Studie: Jede sechste Person protestierte gegen Rassismus

Der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor veröffentlicht neue Zahlen zu antirassistischem Engagement

Nach Bekanntwerden von Abschiebeplänen der extremen Rechten 2024 gingen viele Menschen dagegen auf die Straße. Im Frühjahr dieses Jahres, als die CDU eine migrationsfeindliche Politik schürte, gab es erneut Massenproteste. Derzeit wird über ein Verbot der AfD diskutiert.
Nach Bekanntwerden von Abschiebeplänen der extremen Rechten 2024 gingen viele Menschen dagegen auf die Straße. Im Frühjahr dieses Jahres, als die CDU eine migrationsfeindliche Politik schürte, gab es erneut Massenproteste. Derzeit wird über ein Verbot der AfD diskutiert.

Immer mehr Menschen in Deutschland positionieren sich öffentlich gegen Rassismus. Laut dem aktuellen Bericht »Engagiert gegen Rassismus: Potenzial und Praxis in Deutschland« des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) hat sich der Anteil derjenigen, die an entsprechenden Protesten teilgenommen haben, innerhalb eines Jahres vervierfacht. Während 2023 lediglich vier Prozent der Befragten eine Teilnahme an Protestaktionen angaben, waren es Mitte 2024 bereits 17 Prozent. Die Zahlen sind laut den Studienautor*innen repräsentativ und basieren auf Erhebungen des NaDiRa-Panels aus den Jahren 2023 und 2024 mit über 3400 Teilnehmenden.

Haupttreiber dieser Entwicklung waren die großen Demokratieproteste infolge der Correctiv-Recherche zu »Remigrations«-Plänen von Rechtsextremen und AfD-Politikern: 84 Prozent derjenigen, die gegen Rassismus protestiert haben, gaben an, sich in der ersten Jahreshälfte 2024 an einer der Demonstrationen gegen Rechtsextremismus beteiligt zu haben. Allerdings betont Tae Jun Kim, Leiter des NaDiRa-Panels am Dezim-Institut und Ko-Autor der Studie, gegenüber »nd«: »Die Veränderungen im Engagement lassen sich daher nicht ausschließlich auf die großen Demos zurückführen, sondern spiegeln auch einen breiteren gesellschaftlichen Trend wider.«

Trotz der Zunahme bleibt das Potenzial antirassistischen Engagements bei Weitem nicht ausgeschöpft. Denn 40 Prozent der Befragten können sich grundsätzlich vorstellen, an einer Demonstration teilzunehmen. Noch größer sind die Diskrepanzen bei anderen Formen des Engagements wie Online-Petitionen (42 Prozent potenziell, 11 Prozent real), Spenden (34 Prozent potenziell, 5 Prozent real) oder freiwilliger Mitarbeit (35 Prozent potenziell, 3 Prozent real).

»Für uns interessant ist jedoch die Bewegung im Potenzial: Wir sehen, dass sich antirassistisches Engagement aktivieren lässt«, so Kim. »Viele, die sich 2023 ein Engagement nur vorstellen konnten, sind 2024 tatsächlich aktiv geworden.« Das Fazit des Forschers: »Antirassistisches Engagement in Deutschland ist kein starres Phänomen, sondern äußerst dynamisch.«

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Die Studienautor*innen haben auch genauer untersucht, was die Menschen ausmacht, die sich gegen Rassismus engagieren. Mit einer höheren Wahrscheinlichkeit setzen sich demnach Personen ein, die sich selbst als links einordnen, über höhere Bildungsabschlüsse verfügen oder migrantisch geprägte Freundeskreise haben. Ob eigene Rassismuserfahrungen vorliegen, spielt für das Engagement eine untergeordnete Rolle. Eine Dezim-Befragung von 2024 zeigte: Sowohl Personen mit als auch ohne eigene Rassismuserfahrungen nehmen mit höherer Wahrscheinlichkeit an Protesten teil, wenn ihnen von rassistischen Erfahrungen anderer berichtet wurde.

Doch einmal gegen rechts auf die Straße zu ziehen, ist das eine, sich dauerhaft in einer sozialen Bewegung einzusetzen, das andere. Führte der Anstieg an Protestierenden auch zu einer Verstetigung der zivilgesellschaftlichen Arbeit? »Unsere Daten zeigen nur einen minimalen Anstieg beim freiwilligen Engagement in antirassistischen Organisationen. Einen klaren Trend über die Zeit können wir quantitativ nicht belegen«, sagt Kim. »Was wir aber sehen: Die Bereitschaft, sich zukünftig freiwillig zu engagieren, ist leicht gewachsen, ähnlich wie bei anderen Formen antirassistischen Engagements.« Das spreche dafür, dass es auch bei der freiwilligen Arbeit für antirassistische Organisationen noch viel Spielraum gebe.

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.