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BSW: Neuer Anlauf Richtung Bundestag

Das BSW bemüht sich weiter um die Neuauszählung der Bundestagswahl, plant aber auch schon für die nächste Wahl 2029

BSW-Führung am Wochenende bei der Standortbestimmung nach der gescheiterten Bundestagswahl: Generalsekretär Christian Leye, Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali
BSW-Führung am Wochenende bei der Standortbestimmung nach der gescheiterten Bundestagswahl: Generalsekretär Christian Leye, Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht und Amira Mohamed Ali

Was macht eigentlich das Bündnis Sahra Wagenknecht, konnte man sich zuletzt gelegentlich fragen. Denn außer der permanent vorgetragenen Forderung nach Überprüfung der Bundestagswahl war bundespolitisch vom BSW nicht allzu viel zu hören. Das hat sich am Wochenende geändert – zum ersten Mal tagten in Berlin der Bundesvorstand, die Landesvorsitzenden und die EU-Abgeordneten des BSW, um über die Perspektive der Partei nach der Wahlniederlage zu sprechen.

Dass eine solche Zusammenkunft fast eineinhalb Jahre nach Parteigründung zum ersten Mal stattfindet, mag verwunderlich erscheinen. Aber die Landesverbände mussten im Verlauf des letzten Jahres erst einmal konstituiert werden. In einer Pressemitteilung zu dem Treffen in Berlin heißt es, das Ziel sei es nun, bis Ende 2026 in allen ostdeutschen Landtagen vertreten zu sein (2026 wird in Sachsen-Anhalt, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gewählt). Das Fernziel ist es, »spätestens 2029 mit einer starken Fraktion in den Bundestag einzuziehen«. Das will man mit einem Profil als »einzige Friedenspartei in Deutschland« und dem Eintreten für eine »leistungsgerechte Aufstiegsgesellschaft« und einen verlässlichen Sozialstaat schaffen.

Dem stehe allerdings, so das BSW, »die größte Aufrüstung in der Geschichte der Bundesrepublik« entgegen, gegen die es im Bundestag »keine wirkliche Opposition« gebe. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Zustimmung der Linken zu den »unbegrenzten Aufrüstungskrediten im Bundesrat«. Gemeint ist die Zustimmung von mitregierenden Linken in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern zum Finanzpaket für Infrastruktur und Aufrüstung, die auch in der Linken selbst für Kritik gesorgt hatte. Zudem wehre sich das BSW »gegen den neuen Autoritarismus der sogenannten ›demokratischen Mitte‹«, ohne dass jedoch für diese These Beispiele genannt werden.

In einem Interview am Wochenende hatte Sahra Wagenknecht erklärt, dass sie weitere Regierungsbeteiligungen ihrer Partei ablehnt. Die Koalitionen in Thüringen und Brandenburg hätten der Gesamtpartei geschadet, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das BSW habe sich vor allem in Thüringen »teilweise von den anderen Parteien über den Tisch ziehen lassen« und stecke jetzt in einem Koalitionskorsett mit den »alten Parteien«. Wagenknecht wandte sich erneut gegen eine Brandmauer gegenüber der AfD. Die Brandmauer sei »eine undemokratische Dummheit« und helfe der Rechtsaußen-Partei letztlich. Gehe es so weiter, dann könne die AfD im Osten irgendwann allein regieren. Als Gegenmittel empfiehlt Wagenknecht der CDU in Sachsen-Anhalt, mit der AfD zu koalieren.

Das derzeitige Hauptkampffeld des BSW ist es bis auf Weiteres, eine Überprüfung und Neuauszählung der Bundestagswahl Ende Februar zu fordern. Kürzlich haben sich die Ausschüsse des neuen Bundestags konstituiert, auch der Wahlprüfungsausschuss, bei dem das BSW seine Wahlbeschwerde vorbringen kann. Mit Verfassungsbeschwerden war die Partei gescheitert und auf den regulären Weg verwiesen worden. Nun ruft die BSW-Führung ihre Basis auf, sich massenhaft an die Mitglieder des Ausschusses zu wenden und ihnen die Dringlichkeit des Anliegens klarzumachen. Nach einer teilweisen Korrektur des Wahlergebnisses fehlen dem BSW etwa 9000 Stimmen zum Einzug in den Bundestag. Endgültige Klarheit ist nicht nur relevant, weil sowohl die Wähler als auch die Parteien Anspruch auf ein korrektes Wahlergebnis haben. Sondern auch, weil sich bei einem nachträglichen Einzug des BSW ins Parlament die Mehrheitsverhältnisse verändern würden und die schwarz-rote Bundesregierung von Friedrich Merz keine Mehrheit mehr hätte. Das BSW geht davon aus, dass es die Fünf-Prozent-Hürde sicher übersprungen hat. Ob das stimmt, sei dahingestellt; zumindest die Möglichkeit gibt es.

Jenseits dieser Bemühungen muss das BSW in diesem Jahr das tun, was es möglichst vermeiden wollte: ohne nennenswerte bundespolitische Präsenz die Partei mühsam von unten aufbauen. Geplant war ein Handstreich mit einem Stück Erbmasse aus der Linkspartei, doch das ist zumindest vorerst gescheitert. Immerhin wurde die Parteigründerin überredet, noch eine Weile weiterzumachen. Nun sollen regionale und lokale Strukturen auf- und ausgebaut werden. Angekündigt ist für Juli die Gründung eines Jugendverbandes. Inzwischen gibt es auch deutlich mehr Mitglieder, nach letztem Stand sollen es etwa 2600 sein. Aber noch immer hat der Bundesvorstand die Hand auf der Mitgliederauswahl; ohne seinen Segen kann nach wie vor niemand ins BSW eintreten. Dagegen regt sich Widerstand in den Landesverbänden. Bis zum Jahresende, hieß es am Wochenende, soll die Mitgliederzahl im fünfstelligen Bereich liegen.

Nicht nur in der Frage der sehr ungewöhnlichen Aufnahmepraxis ist das Grummeln an der Parteibasis vernehmlicher geworden. Der Konflikt zwischen der Parteiführung um Wagenknecht und dem Thüringer Landesverband ist die bekannteste, aber nicht die einzige Streitebene. Kürzlich wurde publik, dass sich in der Partei ein Mainzer Kreis gebildet hat, der darüber diskutieren will, ob die Partei auf dem richtigen Weg ist. Mit dabei der Thüringer Minister Steffen Schütz, der zu den Wagenknecht-Opponenten im Streit um die Thüringer Regierungsbeteiligung gehört und bei der nächsten Wahl für den Bundesvorstand kandidieren will. Man wolle kooperativ mit dem Bundesvorstand zusammenarbeiten, heißt es aus dem Mainzer Kreis. Bleibt abzuwarten, was daraus wird. Bisher ist die BSW-Führung mit Kritikern in den eigenen Reihen, namentlich aus Thüringen, zuweilen ziemlich ruppig umgegangen.

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