»Kohleparty« klingt nur langsam aus

Studie: Das fossile Geschäft mit der Kohle stieg 2024 wieder an. Auch deutsche Banken investieren weiter

Mutet an wie ein Relikt vergangener Zeiten. Doch die Investitionen von Banken in Kohlekraft stiegen 2024 wieder an.
Mutet an wie ein Relikt vergangener Zeiten. Doch die Investitionen von Banken in Kohlekraft stiegen 2024 wieder an.

Das nahende Ende des Kohlezeitalters haben schon zahlreiche Expert*innen vorausgesehen. Und doch ist es, wie eine am Dienstag veröffentlichte Studie zur Kohlefinanzierung zeigt, ganz so weit wohl noch nicht. In den vergangenen drei Jahren machten laut dem neuen »Still Banking on Coal«-Bericht der Umweltorganisation Urgewald und weiterer NGOs Geschäftsbanken weltweit mehr als 385 Milliarden US-Dollar für die Kohleindustrie locker.

»Wir hatten gehofft, nach Glasgow einen konstanten Abwärtstrend zu sehen«, sagte Urgewald-Finanzrechercheurin Katrin Ganswindt. Stattdessen seien die Geldströme von 2022 auf 2023 zwar leicht gesunken, 2024 aber wieder ungefähr auf die alte Höhe gestiegen. Die Urgewald-Expertin bezieht sich auf den UN-Klimagipfel 2021 in Glasgow. Dort hatten sich nicht nur 197 Staaten auf eine Abkehr von der Kohleverbrennung geeinigt, sondern auch viele Banken verkündet, ihre Portfolios von dem fossilen Geschäft zu befreien.

Wind- und Solarenergie sind schlicht günstiger. Vergangenes Jahr machten Erneuerbare über 90 Prozent der weltweit neu gebauten Kraftwerke aus. Die Zahl der neu geplanten Kohleprojekte schrumpft. Doch ein langsamerer Ausbau der Kohle reicht nicht, um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten. Dafür müssen Industrienationen laut der Internationalen Energieagentur IEA bis 2030 aus der Kohle aussteigen, alle anderen bis 2040.

»Die Kohleparty ist vorbei, doch die meisten Banken weigern sich, nach Hause zu gehen.«

Katrin Ganswindt 
Umweltorganisation Urgewald

Danach sieht es allerdings nicht aus – angesichts einer weltweiten Kohlekraftwerkskapazität von 2,1 Millionen Megawatt und Kohleausstiegsplänen bis 2040 bei nur 24 der 99 größten Geschäftsbanken. »Die Kohleparty ist vorbei, doch die meisten Banken weigern sich, nach Hause zu gehen«, stellt Ganswindt fest.

Nach dem Finanzvolumen zu urteilen, fällt vor allem chinesischen Banken der Absprung schwer. Knapp 65 Prozent der Kohlefinanzierung in den Jahren 2022 bis 2024 stammen aus China. Deutlich dahinter kommen Bankgeschäfte aus den USA, Japan, Europa und Kanada. Im Gegensatz zu vielen westlichen Banken beschränken sich die chinesischen Geldgeber allerdings fast ausschließlich auf Kohleprojekte im eigenen Land. Die größten Kohlegeldgeber Chinas und auch weltweit sind die Staatsbank Citic (29 Milliarden US-Dollar), die Industrial and Commercial Bank of China (20 Milliarden) und die China Merchants Bank (16 Milliarden). Deutlich dahinter kommen mit rund 8 und 7 Milliarden Dollar die japanische Bank Mizuho und die Bank of America.

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Doch auch deutsche Banken wollen noch weiterfeiern. Mit über 5 Milliarden Dollar für die Kohle in den vergangenen drei Jahren liegt Deutschland auf Platz acht aller Staaten, und die Deutsche Bank ist mit über 2 Milliarden der zweitgrößte europäische Geldgeber. Nur die britische Barclays Bank ist mit 4 Milliarden noch dicker im Kohlegeschäft. Die Deutsche Bank fällt dabei mit einer besonders schwachen Kohlerichtlinie auf. Sie schließt die Finanzierung eines Unternehmens erst dann aus, wenn es mehr als 50 Prozent seines Umsatzes mit Kohle macht – damit bleiben die meisten fossilen Konzerne im Rennen.

Laut dem vor einigen Wochen veröffentlichten Fossil Fuel Finance Report der US-Umweltorganisation Rainforest Action Network hat Deutschlands größte Bank auch generell bei fossilen Investitionen zugelegt und ist nach wie vor größter Finanzier des britischen Öl- und Gasriesen BP. Besorgniserregend ist dabei, dass bei einigen deutschen Banken ein Aufwärtstrend zu erkennen ist. So hat die Deutsche Bank von 2022 bis 2024 ihr Finanzvolumen bei Kohle um über 150 Prozent gesteigert. Auch die Commerzbank steckte mehr Geld in Kohleprojekte.

»Der deutsche Bankensektor zeigt beim Thema Kohle ein zweigeteiltes Bild«, sagte Urgewald-Finanzexperte Philipp Noack. Auf der einen Seite stünden die großen Privatbanken Deutsche Bank und Commerzbank, in kleinerem Umfang auch die genossenschaftliche DZ-Bank, die den Sektor weiterhin stark finanzieren. Auf der anderen Seite zögen sich die meisten Landesbanken aus der Kohle zurück. Einzige Ausnahme sei die Bayerische Landesbank.

Natürlich investieren Banken nur deshalb in Kohle, weil sie damit rechnen, über die kommenden Jahre ihr Geld plus Profit zurückzubekommen. Damit das eintritt, müssen die Kohleanlagen noch Jahre weiterlaufen. »Vermögensverwalter müssen ihre Investitionen in solche Banken überdenken, die die Kohle am Leben erhalten«, fordert deshalb Ganswindt. Auch die Zivilgesellschaft müsse jede Bank öffentlich kritisieren, die »unsere Zukunft durch Kohlegeschäfte im Würgegriff hält«.

Über ein Drittel der Erderwärmung geht inzwischen auf die Kappe der Kohleverbrennung. Und die IEA hat bereits vor Jahren festgestellt: Für die Energiesicherheit sind neue fossile Investitionen nicht nötig.

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