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Ewiger Krieg für den ewigen Frieden
Nicht schon wieder: Die USA mischen im Nahen Osten militärisch mit
»Eine generationenübergreifende Neuausrichtung« – »Eine dringend nötige regionale Kurskorrektur weg von zwei Jahrzehnten des militärischen Interventionismus« – »Eine neue Ära der Stabilität und des Wohlstands«: So feierte die US-Denkfabrik Center for Strategic and International Studies (CSIS) die Nahost-Politik Donald Trumps nach seinem üppig inszenierten Besuch der Golfregion im Mai. Der Geschäftsmann Trump werde die Lage im Nahen und Mittleren Osten pragmatisch angehen; er biete wirtschaftliche Integration statt überheblicher westlicher Moral. Wenige Wochen später gab der Oberbefehlshaber Trump den Befehl zur Bombardierung von Atomanlagen im Iran.
Die linke Medienlandschaft in Europa ist nicht groß, aber es gibt sie: ob nun die französische »L’Humanité« oder die schweizerische »Wochenzeitung« (WOZ), ob »Il Manifesto« aus Italien, die luxemburgische »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek«, die finnische »Kansan Uutiset« oder »Naše Pravda« aus Prag. Sie alle beleuchten internationale und nationale Entwicklungen aus einer progressiven Sicht. Mit einer Reihe dieser Medien arbeitet »nd« bereits seit Längerem zusammen – inhaltlich zum Beispiel bei unserem internationalen Jahresrückblick oder der Übernahme von Reportagen und Interviews, technisch bei der Entwicklung unserer Digital-App.
Mit der Kolumne »Die Internationale« gehen wir einen Schritt weiter in dieser Kooperation und veröffentlichen immer freitags in unserer App nd.Digital einen Kommentar aus unseren Partnermedien, der aktuelle Themen unter die Lupe nimmt. Das können Ereignisse aus den jeweiligen Ländern sein wie auch Fragen der »großen Weltpolitik«. Alle Texte unter dasnd.de/international.
Donald Trump ist der erste Präsident der USA, der den Krieg wie einen Wahlkampf eröffnet, das rote Maga-Käppi auf dem Kopf. Er ist auch der Erste, der nur die Spitze seiner eigenen Partei über die Angriffspläne informierte – während er es sich nicht verkneifen konnte, seine Fangemeinde auf Social Media auf »etwas Größeres« als Friedensverhandlungen scharfzumachen. »Stay tuned!«, schrieb er kurz vor dem Bombenabwurf, »Bleibt dran!«. Als wären US-Interventionen im Nahen Osten nicht eine reichlich abgedroschene Show.
Nicht schon wieder Propaganda in Bezug auf mutmaßliche Massenvernichtungswaffen. Nicht schon wieder eine voreilige siegessichere »Mission erledigt«-Meldung, die den Anfang eines langen, blutigen Krieges markiert. Bitte keine weiteren Luftangriffe, die Frieden herbeibomben sollen. Und nicht noch einen US-erzwungenen Regimewechsel in der vagen Hoffnung, die nächste Regierung vor Ort werde besser sein. Trump als Friedenspräsident? Weder militärische Kurzeinsätze noch langwierige Kriege haben bisher eine Pax Americana im Nahen Osten bewirkt.
Seit die europäischen Kolonialmächte sich nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Region zurückzogen, mischen die USA dort kräftig mit. Im Kalten Krieg wurden lokale Gruppierungen und Regierungen gestützt oder gestürzt. Zu dieser US-»Entwicklungshilfe« gehörte damals auch ein Programm namens »Atoms for Peace«, Atome für den Frieden, das dem Iran, aber auch Israel und Pakistan Grundlagen zur Entwicklung der Nukleartechnik lieferte. Der Iran unter dem prowestlichen Schah Mohammad Reza Pahlavi erhielt 1967 sogar einen kleinen Reaktor geschenkt.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion errichteten die USA ständige Militärbasen im Nahen und Mittleren Osten. Heute sind dort bis 50 000 Soldat*innen stationiert, halb so viele wie in Nato-Europa. Und die Liste der bewaffneten Auseinandersetzungen in der ganzen Region ist entsprechend lang geworden: Afghanistan, der Irak, Jemen, Pakistan, Somalia, Libyen, Syrien, Libanon, Iran.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 versuchten die USA, die politischen Systeme, die sie teils selbst mitaufgebaut hatten, radikal umzuformen, nicht nur durch die Militärpräsenz in Afghanistan und im Irak, sondern auch mit »Nationenbildung«. Als Barack Obama 2008 zum Präsidenten gewählt wurde, versuchte er, die Scherben aufzulesen und die Nahost-Politik der USA den Demokratiebestrebungen des Arabischen Frühlings anzugleichen. Ein zu ehrgeiziges Ziel. Die USA waren durch den Irak-Krieg und die finanzielle Krise im eigenen Land geschwächt. Sie hatten ihre Vormachtstellung verloren. Der Nahe Osten war Teil einer multipolaren Welt geworden.
Die WOZ ist eine unabhängige überregionale linke Wochenzeitung in der Schweiz mit Sitz in Zürich. Herausgeberin der 1981 gegründeten Zeitung ist die Genossenschaft infolink; finanziell unterstützt wird das Blatt durch den Förderverein ProWOZ. Die Zeitung hat keinen Verleger und keine Chefredaktion, wichtige Beschlüsse werden basisdemokratisch gefällt.
Durch eine kontinuierliche und kritische Berichterstattung etwa zur Migrationspolitik, zur Umwelt- und Wirtschaftspolitik sowie durch grundsätzliche Gesellschaftsanalysen ist die WOZ zu einem anerkannten Korrektiv in der Schweizer Medienlandschaft geworden. Die Wochenzeitung hat derzeit knapp 19 000 Abonnent*innen. Gemeinsam mit WOZ hat »nd« seine Digitalausgabe entwickelt.
Rückzug oder zumindest Zurückhaltung bestimmte deshalb die Nahost-Politik von drei so unterschiedlichen Präsidenten wie Barack Obama, Donald Trump in der ersten Amtszeit und Joe Biden. Bis der Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 die Region einmal mehr erschütterte. Sogleich drängte Israel die USA zu einer vermehrt auch militärischen Einmischung.
Nun sind die ersten US-Bomben gefallen. Die Treffer sind kein »vollständiger und totaler Erfolg«. Der Waffenstillstand ist vorläufig – und gilt nicht für Gaza. Trump trägt nun viel Verantwortung für die nächste Runde in diesem ewigen Krieg für den ewigen Frieden.
Dieser Text ist in Ausgabe Nr. 26 (26. Juni) unseres Schweizer Partnermediums »Wochenzeitung« erschienen. Der Beitrag wurde nachbearbeitet und gekürzt.
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