden Regierungskoalition kann der arbeitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sven Meyer, die Enttäuschung nachvollziehen, insbesondere mit Blick auf die 4,5 Jahre bis zur vollständigen Übernahme des TVöD. »Es ist nicht das, was im Koalitionsvertrag steht«, räumt Meyer ein. Berlin stehe finanziell in sehr schwierigen Zeiten, »darauf bezogen ist der erkämpfte Systemwechsel hin zum TVöD ein großer Erfolg«. Aufgabe der Politik sei es nun angesichts der laufenden Haushaltsberatungen, »das Erreichte ökonomisch abzusichern«.

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Meyer sieht die CFM im Kontext der Ausgliederungen, die im Berlin der Nullerjahre ein beliebtes Sparinstrument der rot-roten Koalitionen waren. So wurde etwa auch am Technikmuseum der Service ausgegliedert. Dort fallen die Beschäftigten mittlerweile wieder unter den TVöD. »Ausgliederungen sind grundsätzlich ein Problem für die Mitbestimmung der Beschäftigten und auch die Streikfähigkeit«, sagt der SPD-Politiker Meyer. Die Arbeitgeber könnten damit immens viel umgehen: »Zum Beispiel sind Dienstpläne und Räumlichkeiten ja mitbestimmungspflichtig. Wenn diese aber wie im vorliegenden Fall eben zur Charité gehören, die Leute jedoch bei der CFM angestellt sind, wird das teilweise ausgehebelt.« Meyer wünscht sich deshalb mehr Solidarität und »gesamtgewerkschaftliche Kämpfe«.

Auch bei der landeseigenen Vivantes-Krankenhausgesellschaft arbeitet ein Teil der Beschäftigten für weniger Geld in Tochtergesellschaften. Deren Tarifvertrag läuft Ende des Jahres aus. Neunhöffer sieht das Datum als Gelegenheit für die Politik, in Sachen Glaubwürdigkeit nachzuholen: »Natürlich ist auch dort die Erwartung, dass das Versprechen nach Lohngerechtigkeit umgesetzt wird«, so die Gewerkschaftssekretärin.

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